Von: mk
Bozen – Hat die SAD damit gerechnet, nach der Elektrifizierung der Vinschger Bahn Ende 2019 mit dem Zugverkehr den großen Reibach zu machen, wird sie nun enttäuscht: Laut einem internen Papier des Landes, das dem Tagblatt Dolomiten vorliegt, wird die Landesregierung am morgigen Dienstag den millionenschweren Kuchen Zugverkehr nahezu brüderlich zwischen SAD und Trenitalia aufteilen.
Im Juli 2017 verfällt im Bahnverkehr der Dienstvertrag des Landes mit der SAD, und im Gegensatz zu den Bus-Diensten können Zugdienste laut EU direkt vergeben werden. Am Dienstag wird sich die Landesregierung mit dem Thema befassen. Landeshauptmann Arno Kompatscher verrät momentan nur so viel: „Stimmt. Wir werden diesen Punkt behandeln und aufgrund objektiver Kriterien entscheiden.“ Bei diesen „objektive Kriterien“ handle es sich laut Kompatscher um den größtmögliche Kundennutzen und die geringsten Kosten für das Land. „Denn unser Kunde ist der Steuerzahler“, betont der Landeshauptmann gegenüber den „Dolomiten“.
Im vierseitigen vertraulichen Papier wird das Angebot der SAD zergliedert. Zunächst wird vorausgeschickt, dass 53 Prozent der Zugpassagiere aus Meran und 45 Prozent der Bahnfahrenden aus dem Eisacktal nicht in Bozen aussteigen, sondern ihre Fahrt fortsetzen. Bei den Entwertungen des Südtirol-Passes und anderer Wertkarten fällt die Quote der Bahnnutzer, für die Bozen nicht Endstation ist, noch deutlicher aus: Mehr als 75 Prozent setzen ihre Reise über Bozen hinaus fort.
Mit der Elektrifizierung der Vinschger Bahn sollen Direktfahrten von Mals nach Bozen geschaffen werden, wobei ein Halbstundentakt geplant ist. Damit gehen 170.000 Bahnkilometer mehr pro Jahr einher, ebenso wie eine Verdoppelung der Kapazitäten dank der Elektrozüge mit sechs statt wie bisher mit zwei bis vier Waggons.
Die SAD hat dem Land angeboten, den gesamten Bahndienst zwischen Mals und Bozen zu übernehmen. Derzeit wickelt die SAD den Zugdienst nur zwischen Meran und Mals ab und ist nur für 30 Prozent des Zugdienstes zwischen Bozen und Meran zuständig. Zudem würde die SAD die Fahrten nach Innsbruck weiterführen, während die Fahrten ins Pustertal gedrosselt würden. Unterm Strich rechnete die SAD für sich ein Kilometer-Plus von 270.000 pro Jahr aus, während die Trenitalia-Kilometer um fast 100.000 pro Jahr geschrumpft wären.
Doch das Land wird dieses SAD-Angebot laut „Dolomiten“ nicht schlucken. Erstens: Das Angebot sei mit dem Vertrag des Landes mit Trenitalia nicht kompatibel, wodurch das Land vertragsbrüchig würde. Zweitens würden mit dem Zuschlag aller Vinschger Linien an die SAD sieben Züge der Trenitalia, die das Land zu 75 Prozent mitfinanziert hat, überflüssig. Und drittens: Die kostengünstigste Variante sei immer noch jene, bei der beide Player im Vinschgau und im Pustertal fahren. Dafür brauche es die wenigsten Drehstrom-Züge und das Land könne 2,4 Millionen Euro sparen. Ein weiteres Argument ist eine gesunde Konkurrenz auf dem Bahnmarkt wie in den vergangenen acht Jahren, mit der das Land gut gefahren sei.
Handelt es sich dabei um eine Retourkutsche fürs forsche Auftreten von SAD-Mehrheitseigner Ingemar Gatterer bei den Verhandlungen zur EU-weiten Ausschreibung des öffentlichen Busnahverkehrs? „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Der Kundennutzen steht im Vordergrund, nicht irgendwelche Überlegungen auf privater Ebene“, erklärt Kompatscher gegenüber den „Dolomiten“.
SAD-Chef Gatterer wenig erfreut
SAD-Chef Ingemar Gatterer ist über die Pläne der Landesregierung alles andere als erfreut. Über eine exklusive Bedienung der Strecke Mals-Bozen sei die SAD mit der Landesverwaltung nun seit fast einem Jahr in Verhandlung, erklärt Gatterer in einer Aussendung. „Dabei haben wir in dieser Frage weniger das materielle Interesse vertreten, sondern mehr emotional historische. Die SAD habe nämlich seit Inbetriebnahme der neuen Bahn im Vinschgau das Gebiet immer exklusiv bedient. Insofern besteht eine enge Bindung mit dem Territorium, den Fahrgästen und den bisherigen Leistungen, die dort gut erbracht wurden. SAD beschäftigt zudem lokale Mitarbeiter und schafft damit Arbeitsplätze für die Südtiroler Bevölkerung – jeder Leistungszuwachs der SAD bedeutet daher auch einen Zuwachs für die heimische Beschäftigung“, so Gatterer.
