„Ein Weiter-so ist keine Option“

Der Traum von Südtirol als klimaneutraler Skiregion

Donnerstag, 28. November 2024 | 17:43 Uhr

Von: mk

Bozen – Am Wochenende beginnt in vielen Südtiroler Skigebieten die Skisaison. Die Landesregierung hat kürzlich die öffentlichen Zuschüsse für neue Seilbahnanlagen um weitere 22 Millionen Euro erhöht. Die Alpin- und Umweltverbände fordern einen Kurswechsel. „Nutzen wir die anstehende Überarbeitung des Fachplans für Aufstiegsanlagen und Skipisten, um neue Ideen zu entwickeln und Südtirol zum Vorbild zu machen – zur weltweit ersten klimaneutralen Skigebietsregion, die Landschaft, Umwelt und Traditionen respektiert und auf öffentliche Verkehrsmittel setzt“, schlagen der Alpenverein Südtirol, CAI Südtirol, Climate Action, der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der Heimatpflegeverband, Nosc Cunfin und Mountain Wilderness in einer gemeinsamen Pressemitteilung vor.

Das Jahr 2024 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen mit einer globalen Durchschnittstemperatur, die 1,5 Grad über den vorindustriellen Werten liegt (Copernicus-Dienst der EU). In den Alpen steigen die Temperaturen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt und die Schneemenge hat in den letzten zehn Jahren laut Erhebungen des „Osservatorio Nazionale Città Clima“ von Legambiente kontinuierlich abgenommen. Auch im Dossier Schnee von Eurac Research (2021) werden die Folgen der Klimaerwärmung für die Skiwirtschaft klar dargelegt: „Als Folge der Klimakrise wird Schnee zukünftig im Herbst später fallen, im Frühling früher schmelzen und in tiefen Lagen als Regen landen. Skisaisonen werden kürzer ausfallen. Die Schneefallgrenze könnte sich bis Ende des Jahrhunderts um 500 bis 1.000 Meter in die Höhe verschieben. Tiefer gelegene Skigebiete werden wegen des steigenden Bedarfs an Strom und Wasser für die Beschneiung vielleicht nicht mehr wirtschaftlich sein.“ Wer das Dossier liest, könne wohl nur zum Schluss kommen, dass die Errichtung von neuen Liftanlagen und Pisten im Jahr 2024 einen Anachronismus darstellt, der nicht mehr zu rechtfertigen ist, so die Umwelt- und Alpinverbände.

CAI

Trotzdem hat die Südtiroler Landesregierung in den letzten Jahren zahlreiche Projekte genehmigt, um das Skigebietsangebot zu erweitern. Dazu gehören unter anderem die Erweiterung des Skigebiets Klausberg im Ahrntal sowie die umstrittene Seilbahn Tiers–Frommer Alm und die König Laurin-Kabinenbahn. Letztere führt zu einer Bergstation im Herzen der Dolomiten nur wenige Meter von der Grenze des UNESCO-Weltnaturerbes entfernt. Viele weitere skitechnische Erweiterungsprojekte stehen in der Warteschleife, darunter das 125.000 Kubikmeter große Speicherbecken “Bodensee“ am Kronplatz, die Erneuerung der Umlaufbahn K1 und K2 am Kronplatz mit Verlegung der Mittelstation und neuer Talabfahrt, die Erweiterung der Pisten am Helm und im Skigebiet „Drei Zinnen“. „Der Bau von Pisten und Aufstiegsanlagen hat erhebliche Auswirkungen auf die Landschaft und den Bodenverbrauch: Es entstehen neue Hotels und künstliche Speicherbecken für die Beschneiung mit nachweislich negativen Auswirkungen auf die Umwelt, Wälder müssen abgeholzt und Hänge massiv umgestaltet werden“, so die Umwelt- und Alpinverbände.

Anstatt weiterhin durch den Skibetrieb und die Anreise der Wintersportler mit Privatfahrzeugen negativ zum Klimawandel beizutragen, könnte Südtirol Vorreiter für ein Tourismusangebot sein, das Landschaft und Umwelt respektiert und klimaneutral ist: „Wir könnten Pioniere eines neuen, nachhaltigen Tourismusmodells werden, das praktisch ohne motorisierten Individualverkehr auskommt, weniger hektische, dafür qualitativ hochwertigere Aktivitäten fördert und keine Skipisten umfasst, die mit Plastikzäunen und Schneekanonenreihen umsäumt sind.“

Anstatt weiterhin durch den Skibetrieb und die Anreise der Wintersportler mit Privatfahrzeugen negativ zum Klimawandel beizutragen, könnte Südtirol Vorreiter für ein Tourismusangebot sein, das Landschaft und Umwelt respektiert und klimaneutral ist, erklären die Verbände: „Wir könnten Pioniere eines neuen, nachhaltigen Tourismusmodells werden, das praktisch ohne motorisierten Individualverkehr auskommt, weniger hektische, dafür qualitativ hochwertigere Aktivitäten fördert und keine Skipisten umfasst, die mit Plastikzäunen und Schneekanonenreihen umsäumt sind.“

Die Erneuerung des Fachplans für Aufstiegsanlagen und Skipisten in wenigen Monaten ist den Verbänden zufolge eine Gelegenheit, die Weichen in diese Richtung zu stellen. Die Alpin- und Umweltverbände hoffen, dass diese Gelegenheit genutzt wird, neue Ideen zu entwickeln und Südtirol zum Vorbild zu machen – zur weltweit ersten klimaneutralen Skigebietsregion, die Landschaft, Umwelt und Traditionen respektiert und auf öffentliche Verkehrsmittel setzt. „Es ist Zeit, sich hohe Ziele zu setzen und einen konkreten Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten! Es ist Zeit, klar und deutlich zu sagen, dass diejenigen, die sich als Beschützer der Bergregionen darstellen und behaupten, die einzige Alternative zur Abwanderung in den Bergen zu sein, in Wirklichkeit den alpinen Raum nur auspressen und zum Vergnügungspark deklassieren, während sie die sensiblen Ökosysteme der Hochgebirgsregionen immer stärker unter Druck setzen“, erklären die Verbände.

