Von: mk
Bozen – Wohnungs- und obdachlose Menschen in Bozen werden immer mehr an den Rand gedrängt, bemängeln die Freiwilligen, die vor einem Jahr das Winterhaus und in den vergangenen Monaten die Tagesstätte für obdachlose Menschen im Bozner Pfarrheim geführt haben. Seit heute früh ist die Ganztages-Einrichtung für obdachlose Menschen in der Bozner Coministraße nur mehr Nachtschlafstätte. Die rund 90 dort untergebrachten Menschen dürfen sich nur mehr von halb neun Uhr abends bis acht Uhr morgens in der Struktur aufhalten, Mittag- und Abendessen wurden gestrichen. Und auch die Messe Bozen schließt Ende April ihre Tore für weitere mehr als 80 obdachlose Menschen. Sie leben seit Jänner 2021 dort. Alternativen gibt es keine. Gemeinde Bozen und Land Südtirol nehmen ihre Verantwortung nicht wahr und machen die Schwächsten in der Gesellschaft wiederholt zum Spielball, betonen Paul Tschigg, Ludwig Thalheimer, Caroline von Hohenbühel, Marion Maier, Rudi Nocker und Maria Lobis.
Im Winter 2019/2020 haben Freiwillige viereinhalb Monate lang die nächtliche Schlafstätte „Winterhaus“ in der Bozner Carduccistraße für 50 obdachlose Menschen in Bozen geführt, von Jänner bis März 2021 eine Temporäre Tagesstätte im Pfarrheim Bozen für 180 obdachlose Menschen: Wo Politik und Verwaltung versagen, übernimmt die Zivilgesellschaft in der Landeshauptstadt wiederholt Verantwortung. Jetzt prangern die Freiwilligen erneut den willkürlichen Umgang mit den obdachlosen Menschen an. Ohne Alternativen anzubieten, hat die Gemeinde Bozen entschieden, die Ganztagesunterkunft für rund 90 Menschen in der Coministraße in Bozen Süd ab heute nur mehr zu einer Nachtschlafstätte umzufunktionieren.
Die Menschen, die dort bisher auch den Tag verbringen durften, müssen jetzt morgens auf die Straße und dürfen erst am Abend wieder zurückkommen. Sie dürfen kein persönliches Gepäck hinterlegen und müssen sich selbst versorgen, obwohl es keine Tagesstätte für sie gibt. Gar einige von ihnen besuchen online Sprachkurse und berufsausbildende Seminare. Sie brauchen Zugang zu Strom und WLAN, um weiterhin an ihren Sprachkenntnissen zu feilen und an ihrer beruflichen Zukunft zu arbeiten, betonen die sechs Freiwilligen Paul Tschigg, Caroline von Hohenbühel, Ludwig Thalheimer, Marion Maier, Rudi Nocker und Maria Lobis. Es dürfe nicht sein, dass eine Stadt wie Bozen so viele Menschen einfach auf die Straße stelle, ohne ihnen eine alternative Einrichtung zu bieten, in der sie eine Toilette benutzen, etwas essen und sich aufhalten können, ohne verschickt zu werden. Auch das ursprünglich als Tagesstätte für obdachlose Menschen geplante Ex-Alimarket-Gebäude in Bozen Süd ist geschlossen.
Die Freiwilligen weisen außerdem darauf hin, dass mehr als 80 Menschen, die seit Jänner 2021 in der Messe Bozen untergebracht sind, in drei Wochen wieder auf die Straße zurückkehren müssen. Sie werden ab 1. Mai keine Unterkunft und keine Möglichkeit mehr zum Schlafen haben. Sie werden sich nur mehr einmal wöchentlich in einer Einrichtung in der Bozner Romstraße duschen und dabei ihre Kleider nicht waschen können. Sie haben keine Möglichkeit mehr, ihre Smartphones aufzuladen, sich vor Regen und Kälte zu schützen und wieder ganz auf sich alleine gestellt sein, betonen die Freiwilligen von Winterhaus und Temporärer Tagesstätte.
Die Vertreter der Zivilgesellschaft kritisieren den Umgang von Politik und Verwaltung mit obdachlosen Menschen heftig: „Die Verantwortungsträger von Gemeinde Bozen und Land Südtirol dürfen wohnungs- und obdachlose Menschen nicht noch weiter an den gesellschaftlichen Rand drängen und sie weiter zum politischen Spielball machen.“ Dass Gemeinde und Land sich gegenseitig die Schuld zuschieben und ihre Verantwortung nicht übernehmen, habe letztendlich auch Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft: „Wenn so viele Menschen ohne eine Alternative auf die Straße und in den öffentlichen Raum gedrängt werden, wird es unweigerlich zu Problemen kommen“, sind sie überzeugt. Es brauche endlich das längst angekündigte Gesamtkonzept, das menschenwürdige und nachhaltige Antworten und Angebote für obdachlose Menschen in der Landeshauptstadt und darüber hinaus enthält. Ein „Weiter wie bisher“ dürfe es nicht mehr geben, sagen die Freiwilligen: Es könne nicht sein, dass man im Winter auf den Frühling und auf wärmere Temperaturen hoffe und sich im Dezember dann wieder überrascht zeige, dass die Temperaturen unter Null gehen und es für obdachlose Menschen erneut keine Unterbringungs- und Aufenthaltsorte gibt.