Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute ein Antrag von Team Autonomie und ein parteiübergreifender Antrag der Oppositionsfraktionen zum Wahlgesetz debattiert.
Beschlussantrag Nr. 278/14: Überlassung von Liegenschaften an arbeitsplatzschaffende Gewerbebetriebe (eingebracht von der Abg. Artioli am 29.12.2014). Die Landesregierung wird aufgefordert, neu zu gründenden oder arbeitsplatzschaffenden Unternehmen landeseigene Liegenschaften für die Gewerbeausübung unentgeltlich zu überlassen. Diese Liegenschaften verbleiben im Eigentum des Landes und die Überlassung wird durch von der Landesregierung festgelegte Auflagen beschränkt.
“Das Land verwaltet über das BLS die neuen Liegenschaften in Bozen-Süd. Außerdem verfügt Südtirol über weitere Liegenschaften in Gewerbegebieten, die nur noch umgewidmet werden müssen”, erklärte Elena Artioli (Team Autonomie). “Diese Liegenschaften stellen einen hohen Kostenfaktor für die Unternehmen dar, die sich in Südtirol ansiedeln wollen. Daher könnte eine an die Schaffung neuer Arbeitsplätze gekoppelte Art der Förderung, die zeitlich befristet und durch Auflagen beschränkt ist, eine kostengünstige Lösung für Südtirol sein.”
LH Arno Kompatscher verwies auf das neue Modell für die Zuweisung von Gewerbeflächen, das eine kopernikanische Wende darstelle. Es vergingen nun keine ewigen Zeiten mehr für die Zuweisung, das werde von den Unternehmen auch anerkannt. Es entscheide der Markt, nicht die Planwirtschaft. Was Artioli fordere, würde wieder mehr in Richtung Planwirtschaft gehen, obwohl er das Grundanliegen teile. Für Startups gebe es ein eigenes Förderungsprogramm.
Elena Artioli begrüßte die Neuerung, aber die Umsetzung hänge von den Gemeinden ab. In Bozen z.B. seien die Zeiten endlos. Das Land sollte das Heft wieder selbst in die Hand nehmen.
Der Antrag wurde mit 3 Ja, 16 Nein bei 10 Enthaltungen abgelehnt.
Begehrensantrag Nr. 86/17: Wahlgesetz für die Parlamentswahlen: Die Sonderbestimmung für Südtirol muss dem Minderheitenschutz und demokratiepolitischen Grundsätzen Rechnung tragen (eingebracht von den Abg. Mair, Blaas, Oberhofer, Stocker S., Tinkhauser und Zingerle am 15.6.2017). Die Debatte dazu hatte bereits gestern begonnen. Inzwischen wurde eine neue Fassung vorgelegt, der von 16 Abgeordneten der Opposition unterzeichnet wurde: Ein Wahlgesetz, das eine ausgewogene Vertretung garantiere, ein eigener, einziger Wahlkreis für Südtirol mit reinem Verhältniswahlrecht ohne die gesamtstaatliche Sperrklausel.
Für Südtirol sei eine Regelung, die den demokratischen Gepflogenheiten Rechnung trage, entscheidend, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). Mit den bisherigen Regelungen habe der Wählerwille nie einen Niederschlag gefunden, die SVP habe sich ihr System zurechtgeschneidert. Sogar in der Türkei begnüge man sich mit einer Hürde von 10 Prozent statt 40. Die SVP wolle ein Wahlgesetz, das ihr auch mit weniger Stimmen den Sieg garantiere. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine italienische Stimme in Bruneck weniger wert sei als eine in Bozen, was umgekehrt auch für die eine deutsche Stimme gelte. Die SVP habe nicht das Recht, alleine in Rom für alle Südtiroler zu sprechen.
Die Grünen hätten sich, auch über ihren Parlamentarier Kronbichler, immer für ein Wahlgesetz eingesetzt, das die Minderheiten schützt, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Eine Partei, die 47 Prozent der Stimmen erhalte wie die SVP, solle auch denselben Anteil an Mandaten erhalten. Mit dem einzigen Wahlkreis spiele sich die Wahl in Südtirol ab, abseits von Listenverbindungen mit gesamtstaatlichen Verbänden und Sperrklauseln. Die Vertretung der deutschen Minderheit sei damit auf jeden Fall garantiert. Dasselbe System habe es bisher nur 1921 gegeben, und da seien vier Deutsche ins Parlament gewählt worden.
