Von: apa
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei einem Abschiedsbesuch der scheidenden, slowakischen Präsidentin, Zuzana Čaputová, angesichts des Attentats auf Premier Robert Fico vor Polarisierung gewarnt. Das Attentat “hat uns alle geschockt”, sagte Van der Bellen am Mittwoch in einer Pressekonferenz mit Čaputová auf Schloss Hof. Solche Angriffe hätten aber immer eine Vorgeschichte. “Wir müssen alles tun, dass die tödliche Spirale erst gar nicht beginnt.”
“Am Anfang steht das verletzende Wort, darauf folgt die verhetzende Rede, dazu gesellt sich das Schweigen, das Wegschauen”, erklärte Van der Bellen. Liberale Demokratien ermöglichten das friedliche Austragen von Gegensätzen.
Čaputová sprach die Polarisierung und Fragmentierung der slowakischen Gesellschaft an. Auch sie selbst sei Drohungen ausgesetzt gewesen, bestätigte die scheidende Präsidentin. Sicherheitsrisiken seien ein Grund für ihre Entscheidung gewesen, nicht mehr zu kandidieren – wenn auch nicht der dominierende. Čaputovás Amtszeit endet Mitte Juni. “Ich fühle mich in meinem Land sicher”, betonte die Präsidentin ihr Vertrauen in die slowakischen Sicherheitskräfte.
Der linkspopulistische slowakische Regierungschef Fico war vor zwei Wochen bei einem Zusammentreffen mit Bürgern von mehreren Kugeln getroffen und lebensgefährlich verletzt worden. Sein Zustand verbessere sich langsam, teilte die Regierung am Dienstag mit. Der mutmaßliche Attentäter, ein 71-jähriger Pensionist, wurde gleich nach dem Anschlag festgenommen. Er sei mit der Politik der Regierung nicht einverstanden, begründete er seine Tat.
Angesprochen darauf, ob Österreich vor einer Polarisierung der Gesellschaft wie in der Slowakei gefeit sei oder es schon ähnliche Tendenzen gebe, antwortete Van der Bellen: “Österreich ist grundsätzlich ein friedliches Land.” Aber: “Ausschließen kann man nie etwas.” Zu Wortmeldungen im EU-Wahlkampf, wonach Van der Bellen ein “Sugardaddy” der grünen EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling sei, sagte er, dass es mehr brauche, um ihn zu beleidigen. Ziel sei aber gewesen, Schilling zu kränken. “Sie ist eine starke Persönlichkeit.”
Čaputová ruft seit dem Attentat auf Fico ihr polarisiertes Land immer wieder zu Ruhe und Zurückhaltung auf. Ein von ihr angeregtes parteiübergreifendes Versöhnungstreffen kam wegen Widerstands von Politikern nicht zustande. Sie hoffe sehr, sagte sie am Mittwoch vor Journalisten, dass ihr Nachfolger Peter Pellegrini das Treffen ausrichten werde können. Van der Bellen zeigte sich indes zuversichtlich, dass sein Verhältnis zu Pellegrini ähnlich gut sein werde wie das zur grün-liberal gesinnten Präsidentin. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien “zu eng”, dass sie gefährdet werden könnten.
Van der Bellen zeichnete Čaputová mit dem “Großstern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich” aus. Er sprach davon, dass sich die beiden Präsidentin “so gut vertragen” hätten, “dass es mich ein wenig wehmütig stimmt”. Beide Staatsoberhäupter nannten die gemeinsamen Anliegen für Umweltschutz, Demokratie und ein starkes Europa sowie den Kampf gegen die Klimakrise. Beide riefen zudem zur Teilnahme an der EU-Wahl auf. Sie planten nach dem Treffen auf Schloss Hof einen gemeinsamen Besuch der Donau-Auen.
Čaputová habe in ihrer Amtszeit “so viel Hass erlebt, dass es lange dauern wird, bis wieder eine Frau den Mut für diesen Posten aufbringt”, erklärte der slowakische Soziologe Michal Vašečka im Gespräch mit der APA. Premier Fico bezeichnete die 50-Jährige mehrmals als “amerikanische Agentin”. Čaputová sei nicht nur verbalen Angriffen von Politikern, sondern auch “auf schockierendem Niveau” von nationalistischen Influencern und der “Desinformationsszene” ausgesetzt gewesen. Mehrmals musste Čaputová und ihre Familie mitten in der Nacht evakuiert werden – wegen Bombendrohungen oder vor ihrem Haus grölenden Demonstranten.