Von: luk
Bozen – Im Landtag wurden heute Anträge der Süd-Tiroler Freiheit, Freiheitlichen und Alto Adige nel cuore verabschiedet.
Beschlussantrag Nr. 772/17: Staufreie Brennerautobahn (eingebracht von den Abg. Knoll, Atz Tammerle und Zimmerhofer am 22.5.2017). Der Landtag wolle beschließen: Die Süd-Tiroler Landesregierung wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Bundesland Tirol, der ASFINAG und der Brennerautobahngesellschaft (A22) ein verkehrstechnisches Gesamtkonzept für eine staufreie Brennerautobahn auszuarbeiten, welches zuvörderst folgende Punkte beinhaltet: 1. Einführung eines einheitlichen Mautsystems für die gesamte Brennerautobahn. 2. Koordinierung und gemeinsame verkehrstechnische Bewertung aller Baustellen auf und entlang der Brennerautobahn. 3. Einrichtung von Nachtbaustellen. 4. Koordinierte Verkehrsbeeinflussungsanlage für die gesamte Brennerautobahn. 5. Einheitliche Verkehrsregeln. 6. Tourismusgesteuerte Verteilung der Stoßzeiten.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) zählte die verschiedenen Faktoren auf, die auf der Brennerautobahn zu Staus führten. Dazu gehörten das veraltete Mautsystem, das für Touristen umständlich sei, die Baustellen, die auch an starken Reisetagen aufrecht blieben, unterschiedliche Verkehrsregeln (etwa die Rettungstrasse), fehlende Koordinierung zwischen A22 und A13 und die Fahrtzeitenplanung.
Eine staufreie Brennerautobahn wäre ein hehres Ziel, meinte Dieter Steger (SVP), aber man müsse auch die Beschaffenheit der Strecke berücksichtigen, zu der es wenige Alternativen gebe. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation habe auch zu mehr Verkehr geführt. Seine Fraktion werde einem einheitlichen Mautsystem zustimmen, aber derzeit gebe es Widerstände in Deutschland und Österreich. Wegen der Baustellen sei LR Mussner ständig in Verbindung mit A22 und A13, die Arbeiten würden koordiniert. Die Nachtbaustellen seien auch eine Frage der Sicherheit, wo sie möglich seien, würden sie auch eingerichtet. Sinnvoll wäre auch, wenn sich die Nordtiroler in die Verkehrsbeeinflussungsanlage diesseits des Brenners einklinken könnte. Einheitliche Verkehrsregeln wären erst noch genauer zu studieren.
Hans Heiss (Grüne) sah im Antrag praktikable Lösungsvorschläge. Diese seien aber systemimmanent gedacht, man nehme mehr Verkehr einfach in Kauf. Das Stauproblem sei auch Ausdruck von viel zu viel Individual- und LKW-Verkehr. Eine grundlegendere Lösung würde auf die Verminderung des Verkehrs abzielen, etwa durch Nachtfahrverbote, Tempo 100 u.a.
Es gebe auf der A22 eigentlich keine Zeiten mehr mit wenig Verkehr, erklärte Maria Hochgruber Kuenzer (SVP), die Welt habe sich geändert, die Brennerautobahn nicht. Der Online-Einkauf funktioniere nur, wenn dauernd gefahren werde. Bei Verbesserungsmaßnahmen sei noch Luft nach oben, aber man müsse sich grundsätzlich Gedanken machen über die Zukunft der Brennerautobahn.
Der Trend gehe in Richtung Elektroauto, meinte Sigmar Stocker (Freiheitliche), damit könne die Autobahn auch grüner werden. Er sehe in dem Antrag viele gute Ansätze, Tempo 100 lehne er ab.
Myriam Atz Tammerle (STF) bemängelte die Informationen zu den Staus in Sterzing. Kurzurlaube würden zunehmen und damit auch der Verkehr, zudem würden die Baustellen zu wenig koordiniert. Diese Staus seien schädlich für Wirtschaft und Tourismus, aber auch für Umwelt und Lebensqualität. Umso wichtiger seien die vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen.
Dass es auf der Autobahn kritische Stellen und Zeiten gebe, sei nicht zu leugnen, meinte Oswald Schiefer (SVP). Man sollte vor allem an den kritischen Stellen den Verkehr besser zu regeln. Ebenso sollte man auf eine Verringerung des Individualverkehrs setzen, was aber schwierig sei. Wer den Stau vermeiden wolle, müsse daheim bleiben.