“Das derzeitige Gesetz mit seiner Sperrklausel von 20 Prozent verhindert, dass kleinere Parteien eine Vertretung im Parlament erhalten. Interessant ist, so Florian Kronbichler, dass der vorherige Gesetzesentwurf genau wegen seines speziellen Südtirol-Teils zu Fall gekommen ist. Zu unverschämt war es der Südtiroler Volkspartei auf den Leib geschneidert. Minderheitenfreundlicher und demokratischer könnte die Wahl zur Abgeordnetenkammer dann sein, wenn Südtirol einen einzigen Wahlkreis bildete und nach dem Verhältnissystem, statt Mehrheitssystem, gewählt würde. Das Mehrheitssystem soll die Regierbarkeit sichern. Südtirol hat aber kein Regierbarkeitsproblem“, so Kronbichler weiter.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) meinte, dass nicht nur die deutsche Sprachgruppe ein Vertretungsrecht habe. Das System mit den vier Ein-Mann-Wahlkreisen sei ein Geschenk an die SVP, und um das behalten zu dürfen, drohe sie nun mit dem Ende der Koalition.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), der die Abwesenheit der Landesregierung kritisierte, sah seine Fraktion als letzte, die einen Sitz in Rom wollte. Aber solange man bei Italien sei, müsse Südtirol dort auch eine demokratische Vertretung haben. Die 40-Prozent-Klausel habe mit Demokratie nichts zu tun. Die Wähler hätten zu entscheiden, wer sie in Rom vertrete, nicht eine Partei. Eine Sonderregelung für Südtirol sei richtig, aber die könne nur darin bestehen, dass man mit dem Staat die Zahl der Sitze vereinbart – über deren Zuteilung entscheide dann die Wahl. Der heutige Antrag sei nur ein erster Schritt, man werde weitere setzen.
Urzì habe es als lächerlich bezeichnet, dass die SVP in Rom das Wahlgesetz blockiere, bemerkte Dieter Steger (SVP). Das vorliegende Gesetz, um das es gehe, sei jenes mit der Abänderung von Biancofiore, das Südtirol zwei Mandate weniger bescheren würde. Das Mattarellum garantiere der Minderheit eine Vertretung. Das Verhältniswahlrecht, das Urzì einfordere, gelte für den Landtag und habe nicht verhindert, dass die italienische Volksgruppe unterrepräsentiert wird. Die Hürde im staatlichen Wahlgesetz sei für den Minderheitenschutz notwendig.
LH Arno Kompatscher teilte diese Meinung. Der in Rom derzeit vorliegende Gesetzentwurf würde auch die Vertretung der Opposition verringern, das sage die Mathematik. Die Ein-Mann-Wahlkreise seien keine maßgeschneiderte Norm, der Kandidat mit den meisten Stimmen bekomme den Sitz. Die Schwelle sei auf jeden Fall notwendig, ohne sie wäre das Gesetz verfassungswidrig.
Ulli Mair mutmaßte, dass Kompatscher von der Sache nicht hundertprozentig überzeugt sei. Der frühere SVP-Obmann Brugger habe versprochen, dass man sich für das Verhältniswahlrecht einsetze, daran wolle sich die SVP nicht mehr erinnern. Sie wolle nur erreichen, dass Kronbichler weg vom Fenster sei, sie wolle alleine in Rom sein, um ihre Klientel zu bedienen und auch wegen der absetzbaren Parteispenden. Die Sperrklausel habe nichts mit Minderheitenschutz zu tun.
„Es bleibt dabei, die SVP ist nicht gleich Südtirol, denn die andere Hälfte der Bevölkerung unserer Heimat wird nicht von dieser Partei vertreten. Aus diesem Grund hat die Opposition die Kräfte gebündelt und eine gerechte und pluralistische Vertretung in Rom gefordert, um der Demokratie gerecht zu werden. Wir Freiheitliche werden angesichts des knappen Abstimmungsergebnisses weiter dieses Anliegen verfolgen, damit Südtirol eine echte und ausgewogene Vertretung in Rom haben wird“, schließt Ulli Mair.
Der Antrag wurde mit 16 Ja und 16 Nein abgelehnt.