Josep Borrell berief Krisensitzung ein

Borrell: Mehrheit in EU gegen Zahlungsstopp für Palästina

Dienstag, 10. Oktober 2023 | 21:01 Uhr

Von: apa

Die angekündigte Prüfung der EU-Hilfszahlungen an die Palästinensischen Behörden darf nicht zur Verzögerung dieser Zahlungen führen. Das sagte der EU-Außenbeauftragter Josep Borrell am Dienstag nach einem Gespräch mit den EU-Außenministern in Maskat im Oman. Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten sei mit Ausnahme von zwei bis drei Ländern gegen ein Einfrieren der Entwicklungsgelder. Wer diese Länder sind, sagte Borrell nicht.

Die Sichtweise Borrells wird nicht von allen geteilt: Aus diplomatischen Kreisen hieß es gegenüber der APA, dass mehr Länder für ein Einfrieren seien. Zudem würden die Zahlungen an die palästinensischen Behörden nur in großen Abständen erfolgen, wodurch ein Einfrieren während der Überprüfung womöglich zu keiner realen Verzögerung führe. Einigkeit habe laut der gleichen Quelle zudem dabei geherrscht, dass die humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung weitergeführt werden solle.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte vor dem Dringlichkeitstreffen der EU-Außenminister zur Lage im Nahen Osten, dass Österreich seine Zahlungen für Entwicklungshilfe an die Palästinenser “eingefroren” habe und einer Überprüfung unterziehen werde. Schallenberg bezeichnete es in einem Telefongespräch mit Journalisten als “notwendig” und “legitim”, zu evaluieren, was mit österreichischen Steuergeldern geschehe. Diese dürften keine Strukturen unterstützen, die die Hamas förderten. Humanitäre Hilfsgelder seien derzeit nicht in der Pipeline. Österreich wolle nicht “sinnvolle Projekte” einstellen, was zu einer weiteren Radikalisierung führen könnte.

Der EU-Chefdiplomat Borrell geht dann wiederum nicht davon aus, dass die Prüfung ergeben werde, dass EU-Gelder in der Vergangenheit direkt oder indirekt bei der radikal-islamistischen Hamas gelandet sind. Sollte aber genau dies bei der Prüfung zum Vorschein kommen, müsse jemand die politische Verantwortung dafür tragen, so Borrell, der aber auch hier wage blieb, wen er damit meint.

Man verurteile die terroristische Attacke der Hamas und jegliche Angriffe auf Zivilisten, so Borrell. Man müsse aber zwischen der Hamas, den Palästinensern und den Palästinensischen Behörden (im Westjordanland) unterscheiden. “Jetzt die Hilfe für die Palästinensischen Behörden zu kappen, wäre ein großer Fehler und ein großes Geschenk an die Hamas”, meinte der EU-Chefdiplomat weiter.

Kritik übte Borrell auch an Israel. Das Land habe das Recht sich selbst zu verteidigen, müsse dies aber im Einklang mit dem internationalen Recht tun. Die Blockade der Wasser- und Lebensmittelversorgung im Gaza-Streifen sei aber ein Verstoß gegen internationales Recht.

Einige EU-Staaten wie Frankreich oder Spanien hatten sich irritiert über die Ankündigung der EU-Kommission von Montag gezeigt, “alle Zahlungen” an die Palästinenser einzustellen. Die EU-Kommission hatte am Montagabend noch betont, da “derzeit keine Zahlungen vorgesehen waren, wird es keinen Zahlungsaufschub geben”. Am Dienstag erklärte die EU-Kommission, die humanitäre Hilfe an die palästinensische Bevölkerung nicht aussetzen zu wollen.

Unterdessen schlüsselte eine Sprecherin der EU-Kommission schlüsselte am Dienstagabend die EU-Gelder für Palästina auf: 681 Millionen seien es in den Jahren 2021 bis 2023 bisher gewesen. Der Großteil davon ging an die Palästinenserbehörde, der Rest an das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, UNWRA. Für 2023 sind weitere 10 Mio. für das UNWRA geplant, weitere 168 Mio. dann für die Palästinenserbehörde und “andere Projekte”.

Die EU-Außenminister berieten am Nachmittag in einer Dringlichkeitssitzung über die Lage im Nahen Osten. Das Treffen fand zum Teil als Videokonferenz statt. Mehrere EU-Minister, darunter auch Schallenberg, befanden sich am Dienstag bereits in Maskat, um in Omans Hauptstadt am Ministertreffen der EU mit dem Golfkooperationsrat teilzunehmen. Borrell hatte das Krisentreffen einberufen, um die Situation in Israel und in der Region zu besprechen.

Am Dienstag lud Borrell auch Israels Außenminister Eli Cohen und seinen palästinensischen Amtskollegen Rijad al-Maliki ein. Beide nahmen schlussendlich aber nicht am Treffen teil, wie ein Teilnehmer an den Gesprächen gegenüber der APA erklärte.

Schallenberg betonte im Vorfeld, dass die Teilnehmer am EU-Golfkooperationsrat einen “massiven Flächenbrand” fürchteten. Viele würden den Angriff “nicht als Zufall” sehen: “Wir hatten gerade viele positive Entwicklungen in der Region”, betonte Schallenberg. Die Hamas wolle keine Normalisierung. Es bestünde die Besorgnis, dass Länder der Region wie Libyen, Jordanien, Ägypten oder der Irak in den Konflikt hineingezogen werden könnten.