Walter Blaas (F) sah den Antrag als frommen Wunsch. An der A22 seien mehrere Körperschaften beteiligt, Südtirol könne nicht allein mit Nordtirol verhandeln. Nachtbaustellen wären für die Anrainer eine große Belastung. Auch eine Vereinheitlichung der Verkehrsordnung sei schwierig. Waren würden immer transportiert, egal ob im Laden oder online bestellt wurde. A22 und A13 seien Goldmühlen für ihre Besitzer, die sicher nicht auf eine Verkehrsreduzierung setzen würden.
Auch die Südtiroler würden die A22 befahren und stünden selbst im Stau, meinte LH Arno Kompatscher. Das Verkehrsaufkommen sei ein Vielfaches von dem was früher unterwegs war. Bis vor zehn Jahren seien 60 Tage im Kalender für Bauarbeiten rot eingezeichnet gewesen, heute gebe es nur mehr 30 grün markierte Tage. Es gebe zu viel Güter- und Individualverkehr auf allen Straßen, die Baumöglichkeiten seien nicht unbegrenzt. Mit Baustellen müsse man daher immer rechnen. Es gebe zu wenig Koordinierung zwischen Nord und Süd, nun solle der runde Tisch wieder eingerichtet werden. Nachtbaustellen seien nicht immer möglich, sie seien mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden. Die geringere Verkehrsbelastung sei heute ein Kriterium für den Zuschlag der Bauarbeiten. Man dürfe aber nicht die Botschaft vermitteln, dass die Staus nur die Schuld der öffentlichen Verwaltung seien. Es passiere auch regelmäßig, dass eine Mure alle Koordinierungen und Planungen zunichte mache. Er habe beim HGV die Samstagbuchung eingefordert, dieser habe den Ball aufgenommen, man helfe den Gästen bei der intelligenten Anreise.
Die Autobahn sei über 40 Jahre alt, erklärte LR Florian Mussner, je älter sie werde, desto mehr Arbeiten seien nötig, besonders zwischen Bozen und Brixen. Gleichzeitig gebe es immer weniger Tage mit wenig Verkehr. Auf der A22 könnten nur 3.300 Autos pro Stunde verkehren, sonst würden sich sofort Staus bilden. Die Mautstellen Schönberg und Sterzing seien wegen der unterschiedlichen Mautsysteme schwer zu vergleichen. Deutschland stelle sich derzeit gegen ein einheitliches europäisches Mautsystem, aber er sei zuversichtlich, dass sich das lösen lasse. Die Rettungstrasse sei in Italien nicht möglich. Mussner erinnerte an den Widerstand gegen MEBO, Pustertaler Straße, BBT, Flughafen usw. Damit ließen sich die Probleme nicht lösen. Der BBT hingegen werde viel Verkehr auf die Schiene bringen, er sei die einzige Alternative zu Infrastrukturen, die das heutige Aufkommen nicht mehr verkraften würden.
Sven Knoll betonte, dass die Lösungsvorschläge auf Daten beruhten, die man von der Landesregierung eingeholt habe. Sie seien zusammen mit Fachleuten erstellt worden. Eine Koordinierung der Baustellen finde derzeit nicht statt. Den Anrainern seien Nachtbaustellen sicher lieber als wochenlange Staus. Es sollte auch möglich sein, in Bozen anzuzeigen, wenn es in Matrei einen Stau gebe. Im Südtiroler Radio höre man auch nichts über Geisterfahrer jenseits des Brenners. Für die Rettungstrasse sollte man bei der italienischen Regierung intervenieren.
Punkt 1 des Antrags wurde mit 20 Ja, 2 Nein und 7 Enthaltungen, Punkt 2 mit 29 Ja, 1 Nein und 1 Enthaltung angenommen, die anderen Punkte wurden abgelehnt.
Begehrensantrag Nr. 84/17: Steigende Kriminalität (eingebracht von den Abg. Zingerle, Blaas, Mair, Tinkhauser, Oberhofer und Stocker S. am 22.5.2017). Der Landtag fordert das italienische Parlament und die italienische Regierung auf, — die sofortige Ausweisung samt Aufenthaltsverbot für ausländische Straftäter gesetzlich zu verankern; — verstärkte Kontrollen bei Asyl- und Flüchtlingsunterkünften durchzuführen.
Die Fälle von Kriminalität hätten in jüngster Zeit dramatisch zugenommen, bemerkte Hannes Zingerle (Freiheitliche). “Einbrüche, Diebstähle, Schlägereien und Vandalenakte stehen nahezu an der Tagesordnung. Die Bevölkerung Südtirols hat sich mit einem immer stärker werdenden Sicherheitsproblem auseinanderzusetzen. Großteils sind die Verbrecher und Täter ausländischer Herkunft und führen oft auf Einwanderergruppen und Illegale zurück. Laut der Staatspolizei von Bozen wurden zwischen März 2016 und März 2017 4.713 Straftaten gemeldet. 2.738 Anzeigen wegen Diebstahls wurden getätigt, während 228 Körperverletzungen und 161 Bedrohungen registriert wurden.” Verhaftete Täter würden schnell wieder auf freien Fuß gesetzt.
