Von: mk
Bozen – Kein Hochgebirge der Welt ist so stark mit der modernen Zivilisation verwoben wie die Alpen. Sie liegen im Zentrum Europas, umzingelt von Großstädten, und werden in jeder denkbaren Weise intensiv genutzt. Zugleich stehen die Alpen nach wie vor für das Natur-Idyll schlechthin. Ein Widerspruch? Für den AVS in Südtirol und den Alpenvereinen in Österreich und Deutschland gewiss. Wenn es keine Wende in der Alpenpolitik gibt, stehe das ökologische, ökonomische und soziale Gleichgewicht in den Alpen zur Disposition, warnen die Vereine.
Klare Forderungen an die Europapolitik
Die Probleme in den Alpen hätten europäische Dimensionen. Unter dem Dach der Kampagne #UnsereAlpen fordern die Alpenvereine deshalb europäische Lösungen.
Zunächst gelte es, den sanften Tourismus zu fördern. Das Prinzip “lauter-größer-spektakulärer” dürfe nicht der Maßstab für Tourismusentwicklung sein. „Immer mehr Menschen sehnen sich in ihrer Freizeit nach Naturbelassenheit anstatt einer überzeichneten Alpen-Kulisse“, so die Alpenvereine. Sie erwarten daher die Bereitschaft, alternative Konzepte anzudenken, zu entwickeln und zu fördern und wollen selbst aktiv mitarbeiten. Ein Beispiel seien etwa die kleinen Bergsteigerdörfer der Alpenvereine, die auf einem nachhaltigen Tourismuskonzept aufbauen. 2019 gibt es bereits 28 Bergsteigerdörfer in den Alpen, die sich zu diesem Zugang bekennen.
Die Ausbaugrenzen seien festzusetzen. „Die Schlinge um die letzten naturbelassenen Landschaftsräume der Alpen zieht sich langsam enger – zu stark ist der Druck von Skigebieten, Energietechnik, Verkehr und technischen Anlagen, zu wechselhaft das Interesse der Politik am Naturschutz. Die letzten alpinen Freiräume dürfen nicht weiter verbaut werden, es braucht klare Ausbaugrenzen, die verbindlich eingehalten werden“, fordern die Alpenvereine auch gemeinsam mit anderen Naturschutzorganisationen wie dem WWF und den Naturfreunden.
Alpine Gewässer muss man schützen, lautet ein weiterer Punkt. Mehr als 375.000 Stimmen sind 2019 bei der öffentlichen EU-Konsultation über die Beibehaltung der Wasserrahmenrichtlinie zusammengekommen. Dies sei ein großer Erfolg für die Initiative “Rette unser Wasser”, an der auch die Alpenvereine beteiligt sind und die nun die Politik in die Pflicht nimmt. Der umfassende Gewässerschutz sei ein europaweites Anliegen und dürfe nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen abgeschwächt werden!
Außerdem müsse eine Verkehrswende eingeleitet werden. „Die Alpen sind sowohl Tourismushochburg als auch Transitregion. Das Verkehrsaufkommen hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Bei der Verschiebung des Güterverkehrs auf die Schiene und beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum ist die Europapolitik mehr denn je gefordert.“
Warum die Alpen bis Brüssel reichen
Ein großer Teil von Europa profitiere von den Ressourcen, die in den Alpen verfügbar sind – etwa durch den immensen Wasservorrat und die damit verbundenen Nutzungen. „Wie es den Alpen geht, ist für ganz Europa wichtig, schließlich wirkt sich ihr Zustand auf den gesamten Kontinent aus – und umgekehrt“, sagt DAV-Vizepräsident Rudi Erlacher. ÖAV-Vizepräsident Dr. Andreas Ermacora ergänzt: „Die Alpen haben aber nicht nur einen ökologischen und ökonomischen Wert. Sie sind tief in der Kulturgeschichte Europas verwurzelt.“ Und AVS-Präsident Georg Simeoni fasst zusammen: „Wenn es den Alpen gut geht, geht es den Menschen in Europa gut.“ Die Alpenvereine in Südtirol, Österreich und Deutschland vertreten insgesamt rund zwei Millionen Mitglieder, verteilt auf viele europäische Länder. Sie sehen es als ihre gesellschaftliche Verantwortung, sich für die Alpen einzusetzen und die große Bedeutung der Alpen einer breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen. Mit ihrer gemeinsamen Kampagne #UnsereAlpen tun sie genau das. Die Kampagne steht unter dem Motto: „Die Alpen sind schön. Noch. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen.“ www.unsere-alpen.org
Darum sind die Alpen so wichtig: Zahlen und Fakten
· 500 Millionen Übernachtungen jährlich im gesamten Alpenraum, die von 150 Millionen Gästen gebucht werden
· 160 Millionen Skitage in den Alpen jährlich, das sind 43 Prozent der weltweiten Skitage.
· 39 Prozent aller Skilifte weltweit stehen in den Alpen.
· 10,4 Millionen LKW-Fahrten wurden 2016 im alpenquerenden Straßengüterverkehr gezählt. Das ist ein Anstieg um 66 Prozent im Vergleich zu 2007. Damals waren es 6,06 Millionen LKW-Fahrten.
· 1.019 Wasserkraftwerke mit einer Leistung von mehr als fünf Megawatt gibt es in den Alpen. Daraus resultiert ein jährliches Erzeugungsvermögen von 166 Terawattstunden. Die gesamte Stadt München verbraucht etwa 7,5 Terawattstunden pro Jahr. Die Alpen sind die wichtigste Wasserkraftregion in Europa.
· 128 Meter hat das Vilgratenkees in der Venedigergruppe im Sommer 2018 an Länge einbüßt. Es war damit laut dem Gletscherbericht des ÖAV der österreichische Rekordhalter eines ohnehin rekordverdächtigen Jahres, in dem die alpinen Eismassen durchschnittlich 17,2 Meter an Länge verloren.
· 2 Grad Celsius ist es heute in den Alpen im Jahresmittel ungefähr wärmer als Ende des 19. Jahrhunderts. Damit stiegen die Temperaturen im Alpenraum in diesem Zeitraum ungefähr doppelt so stark an wie im Vergleich zum globalen Mittel.
· 13.000 Pflanzenarten kommen in den Alpen vor, neben 30.000 Tierarten. Laut WWF machen die in den Alpen beheimateten Gefäßpflanzenarten 39 Prozent der europäischen Flora aus. Selbst in den unwirtlich wirkenden hochalpinen Graslandschaften wachsen auf 100 Quadratmetern bis zu 80 Arten.
· Acht europäische Staaten haben einen Anteil an den Alpen. Eine gemeinsame Strategie ist in der Alpenkonvention formuliert. Dieses Übereinkommen haben alle Alpenstaaten und die EU “zum umfassenden Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Alpen” unterzeichnet.