Neuwahlen im Frühjahr

Debatte ums Wahlgesetz: SVP droht in Rom mit Ausstieg aus Mehrheit

Mittwoch, 13. September 2017 | 17:04 Uhr
Update

Von: luk

Rom – Die Südtiroler Volkspartei droht nach der Sommerpause im Parlament in der Debatte um das Wahlgesetz mit dem Austritt aus der Regierungsmehrheit in Rom.

Konkret kämpft die SVP für die Beibehaltung der Sonderregelung für Südtirol und das Trentino mit den Ein-Mann-Wahlkreisen. Derzeit tobt die Diskussion laut Medienberichten in der Verfassungskommission der Abgeordnetenkammer.

Im Frühjahr wird in Italien ein neues Parlament gewählt und dafür braucht es ein neues Wahlgesetz.

Kronbichler: „Für ein autonomes, demokratischeres Parlamentswahlgesetz“

Der Südtiroler Kammerabgeordnete von den Grünen und MDP, Florian Kronbichler, begrüßt die gemeinsame Initiative aller Minderheitenfraktionen im Landtag, mit einem Begehrensantrag des Südtiroler Landtags das italienische Parlament zu einem demokratischeren Wahlgesetz für Südtirol zu bewegen. Mit dem Scheitern des sogenannten „Tedeschellum“ am 8. Juni 2017 in der Kammer sei auch der einseitig von der Südtiroler Volkspartei favorisierte Entwurf für den Südtirol betreffenden Teil des Wahlgesetzes hinfällig geworden.

„Mehr noch: Es war genau der fragwürdige Südtirol-Teil, der das gesamte Wahlgesetz zu Fall gebracht hat. Zu unverschämt war es der Südtiroler Volkspartei auf den Leib geschneidert, so dass die Mehrheit des Parlaments, Teile der Regierungsparteien eingeschlossen, dagegen gestimmt hat. Nun besteht die Notwendigkeit, ein neues Wahlgesetz zu schreiben – was uns anlangt, jenen Teil, nach dem künftig in Südtirol gewählt werden soll“, erklärt Kronbichler.

Die Notwendigkeit wolle er als Möglichkeit begreifen. „Wir wollen einen Vorschlag machen, der dem Prinzip der Autonomie so wie der Demokratie im Land gerecht wird. Beides ist möglich. Auch das 2015 vom Parlament verabschiedete Wahlgesetz („Italicum“) und der im Juni dieses Jahres gescheiterte Entwurf („Tedeschellum) sahen für Südtirol ein Wahlsystem wie für einen anderen Staat vor. So sehr wich es von der gesamtstaatlichen Regelung ab. Warum sollte deshalb ein autonomes Wahlgesetz, das demokratischer und minderheitenfreundlicher ist, keine Chance haben?“, fragt Kronbichler.

Der Vorschlag, die Wahl für die Abgeordnetenkammer betreffend, sei, dass Südtirol einen einzigen Wahlkreis bildet (und das Trentino entsprechend auch einen), in dem die ihm zustehenden fünf oder sechs Abgeordneten nach dem reinen Verhältnissystem gewählt werden. Die Südtiroler Bevölkerung sei es gewohnt und reif genug, die Politik (speziell die „Außenpolitik“, als welche auch alles Rom Betreffende empfunden wird) südtirolweit wahrzunehmen. Sie wähle auch den Landtag „landesweit“.

Das Argument der Befürworter von mehreren Wahlbezirken laute gern, die gewählten Politiker seien so „dem Wahlvolk bekannter“ und „näher am Bürger“. „Das klingt nach Ausrede: Südtirol ist klein genug, dass sich ein Parlamentarier im ganzen Land bekannt und bürgernah machen kann. Was täten dann die Landtagsabgeordneten, die auch im ganzen Land gewählt werden müssen? Die Argumente für die Einpersonen-Wahlkreise sind leicht als einseitig mehrheitsfreundlich und außerdem bequem, zu entlarven. Auf die herrschenden Mehrheitsverhältnisse zugeschnitten, ersparen sie der Mehrheitspartei und den Kandidaten jeden aufwändigeren Wahlkampf, es gibt keine Vorzugsstimmen, und was Kandidaten der Mehrheitspartei besonders schätzen: Sie brauchen nicht gegen einen Konkurrenten aus der eigenen Partei anzutreten, schlimmstenfalls sich mit keinem verfeinden“, so Kronbichler.

Ein einziger Südtiroler Wahlkreis mit Proportionalsystem sei gewohnter, demokratischer und minderheitenfreundlicher. Für die Kleinen (politisch gleich wie sprachlich) sei das Proporz-System immer günstiger. Nur hier zähle jede Stimme gleich. Proportional sei gerecht.

Das Argument für das Mehrheitssystem sei, dass es eher die Regierbarkeit sichert. Deshalb wird es in Italien immer wieder gefordert. „Aber hat Südtirol ein Regierbarkeitsproblem? Es hat keines auf Landesebene, und bei Parlamentswahlen schon nur davon zu reden, ist pure Ablenkung“, erklärt Kronbichler.

Auch eine Prozenthürde hält er zwar für möglich, aber auch für überflüssig. Es sorge schon die kleine Anzahl der Zu-Wählenden (fünf oder maximal sechs Abgeordnete) für eine „natürliche Hürde“. Je weniger Parlamentarier, desto höher sei die Hürde.

„Selbstverständlich muss die berüchtigte, selbst von SVP-Vertretern undemokratisch bezeichnete 20-Prozent-Hürde für Minderheiten-Listen weg. Mit einem einzigen Südtiroler Wahlkreis können auch die Vorzugsstimmen wieder angeboten werden. Der Wunsch danach ist in Südtirols Bevölkerung weiterhin stark verankert. Und im Gegensatz zu gewissen Gegenden im Staat, ist in Südtirol mit Vorzugsstimmen auch nie größerer Unfug getrieben worden. Gerade wegen der Präsenz einer dominanten Partei, stellt die Vorzugsstimme für viele die einzige reale ‚Wahlmöglichkeit‘ dar“, meint Krobichler.

Zu den Senatswahlen meint er allerdings, dass hier weiterhin drei Wahlkreise wie bisher bestehen bleiben sollten. Dies sei schon durch die Paketmaßnahme 111 so vorgesehen.

Ein „Südtiroler Wahlgesetz“ in diesem Sinn würde nicht nur auf breiten Zuspruch in der Bevölkerung stoßen, es würde auch den Vertretern der Südtiroler Volkspartei in Rom Respekt abnötigen und neuen Handlungsspielraum eröffnen. „Die Partei würde damit aus der Erpresser-Possition herausfinden, in die sie sich hineinmanövriert hat, nach ihrem Mauern rund um die bisherige Regelung und mit der Drohung, andernfalls die Regierung zu stürzen. Sie sollte einsehen, dass sie inzwischen im römischen Machtspiel missbraucht wird. Möchtegern-Wiederpremier Renzi nimmt das ‚Ultimatum‘ der SVP zum Vorwand, um gar kein neues Wahlgesetz mehr zu machen. Der Schaden für den Staat und die Demokratie, der dadurch entsteht, trifft auch Südtirol“, meint Kronbichler.

Bezirk: Bozen