Sigmar Stocker (F) verwies auf die Prämissen des Antrags, der zahlreiche Delikte der jüngeren Zeit einzeln aufzähle (siehe Link). Das sei kein Populismus, das seien Fakten.
Tatbestände und öffentliche Wahrnehmung seien nicht immer dasselbe, meinte LR Martha Stocker. So sei in jüngster Zeit ein Vorfall dreimal zum Thema gemacht worden, als ob es um drei verschiedene Vorfälle ginge. Laut Daten der Sicherheitskräfte sei die Zahl der Straftaten konstant bis rückläufig. Es mangle auch nicht an den gesetzlichen Grundlagen, sondern an deren Umsetzung. Zu berücksichtigen seien auch die verschiedenen Einspruchsmöglichkeiten gegen eine Ausweisung. Vorfälle wie im Ex-Alimarket seien aufgebauscht worden; es würden Kontrollen durchgeführt, noch mehr seien nicht nötig.
Der Antrag wurde mit 9 Ja und 16 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 264/14: Das Tolomei-Archiv (eingebracht vom Abg. Urzì am 10.12.2014). Die Landesregierung möge verpflichtet werden, bei den Tiroler und den österreichischen Behörden Informationen zum derzeitigen Verbleib des so genannten Tolomei-Archivs einzuholen und seine Rückgabe an die wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen Südtirols zu fordern.
“Während der Besetzung Südtirols durch die Nationalsozialisten und nach der Deportation des Senators Ettore Tolomei von seinem Wohnort Glen ins Konzentrationslager Dachau (das er zum Glück überlebte) wurden die zahlreichen Archivunterlagen entwendet, auf denen die sprachwissenschaftlichen Studien Tolomeis basierten, die er ab 1916 für die Erstellung der berüchtigten Verzeichnisse der Südtiroler Ortsnamen in italienischen Fassung verwendete”, bemerkte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). “Das so genannte Tolomei-Archiv wurde weder Tolomei selbst, als er noch am Leben war, noch seinen Nachkommen, noch den italienischen Behörden zurückgegeben, die sich zu diesem Zweck mehrmals in offizieller Form an die österreichischen Behörden gewandt hatten. Die Spuren des Archivs konnten bis über den Brenner hinaus nachverfolgt werden, enden aber im Innsbrucker Archiv. Zum genauen Standort hüllen sich sowohl die wissenschaftlichen Einrichtungen als auch die Behördenvertreter Tirols und Österreichs seit Jahrzehnten in peinliches Schweigen.” Der Antrag habe rein wissenschaftlich-historischen Hintergrund, keinen politischen, betonte Urzì. Es seien Dokumente der Zeitgeschichte, die für die wissenschaftliche Forschung interessant seien.
In der Euregio gebe es fünf Staats- und Landesarchive, erklärte Hans Heiss (Grüne), und das mache eine Übersicht schwierig. Es sei bedauerlich, dass ein Großteil des Tolomei-Archivs der Forschung entzogen sei, das behindere eine klarere Bewertung. Für eine Zusammenführung würde es aber mit dem Bundesland Tirol einen politischen Konsens brauchen. Die Landesregierung sollte dies einmal informell sondieren.
Sven Knoll (STF) sprach sich generell gegen eine “Zurückholung” von Archiven aus. Es sei nicht so, dass in Nordtirol keine Dokumente über Südtirol gelagert sein dürften. Ein Zugang zum Tolomei-Archiv wäre insofern interessant, weil sein Nationalismus dann klarer zutage treten würde. Von einer wissenschaftlichen Arbeit könne man bei ihm nicht sprechen. Aus bekannten politischen Gründen wäre es besser, wenn das Archiv in Nordtirol erforscht würde, in Südtirol könnte es politisch missbraucht werden.
Es gebe einen Konsens, dass diese Dokumente wissenschaftlich untersucht werden sollten, meinte LH Arno Kompatscher, das müsse aber keine Verlegung bedeuten. Er werde mit LH Platter reden, ob man das Archiv der wissenschaftlichen Forschung zugänglich machen könnte.
Alessandro Urzì kündigte eine Änderung des Antrags in diesem Sinne an und bat um Vertagung auf morgen. Wichtig sei, dass die Forschung Zugang bekomme.
Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.