Auch habe die SAD in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass es aus ethnisch-politischer Sicht nicht verständlich ist, dass Regierungsvertreter der Südtiroler Volkspartei die Italienischen Staatsbahnen in ein Tiroler Territorium erneut einbinden, wo sie vorher nicht vertreten waren. „Dies vor allem auch deshalb, da die SAD im Eisenbahnbereich neben den Zweisprachigkeitsvorgaben auch freiwillige den ethnischen Proporz berücksichtigt, was Trenitalia nicht macht“, fährt Gatterer fort. Der öffentliche Nahverkehr sei laut Gatterer zudem keine gewöhnliche Dienstleistung, die die Politik einfach zukauft, sondern sie gehöre zur Kernindustrie eines Landes. Nahverkehr sei in allen Tälern und Ortschaften des Landes präsent, werde von zahlreichen Menschen tagtäglich genutzt und stifte somit Identität und Verwurzelung mit dem Territorium. „Eine Politik, wie sie derzeit betrieben wird, wäre unter LH Magnago oder unter LH Durnwalder nie denkbar gewesen und ist in autonomiepolitischer Hinsicht als klarer Rückschritt zu werten“, ist Gatterer überzeugt.
In den gesamten Verhandlungen habe man zudem darauf verwiesen, dass die Gesellschaft SAD ihren Steuersitz in Südtirol hat und Trenitalia eben nicht, erklärt Gatterer. Mit dem Abschluss des Dienstleistungsvertrages mit Trenitalia hätten Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Florian Mussner gemeinsam mit dem Amt für Mobilität „auf etwa 11,5 Millionen Euro Mehrwertsteueranteil zugunsten des Landes Südtirol“ verzichtet. „Wäre der Vertrag mit der SAD abgeschlossen worden, hätte die Verwaltung demnach keinen Euro mehr ausgegeben und ohne jedes weitere Zutun Geldmittel im Rahmen der Mehrwertsteuerrückführung eingenommen, die jetzt verloren sind. Diese Finanzmittel hätten etwa für die Geburtenabteilung in Sterzing verwendet werden können“, wettert Gatterer.
„Auch für mich als SVP-Ortsobmann ist es unverständlich, wenn die SVP-Politik in den verschiedensten Bereichen unseres Landes einerseits gute Projekte mit dem Verweis auf mangelnde Geldmittel abweist und andererseits Fehler dieser Art verübt“, erklärt Gatterer weiter.
Mit der Elektrifizierung der Vinschger Bahn werde der Knoten Meran durchgebunden, was bedeutet, dass die Züge zwischen Mals und Bozen ohne Umstieg in Meran verkehren. Der Vorschlag des Landes sehe nun vor, die Linien zwischen Mals, Meran, Bozen und Innsrbuck durchzubinden. „In betriebswirtschaftlicher Hinsicht ist diese Ausrichtung auch lukrativ, da SAD auf der Brennerachse die Zugkilometer in einer höheren Geschwindigkeit erbringen kann als im Vinschgau oder Pustertal, wodurch die Fixkosten pro Leistungseinheit absinken. Insofern sei diese Planvorlage für die SAD kein materieller Schaden. Eine Gewinnprognose von 22 Millionen Euro für die SAD, über die andere Medien berichtet haben, könne zudem nicht bestätigt werden, so Gatterer.
Vielmehr bekomme die SAD im Rahmen des Dienstleistungsvertrages denselben Preis pro Kilometer zugesprochen bekommt wie Trenitalia. „Wenn das Amt nachweist, dass die SAD den Dienst nun günstiger erbringen könnte, dann hätte die Verwaltung – im Sinne einer maximalen Einsparung von Steuergeldern – den gesamten Zugverkehr im Vorfeld an die SAD übertragen müssen, und nicht etwa einen Teil an Trenitalia“, ist Gatterer überzeugt.
BürgerUnion : „Trenitalia-Mängel dann auch im Vinschgau?“
Auch der Landtagsabgeordnete der BürgerUnion, Andreas Pöder, reagiert mit Verwunderung auf die Absicht der Landesregierung, künftig die Vinschgau-Bahnstrecke nicht mehr an ein Südtiroler Unternehmen, sondern teilweise an die Trenitalia zu übergeben.
„Damit werden die Trenitalia-Mängel künftig dann auch auf der Vinschgaustrecke der Eisenbahn die Pendler und Zugfahrgäste nerven“, befürchtet Pöder. Nach der 50 Millionen Euro teuren Elektrifizierung der Vinschgau-Bahn sei es laut Pöder bedenklich, dass die Investition künftig Trenitalia zugutekomme, während ein Südtiroler Betriebe von der Landesregierung benachteiligt werde.