Ein Weiter-so sei keine Option. Die Alpin- und Umweltvereine Alpenverein Südtirol, CAI Südtirol, Climate Action, Dachverband für Natur- und Umweltschutz, Heimatpflegeverband, Nosc Cunfin und Mountain Wilderness appellieren daher an die Landesregierung: „Lasst uns die Aktualisierung des Fachplans für Aufstiegsanlagen und Skipisten gemeinsam nutzen, um Südtirol als Vorreiter für Klimaschutz und nachhaltigen Tourismus zu positionieren. So bleibt unser Land lebenswert – für die Menschen, die hier leben, für unsere Gäste und für kommende Generationen.“

Bezirk: Bozen

Kommentare

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10 Kommentare auf "Der Traum von Südtirol als klimaneutraler Skiregion"


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supersonic
supersonic
Tratscher
2 h 23 Min

Warum müssen immer wieder etliche Verbände darum kämpfen was logisch und natürlich wäre und letztendlich im Sinne der überragende so denkende Population Südtirols.
Politiker müssten doch die Meinung der Mehrzahl vertreten wenn alles demokratisch wäre.
SVP und Mitgänger enttäuschend wie so oft.
Es regieren die Lobbys in diesem Land und Leute haben es satt.

Oracle
Oracle
Kinig
1 h 7 Min

@supersonic… die grüne Sichtweise ist und bleibt eine grüne Sichtweise. Das mit der Meinung der Mehrheit ist so eine Sache. Wie kommt man auf so eine Behauptung? Im Landtag z.B. macht die grüne Fraktion 3 Mandatare aus, nicht 18 oder mehr, ein Spiegelbild der Wählerschaft! Demokratie ist auch zu akzeptieren, wenn die Regierungsmehrheit nicht die eigenen Ansichten vertretet! Ist die Landtagswahl nicht demokratisch verlaufen? Die regierenden Politiker haben pragmatisch zu arbeiten, nicht ideologisch geprägt! Die Umweltlobby würde Südtirol in kurzer Zeit gegen die Wand fahren……

Hoilala
Hoilala
Grünschnabel
1 h 1 Min

Sind Sie sich sicher, dass die Mehrheit so denkt wie du?

Chrys
Chrys
Universalgelehrter
44 Min 41 Sek
@ supersonic Dass wir zwischenzeitlich genügend Aufstiegsanlagen haben ist sicherlich eine berechtigte Aussage. Allerdings ersetzen im Moment sehr häufig höher liegende Anlagen jene die in der Nähe der Talsohle liegen denn da ist Schneemangel und Temperatur eben sehr oft ein Problem. Die Aussage, “immer wieder etliche Verbände ….” ist aber kritisierbar denn sehr häufig handelt es sich um Vereine die die selben Personen vertreten. Ich kann mich noch erinnern als seinerzeit sämtliche Straßenbauprojekte verhindert wurden da wurde tagtäglich eine neue Umweltschutzgruppe gegründet und meist waren die selben Personen in mehreren Vereinen tätig. Überall auf der Welt regieren Lobbys aber die… Weiterlesen »
charlybrown
charlybrown
Grünschnabel
1 h 30 Min

Die ganze Pseudonachhaltigkeit ist der grösste Etikettenschwindel. Es zählt nur das Geld und die Natur ist allen egal. Die Retourkutsche kommt immer näher.

faif
faif
Superredner
1 h 26 Min

…des isch ols nimmer normal.
rießige speicherbecken bauen auf kosten von natur und steuerzahler.
immer größer immer mehr …noch mehr verkehr..alles no tuirer..für was?
des muass aufhärn

Goennenihrwichtigtuer
Goennenihrwichtigtuer
Universalgelehrter
40 Min 40 Sek

🤦🤦🤦🤦🤦 i woas schun wer die Demontage in uan, zwoa Jahrzehnte zohln terf… 😁👈👉🥸

bern
bern
Universalgelehrter
2 h 5 Min

Warum öffentliche Verkehrsmittel?
Ein privates E-Auto ist aus 2 Gründen besser:
1. der Bus ist noch ein Verbrenner
2. der Steuerzahler muss nicht 80% der Kosten zahlen.

newin
newin
Grünschnabel
2 h 4 Min

Das wäre schön, wenns in diese richtung ginge!!

nit verstondn
nit verstondn
Grünschnabel
8 Min 57 Sek

Geehrte Politiker träumt weiter, wie soch die klimatische Situation mit euren Entscheidungen entwickelt werden wir alle sehen. Vielleicht werden sich eure Kinder bei euch bedanken.

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