Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute zwei Anträge der Südtiroler Freiheit und der Fünf-Sterne-Bewegung behandelt und versenkt.
Beschlussantrag Nr. 710/16: Schluss mit faschistischen Umtrieben in Süd-Tirol! (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Knoll und Atz Tammerle am 25.11.2016). Der Landtag möge die Landesregierung auffordern, 1. den Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi in den Landtag zu einer Anhörung über seine Beweggründe für die Reaktivierung der faschistischen Symbole einzuladen. 2. die regelmäßigen Arbeitstreffen der Landesregierung mit der Bozner Stadtregierung so lange auszusetzen, wie die Stadt Bozen sich vom Faschismus nicht offiziell distanziert hat, indem sie sich klar und unmissverständlich gegen die Renovierung und ideologische Verharmlosung von faschistischen Symbolen ausspricht. 3. das EU-Parlament sowie die EU-Kommission über die faschistischen Umtriebe in Südtirol und insbesondere in Bozen zu informieren.
Konkreter Anlass sei die Restaurierung der Säulen vor dem Siegesdenkmal mit Markuslöwen und Wölfin, erklärte Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit), es gebe aber auch eine Reihe von weiteren Beispielen. “Weltweit werden Symbole von Terrorregimen von öffentlichen Plätzen entfernt, etwa in Spanien oder in der ehemaligen Sowjetunion. In Italien und in Süd-Tirol laufen die Uhren sichtlich anders. Hier sprechen sich, wie jüngst in der Stadtgemeinde Bozen, sogar die Grünen für die Refaschistisierung Bozens aus!”
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) sprach von einer paranoischen Phobie im Umgang mit der Geschichte. Der Löwe und die Wölfin seien Zeichen einer Identität, die im ganzen Mittelmeerraum bekannt seien. Die Geschichte könne man nicht wegbaggern oder mit ideologischen Debatten angehen.
Natürlich sei zu solchen Fragen auch eine ideologische Debatte möglich, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion). Es gebe auch andere Verletzungen des Mancino-Gesetzes, etwa den Angriff eines Radiojournalisten auf Sen. Berger, weil er im Quirinal deutsch gesprochen habe. Aber da sei die Justiz einseitig. Mit Bürgermeister Caramaschi wäre es jedenfalls interessant zu reden, nicht nur über die Restaurierung des Siegesdenkmals.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bezeichnete den Antrag als peinlich. Solche Zeichen der Geschichte seien in einen historischen, auch musealen Kontext zu stellen, wo auch ihre Schattenseiten aufgezeigt werden könnten. Viele Bauten aus der Faschistenzeit seien nicht faschistisch, sondern Ausdruck der Architektur jener Zeit. Wenn man immer nur an Abriss denke, müsste man auch den Abriss des Reschenstaudamms und anderer Bauten fordern.
In den letzten Jahrzehnten habe man sich bemüht, Trennungen unideologisch zu überwinden, erklärte Dieter Steger (SVP), und das sei vielfach auch gelungen. Die Bozner hätten jedenfalls andere Probleme. Der Antrag sei reine Provokation.
Auch Hans Heiss (Grüne) sah dies so. In Bozen hätten die Sprachgruppen einen Weg gefunden, um miteinander im Gespräch zu bleiben. Es gebe auch eine zunehmend erfolgreichere Vergangenheitsbewältigung.
Wie er von Arch. Zöggeler erfahren habe, erinnere der Markuslöwe an das damalige Volkswohnbauprogramm des “Istituto San Marco di Venezia”, bemerkte Roberto Bizzo (PD), der auch daran erinnerte, dass die Republik auf den Widerstand gegen den Faschismus gründe. Bozen könne zwischen Geschichte und Nostalgie durchaus unterscheiden.
Brigitte Foppa (Grüne) kritisierte, dass man hier den Bürgermeister einer Stadt des Zusammenlebens, die ihresgleichen suche, vor ein Tribunal zerren wolle. Man sollte endlich einmal die Leistungen Bozens anerkennen.
Faschistenversteher würden sich in Bozen richtig wohlfühlen, meinte Sven Knoll (STF). Der Nationalsozialismus werde sofort bekämpft, der Faschismus nicht. Die Grünen hätten die Abschaffung von Schulnamen gefordert, sobald ein leisester Verdacht auf Verbindung zum Nationalsozialismus bestand. Faschistisch belastete Namen blieben unbehelligt.
