Von: mk
Peking/Moskau – Nach außen hin inszenieren sich Kreml-Despot Wladimir Putin und Chinas Parteichef Xi Jinping oft als Partner, die gemeinsam dem westlichen Einfluss trotzen wollen, um eine neue Weltordnung zu errichten. Doch die „Freundschaft“ weist zunehmend Risse auf.
Jüngstes Anzeichen ist die Genehmigung eines Eisenbahnprojektes, das Kashgar in China mit Andijan im äußersten Osten Usbekistans verbindet. Von Andijan aus sollen die Züge über bestehende Strecken durch Turkmenistan und den Iran die Türkei und schließlich Europa erreichen.
Etwa die Hälfte der 523 Kilometer langen Strecke führt durch Kirgisistan. Wie aus einer Analyse der Denkfabrik GFSIS aus dem Jahr 2022 hervorgeht, handelt es sich bei der neuen Strecke um „den kürzesten Weg“ zwischen Asien und Europa. Die Güterbeförderung würde nur 15 Tage dauern. Pikant dabei ist: Russisches Staatsgebiet wird nicht durchquert. Russland wird damit beim Warentransport von China nach Europa umgangen
Die Diskussionen um das Projekt gab es bereits seit 25 Jahren. Nun haben die Präsidenten von China, Usbekistan und Kirgisistan grünes Licht für den Bau gegeben, wie Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag berichtete. Der Ukraine-Krieg scheint das Eisenbahnprojekt beschleunigt zu haben, obwohl sich Putin jahrelang dagegen gewehrt hat.
Xi sprach von einem „wegweisenden Projekt“ und betonte laut Xinhua, dass aus einer „Vision“ nun „Realität“ werde. Das Vorhaben verdeutliche „der internationalen Gemeinschaft die feste Entschlossenheit der drei Länder, gemeinsam die Zusammenarbeit zu fördern und eine gemeinsame Entwicklung anzustreben“. Der kirgisische Präsident Sadyr Japarov erwartet, „dass die Bahn bald fertiggestellt und in Betrieb genommen wird“. Laut Angaben der South China Morning Post werden die Kosten für den Bau auf acht Milliarden US-Dollar geschätzt.
Die GFSIS-Analyse kommt zum Schluss, dass das Potenzial der neuen Route durch Kirgisistan und Usbekistan angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und einer Vielzahl harter Sanktionen vom Westen gegen den Kreml „erheblich zugenommen“ hat. Der nördliche Korridor über Russland werde zwangsläufig an Bedeutung verlieren.
Viele Analysten sehen Putin in Bezug auf China nur noch als „Juniorpartner“, der gezwungen ist, nach der Pfeife der Chinesen zu tanzen. Peking lässt Russland derzeit anscheinend auch bei einem geplanten Pipeline-Projekt zappeln, womit russisches Erdgas nach China transportiert werden soll.
Rätsel über Chinas Position
Als Hinweis, dass Peking den russischen Überfall auf die Ukraine kritisch sieht, könnte die Analyse des chinesischen Politologen Feng Yujun gewertet werden, der öffentlich einen Sieg der Ukraine prognostizierte. Im Westen wird vermutet, dass das Statement vom chinesischen Regime gebilligt, wenn nicht sogar abgesegnet worden war.
Gleichzeitig ist es dem Westen und der Ukraine bislang nicht gelungen, China auf die eigene Seite zu ziehen. Während der chinesische Präsident Xi Jinping immer wieder offiziell betont, sich für den Frieden einsetzen zu wollen, wirft der Westen China vor, Russland mit Gütern zu versorgen, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können und so die russische Kriegswirtschaft unterstützen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte China bei seinem Aufenthalt in Singapur während der Sicherheitskonferenz “Shangri-La-Dialog” Anfang des Monats, andere Länder an der Teilnahme am Friedens-Gipfel in der Schweiz im Juni zu hindern.
Haltung des Westens in Asien kritisch beäugt
Militärexperten zufolge wird die westliche Haltung im asiatischen Raum insagesamt durchaus kritisch beäugt. Als befremdlich wird etwa in muslimisch geprägten Ländern wie Indonesien der bedingungslose Rückhalt Israels trotz der hohen Opferzahlen im Gaza-Streifen empfunden. Dies untergäbt in Indonesien die Glaubwürdigkeit des Westens auch in Sachen Ukraine.
In Taiwan herrscht wiederum Verwunderung über die zaghafte Unterstützung der Ukraine vonseiten des Westens, die sich gegen den russischen Überfall seit mehr als zwei Jahren wehrt. Zusagen und effektive Hilfe stimmen nicht immer überein. Waffen und Munition trafen in der Vergangenheit zuletzt vor allem aufgrund der Blockade im US-Parlament mit Verspätung ein. Auf der Insel fragen sich deshalb viele, inwiefern der Westen ein verlässlicher Partner ist, falls China Taiwan einmal tatsächlich angreifen sollte.