Ein Kommentar

Darum liegt Papst Franziskus falsch

Dienstag, 12. März 2024 | 01:10 Uhr

Von: mk

Bozen – Nach heftiger Kritik an einem Appell von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg bemüht sich der Vatikan weiter um Schadensbegrenzung. Warum der Papst mit seinem Aufruf falsch liegt, dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

Russland hat seinen Angriffskrieg unter anderem mit dem Argument gerechtfertigt, der Westen wolle sein Einflussgebiet ausdehnen. Doch noch bevor irgendwelche Entscheidungen gefallen sind, ließ der Kreml die Waffen sprechen. Gleichzeitig hat die Ukraine ein Recht auf Eigenstaatlichkeit und auch darauf, sich die eigenen Bündnispartner auszusuchen. Niemand kann dem Land verwehren, die Aufnahme in die EU und in die NATO anzustreben und dafür die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.

Zweitens herrscht in der Ukraine trotz einiger politischer Differenzen auch im dritten Kriegsjahr ein gesellschaftlicher Konsens, was die russische Invasion anbelangt: Ein Großteil der Bevölkerung will nicht unter russischen Besatzung leben, weil dadurch ein großes Maß an Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlichem Wohlstand verloren gehen würde. Befürchtet werden stattdessen Folter, sexuelle Gewalt, zwangsweises Verschwinden, Ablehnung der eigenen Identität, Zwangsadoption der eigenen Kinder, Filtrationslager und Massengräber.

Drittens sind zwar Politiker nicht immer bibelfest, Vertreter der katholischen Kirche sollten es allerdings sein: Furchtlosigkeit bedeutet auch, nicht ständig vor Drohungen einer atomaren Eskalation, wie sie von Kreml-Despot Wladimir Putin und seinen Lakaien immer wieder ausgesprochen werden, einzuknicken.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat klar gemacht: Man kann mit niemanden verhandeln, der dich vernichten will. Doch Putin will sich nicht nur die Ukraine einverleiben. Er will der Welt seine eigene Ordnung aufzwingen, um sich auf Kosten anderer zu bereichern und an der Macht zu bleiben. Dass sein imperialistischer Appetit auf die Ukraine beschränkt bleibt, wird von westlichen Militärexperten stark bezweifelt. Auch deshalb darf die Ukraine nicht verlieren und muss die verlorenen Gebiete wieder zurückerlangen.

“Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln”, sagte der Papst. Das klingt so, als ob die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könnte. Doch stimmt das? Die Gegenoffensive der Ukraine mag im vergangenen Frühjahr zwar gescheitert sein. Doch das Land hat sich bislang gegen die Invasion tapfer verteidigt. Russland besetzt nach über zwei Jahren nur ein Fünftel der Ukraine. Zwar herrschen momentan Engpässe bei der Munition, doch der Westen hat seine Produktion bereits hochgefahren. Bleiben die westlichen Verbündeten standhaft, stehen die Chancen gut, dass die Ukrainer nicht nur moralisch, sondern auch militärisch als Sieger aus dem Konflikt hervorgehen.

Bezirk: Bozen