Von: mk
Bruneck – Vor einem gut gefüllten Saal im Michael Pacher-Haus in Bruneck fand gestern eine öffentliche Diskussion, organisiert von der Bauhütte Südtirol, zu den Problematiken der Mobilität im Pustertal statt. Die Unternehmerin und das Gründungsmitglied der Bauhütte Südtirol, Maria Niederstätter, führte zunächst in das Thema der Veranstaltung ein und begrüßte alle Anwesenden.
Das Pustertal leide zusehends unter mehr Verkehr: Pendler, Transit, An- und Abreisen würden es den Pusterern schwer machen, sich von A nach B zu bewegen. Zudem würde der Verkehr in den nächsten Jahren weiter zunehmen; wer etwas anderes behaupte, mache sich doch nur was vor, so Niederstätter.
Die derzeitige Staatsstraße erweise sich trotz einiger Umfahrungen und Korrekturen als Flickwerk von faulen Kompromissen. Zu Stoßzeiten heiße es immer mehr: bitte warten! Die Eisenbahn würde mit dem einen Gleis und einer nicht immer zeitgemäßen Streckenführung den neuen Anforderungen nicht gerecht. Das Pustertal würde eine Reihe von Maßnahmen benötigen: einen weiteren Ausbau der Straße, ein zweites Bahngleis, Riggertalschleife, Fahrverbote, Mobilitätszentrum u.v.m. „Um die Mobilität im Pustertal zu thematisieren, veranstalten wir als Bauhütte Südtirol diesen Diskussionsabend“, so Maria Niederstätter. Nach der Begrüßung eröffnete Moderator Eberhard Daum die Diskussionsrunde.
Alexander Rieper vom gleichnamigen Unternehmen in Vintl stellte fest, dass sein Unternehmen im Jahr etwa 145.000 Tonnen Rohstoffe verarbeite. Diese Waren müssten hergebracht werden und nach der Verarbeitung auch wieder zum Kunden transportiert werden. Etwa 80 Prozent davon würden in unserer Region verteilt. Im Lebensmittelsektor gäbe es nicht unbedingt aggressives Wachstum, aber die Bedürfnisse nach guten Verkehrslösungen seien trotzdem berechtigt. „Wenn wir im einheimischen Tourismus dem Gast nicht die Möglichkeit geben, zu uns zu kommen, wird er in die Schweiz oder nach Österreich fahren“, so der Unternehmer aus Vintl.
Claudia Plaikner als Obfrau des Heimatpflegeverbandes vertrat die Auffassung, dass nicht die Straßen zu klein oder zu schlecht seien, es gebe zu viel Verkehr im Pustertal. Der motorisierte Verkehr müsse eingeschränkt werden. Es gehe auch nicht darum, zusätzliche Straßen zu bauen, das wäre eine Illusion. Der Tourismus boome, die Erreichbarkeit sei immer noch gegeben, sonst würden nicht jedes Jahr die Nächtigungszahlen steigen. Man müsse den Gästen Entschleunigung anbieten. Derzeit würden nur fünf Prozent der Gäste mit dem Zug ankommen, es sollten dann doch mindestens 20 Prozent werden. Der Gast solle sich die Umgebung anschauen, sehr viel könne man heute mit dem Rad tun.
Anton Tschurtschenthaler vom Südtiroler Bauernbund forderte drei Maßnahmen für eine bessere Mobilität im Pustertal: Verkehrsvermeidung, Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel und eine ausgebaute Straße. Wenn die Politik es nicht schaffe, die Einfahrt in die Autobahn besser zu ermöglichen, „benötigen wir keine MeBo für das Pustertal. Auch das Pustertal hat das Recht auf eine moderne Autobahneinfahrt, und außerdem benötigen wir eine ausgebaute Straße“, so Tschurtschenthaler. Der Transport auf der Straße koste relativ wenig Geld, deshalb würde sehr viel herumgekarrt. „Ob es für das Pustertal eine zweites Bahngleis braucht, das bezweifle ich, da man die Grundbesitzer nicht zu sehr belasten darf“, so der Pusterer Bauernbundobmann.
Der Arbeitnehmervertreter von GKN, Gerhard Elzenbaumer, sprach sich als Mitbegründer des Bürgerforums Bruneck und als ehemaliger Gemeinderat der Bürgerliste Bruneck klar gegen weitere Straßen aus. 2003 hätten sich in einer hausgemachten Umfrage der Plattform Pro Pustertal 80 Prozent der Befragten für einen Ausbau der Schiene ausgesprochen. Der Verkehr müsse flüssig gestaltet werden, so Elzenbaumer. „
Der Bürgermeister von Gais, Christian Gartner, erläuterte, dass bereits Anfang 2000 die Idee entwickelt worden sei, eine zweite Straße zu bauen. Im Nachhinein wäre das wohl die richtige Entscheidung gewesen, das habe sich jetzt wohl erwiesen. Die gesellschaftliche Weiterentwicklung und der Wohlstand würden Mobilität erfordern. Die Realisierung der Riggertalschleife sei ein kleiner Meilenstein, „aber wir benötigen Lösungen an allen Fronten“, so Gartner. „Wir benötigen mindestens 15 Jahre, um Infrastrukturprojekte umzusetzen. Deshalb müssen wir jetzt handeln“, so Gartner entschlossen. Die Warentransporte bei uns kosten nur die Hälfte im Vergleich zu Amerika. Das gehöre geändert, es brauche eine Angleichung der Transportkosten.
Der HGV-Bezirksobmann und Gastwirt Thomas Walch bezeichnete die derzeitige Situation als inakzeptabel. „So geht’s nicht weiter“, so Walch wörtlich. In einem Zeitfenster von zehn Jahren seien die Ankünfte um 36 Prozent gestiegen, die Nächtigungen um 16 Prozent. „Wir können unsere Gäste nicht davon überzeugen, wann sie anreisen sollen. Bemühen wir uns, mit den Flughäfen in unserer Umgebung zusammenzuarbeiten, um dann mit Zubringerdiensten die Reisenden nach Südtirol zu bringen“, so der Hotelier in seiner Stellungnahme. Täglich nähme der Lkw-Verkehr von Toblach nach Cortina zu, überhaupt müsse der Lkw-Verkehr durch verschiedene Maßnahmen eingeschränkt werden, forderte der Hotelier Thomas Walch nachhaltig.
Aus den Diskussionsbeiträgen ging ganz eindeutig hervor, dass das Pustertal unmittelbar neue, ergänzte Verkehrslösungen und Mobilitätsprojekte benötigt, die sich nicht auf eine Maßnahme beschränken lassen, sondern in einem abgestimmten Maßnahmenpaket umgesetzt werden müssen. „Ein Stillstand darf nicht hingenommen werden“, so ein Zuschauer in seiner Wortmeldung.