Von: mk
Bozen – Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich, es gibt aber immer weniger junge Menschen. Besonders stark vom demografischen Wandel betroffen ist die Arbeit.
Haben wir auch in Zukunft genügend Arbeitskräfte? Wer pflegt die steigende Zahl an älteren Menschen? Wie lange müssen wir arbeiten? Können wir durch einen gesunden Lebensstil ein hohes Alter mit einer hohen Lebensqualität erreichen? Der demografische Wandel ist Chance und Herausforderung zugleich. “Nie zuvor haben Menschen so lange gesund gelebt, und noch nie zuvor wurden so wenige Kinder geboren, – auch wenn die Geburtenrate in Südtirol mit 1,75 immer noch wesentlich höher ist als im restlichen Staatsgebiet”, sagte Arbeits- und Soziallandesrätin Martha Stocker heute in der Pressekonferenz der Landesregierung. “Zusammen mit dem Klimawandel und der Digitalisierung gehört der demografische Wandel zu den großen Herausforderungen unserer Zeit”, fuhr sie fort und präsentierte die Handlungsempfehlungen, die eine Expertengruppe aus Vertretern von Wissenschaft, Verwaltung und Sozialpartnerschaft ausgearbeitet hat.
Ziel der Arbeitsgruppe war es, aufzuzeigen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Chancen der Bevölkerungsentwicklung zu nutzen und welche Handlungsfelder für die politische Gestaltung des demografischen Wandels wichtig sind. “Auch wenn die Geburtenrate in Südtirol noch höher ist als im restlichen Staatsgebiet, so wird die Gesellschaft natürlich auch hierzulande älter“, sagte Stocker und führte folgende Daten an: Während im Jahr 1975 noch rund zehn Prozent der Bevölkerung älter war als 65, sind es jetzt etwa 19 Prozent. Und 2030 wird ein Viertel der Südtiroler 65 Jahre alt sein oder älter. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Erwerbstätigen: Die Mitarbeiter im Handel waren 1998 im Durchschnitt noch 32 Jahre alt, heute sind sie 40, die Mitarbeiter der Landesverwaltung seien im Durchschnitt sogar schon knapp über 48.
Arbeits- und Fachkräftebedarf
“Diese Zahlen machen deutlich, dass es genauso wichtig sein wird, ältere Menschen länger auf dem Arbeitsmarkt wie jüngere für den Arbeitsmarkt zu gewinnen”, sagte Stocker. Nur wenn der Arbeits- und Fachkräftebedarf gedeckt werden kann, könne die Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden. Um dies schaffen, müssten etwa individuelle Teilzeit- und Vorruhestandsregelungen gefunden und gefördert werden, mit denen Familie und Beruf in den verschiedenen Lebensphasen bestmöglich vereinbart werden können. Als mögliche Lösung führte die Expertengruppe die Aktiverhaltung älterer Arbeitnehmer genauso an wie die Verhinderung der Abwanderung von Fachkräften ins Ausland und die noch bessere Einbindung von Frauen und auch Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt.
“Aufgrund des demographischen Wandels und der wachsenden Zahl älterer Menschen wird die Nachfrage im öffentlichen und privaten Dienst nach qualifiziertem Personal für die zusätzlichen personenspezifischen Gesundheits-, Betreuungs- und Pflegeleistungen steigen”, sagte Stocker. Allein der Anteil der Über-75-Jährigen werde von derzeit von 9,5 Prozent auf 11,7 Prozent im Jahr 2030 steigen. “Wir brauchen deshalb natürlich auch mehr Menschen, die in diesem Bereich arbeiten wollen. Und wir müssen auch für diese sozialen Berufe über neue Arbeitszeitmodelle nachdenken, vor allem darüber, wie wir Nacht- und Wochenenddienste besser organisieren und honorieren”, erklärte die Landesrätin.
Zehn Handlungsempfehlungen
Insgesamt gibt die Arbeitsgruppe zehn Handlungsempfehlungen. Neben dem aktiven Anwerben von Fachkräften und dem Schaffen attraktiver Arbeitsbedingungen und dem Fördern einer bedarfsgerecht gestalteten und lebenslangen Ausbildung gehören dazu auch die Förderung leistbarer, innovativer Wohnformen, die Aufwertung der Berufe im Sozial- und Gesundheitssektor, die Forcierung des sozialen Ehrenamtes und der Innovation im Sozial- und Gesundheitssektor, die Steigerung des Anteils der Erwerbstätigen an der gesamten Bevölkerung, die Mobilität für die Bevölkerung aller Altersstufen sowie die Stärkung der offenen Gesellschaft und einer Aufnahmekultur und das Bewusstsein dafür, Innovation und Digitalisierung als Chance zu nutzen.
Den Auftrag an die Arbeitsgruppe hatte der Landtag im Jahr 2015 erteilt. Vor der Pressekonferenz der Landesregierung hatte Stocker die empfohlenen Maßnahmen gemeinsam mit dem Direktor der Landesabteilung Arbeit a.D., Helmuth Sinn, und dem Leiter des Instituts für Regionalentwicklung von Eurac Research, Thomas Streifeneder, im Landtag vorgestellt.