Von der Verurteilung des Faschismus gebe es keine Abstriche, erklärte LH Arno Kompatscher, er könne es aber nicht akzeptieren, dass Knolls Gruppierung sich als einzige Hüterin des Antifaschismus darstelle. Beim Mussolinirelief habe man im Dialog einen Fortschritt erzielt, mit dem man das Werk auch erklären könne. Ziel solcher Anträge sei es, das Thema am leben zu halten, weil man selber davon profitiere.
Bernhard Zimmerhofer (STF) erklärte, von einem PD-Bürgermeister hätte er sich eine andere Haltung erwartet. Diese weigere sich auch, die im deutschen Sprachraum übliche Bürgermeisterkette zu tragen. Über den Fortbestand faschistischer Relikte und Umtriebe sollte auf jeden Fall auch die EU-Kommission informiert werden.
Der Antrag wurde in drei Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 719/16: Öffentliche Großprojekte sollen einer öffentlichen Debatte unterzogen werden (eingebracht vom Abg. Köllensperger am 22.12.2016). Die Landesregierung solle verpflichtet werden, 1. das Instrument der öffentlichen Debatte für die großen Infrastrukturen und Bauwerke von sozialer Relevanz und mit Auswirkungen auf die Umwelt, Stadt oder Raumordnung vorzusehen; 2. bezüglich des Projektes zur Umfahrung von Bozen und jenes für das Bahnhofsareal ein öffentliches Verfahren vorzusehen, mittels welchem den Bürgern und Bürgerinnen die möglichen Optionen und die technischen, finanziellen und verkehrsmäßigen Aspekte dargelegt werden; 3. zusätzlich zur Verlegung der SS 12 in den Berg, die Machbarkeit und die Kosten einer Verlegung mit Untertunnelung der Autobahn A22 zu prüfen und die Ergebnisse dieser Untersuchung anlässlich der unter Punkt 1 beschriebenen, öffentlichen Debatte vorzustellen; 4. die Möglichkeit einer öffentlichen Befragung in der Gemeinde Bozen zu prüfen, um dadurch über die Szenarien, die aus den Arbeitsgruppen im Laufe der in Punkt 2 genannten, öffentlichen Verfahrens hervorgegangen sind, zu entscheiden.
“Der Sinn und Zweck des vorliegenden Beschlussantrages ist, die Bedingungen zu schaffen, damit eine umfangreichere Debatte ermöglicht wird und folglich zusätzliche Stimmen mit verschiedenen, kreativen, manchmal auch “ungewohnten”, Vorschlägen, zu Wort kommen”, erklärte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung). Auch in anderen Ländern gebe es solche öffentliche Debatten, etwa in Frankreich. In Bozen stünden größere Projekte an, die einer öffentlichen Debatte unterzogen werden sollten, aber dasselbe sollte im Prinzip im ganzen Land gelten.
Bernhard Zimmerhofer (STF) bezeichnete den Antrag als interessant, allerdings werde die Größe der Projekte nicht festgelegt, ab der eine Debatte abgehalten wird. Er selbst habe einen ähnlichen Antrag vorgelegt, bei dem Köllensperger aber dagegen gestimmt habe.
Der Antrag ziele auf mehr Transparenz, meinte Andreas Pöder (BU). Skeptisch zeigte er sich zu Punkt 4, wonach die Befragung nur in Bozen abgehalten werden solle. Großprojekte wirkten meist über die Gemeindegrenzen hinaus.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) kündigt Zustimmung an. Einige der genannten Projekte seien allerdings Gemeindekompetenz und sollten im Gemeinderat besprochen werden. Das Instrument der Debatte sollte im Raumordnungsgesetz vorgesehen werden.
Großprojekte seien zur Verbesserung der Lebensqualität da, erklärte LR Florian Mussner. Aber auch bei kleineren Projekten werde die Öffentlichkeit stets informiert. Vor allem die betroffenen Gemeinden würden auf Transparenz und Partizipation setzen, und das Land habe sich auch nie einer öffentlichen Diskussion oder einer Bürgerversammlung verweigert. Zur Verlegung der Autobahn unter den Berg meinte Mussner, dass die Kosten sehr hoch seien, auch weil es dafür zwei Röhren bräuchte. Es sei nicht wahr, dass an der Öffentlichkeit vorbei gearbeitet werde. Mussner plädierte schließlich für eine Ablehnung des Antrags.
Der Antrag wolle eine öffentliche Debatte für Großprojekte institutionalisieren, man wolle nicht vom guten Willen des Landesrats abhängig sein, erklärte Paul Köllensperger. Die A22 sei Bozens größte Umweltbelastung. Mit anderen angepeilten Lösungen bestehe die Gefahr, dass die Staus einfach nach Norden verlegt würden.
Der Antrag wurde in drei Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.