Gespräche in Damaskus

Deutscher Diplomat führt für EU erste Gespräche in Damaskus

Montag, 16. Dezember 2024 | 21:50 Uhr

Von: APA/dpa

Der deutsche Spitzendiplomat Michael Ohnmacht hat im Auftrag der EU erste Gespräche mit den neuen Machthaber in Syrien geführt. “Ich habe heute früh angekündigt, dass unser Spitzendiplomat nach Damaskus reisen wird, und er ist nun dort gewesen”, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Montag nach einem EU-Außenministertreffen in Brüssel. Das Ziel der Gespräche sei, mit den neuen Behörden in Kontakt zu treten, ihre Pläne zu verstehen und eigene Botschaften zu platzieren.

Eine von Islamisten angeführte Allianz von Aufständischen hatte vergangene Woche den langjährigen Machthaber Bashar al-Assad gestürzt, der inzwischen in Russland Asyl bekommen hat. Als wichtig aus Sicht der EU nannte Kallas unter anderem, dass die neue syrische Regierung auch die Rechte von Minderheiten und Frauen berücksichtigt. “Extremismus sowie Russland und der Iran sollten in der Zukunft Syriens keinen Platz haben”, fügte Kallas mit Blick auf die Unterstützung Moskaus und Teherans für den früheren Machthaber al-Assad hinzu.

Mehrere EU-Außenminister fordern Schließung russischer Militärstützpunkte

Ihren Angaben zufolge sprachen sich mehrere Außenminister auch dafür aus, eine Normalisierung der Beziehungen zu Syrien daran zu knüpfen, dass die neuen Machthaber Moskau zur Schließung der noch vorhandenen russischen Militärstützpunkte in Syrien auffordern.

Zu den Gesprächspartnern des deutschen Diplomaten in Damaskus sagte Kallas zunächst nichts. Aus dem Auswärtigen Dienst hieß es lediglich, er habe vorerst nicht den Anführer der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Ahmed al-Sharaa, getroffen. Kontakte mit der Gruppe gelten in der EU weiterhin als brisant. Grund ist, dass die EU und mit ihr verbundene Personen weiter auf der Terrorliste der Vereinten Nationen stehen und mit EU-Sanktionen belegt sind.

Der Diplomat Ohnmacht ist bereits seit September Chef der EU-Syrien-Delegation. Diese arbeitet aus Sicherheitsgründen bisher aber weiter vorwiegend im Libanon und in Brüssel. Für das Auswärtige Amt war Ohnmacht zuvor unter anderem schon als Botschafter in Libyen sowie im Libanon und in Saudi-Arabien.

Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen sprach indes am Montag bereits al-Sharaa. Al-Sharaa und Pedersen sprachen HTS zufolge unter anderem über die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats von 2015 zum Bürgerkrieg in Syrien. Darin sind eine Waffenruhe, eine neue Verfassung und Wahlen vorgesehen. “Es ist notwendig, die Resolution zu aktualisieren, um der neuen Realität zu entsprechen”, erklärte HTS. In der Resolution ist die Al-Nusra-Front, aus der HTS hervorging, gemeinsam mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als “terroristische Gruppe” genannt.

EU: Entwicklungen wie in Libyen und Afghanistan vermeiden

Für die EU geht es bei den geplanten Kontakten vor allem um die Frage, wie sie zu einer Stabilisierung des Landes beitragen und wie verhindert werden kann, dass es zu Entwicklungen wie in Libyen oder Afghanistan kommt. Eine gewichtige Rolle spielt dabei auch, dass viele Mitgliedstaaten hoffen, dass dann Syrien-Flüchtlinge freiwillig in ihre Heimat zurückkehren oder sonst auch abgeschoben werden können. Allein in Österreich leben gut 95.000 Menschen, die vor dem Assad-Regime geflüchtet sind, in allen EU-Staaten zusammen weit mehr als eine Million.

Bisher weiß allerdings niemand, ob Syrien unter den neuen Machthabern wirklich zur Ruhe kommt. EU-Chefdiplomatin Kallas räumte kürzlich ein, es gebe berechtigte Bedenken hinsichtlich der Risiken konfessionell motivierter Gewalt, des Wiederauflebens von Extremismus und eines Regierungsvakuums. Auch um dies zu verhindern, will die EU nun Gesprächskanäle zur HTS aufbauen, obwohl diese weiterhin auf der Terrorliste der Vereinten Nationen steht und deswegen mit EU-Sanktionen belegt ist.

Türkei als wichtigster ausländischer Akteur

Auf internationaler Ebene kooperierte HTS, die in vergangenen Jahren die syrische Rebellenhochburg Idlib an der türkischen Grenze kontrollierte, teils mit dem türkischen Militär und Türkei-nahen Milizen. Erst am Donnerstag besuchte der türkische Geheimdienstchef Ibrahim Kalin Damaskus, zwei Tage später eröffnete die Türkei ihre Botschaft dort wieder. Die Türkei wird als Gewinner des Umbruchs gehandelt und als einflussreichster ausländischer Akteur.

Auch Katar wurden zuvor Verbindungen zur HTS nachgesagt. Berichten zufolge unterstützte und finanzierte das Golfemirat die Al-Nusra-Front, was die Regierung in Doha bestritten hat. Zwischen Katar und der HTS scheint es jetzt aber ebenso schnell Kontakte im Land zu geben wie mit der Türkei: Am Sonntag kam eine katarische Delegation mit Vertretern der Übergangsregierung von Mohammed al-Bashir zusammen, der zuvor die HTS-Regierung in Idlib führte. Ziel ist nach Angaben aus Doha unter anderem, die katarische Botschaft in Damaskus wieder zu öffnen.

Zuletzt nahmen Italien sowie Ägypten, Jordanien und weitere Länder im arabischen Raum den Betrieb in ihren Botschaften wieder auf. Konsularische Vertretungen gab es im Jahr 2022 für acht EU-Staaten, darunter Spanien, Polen und Tschechien. Seit 2012 vertritt Tschechien die USA in Konsularangelegenheiten, weil auch deren Botschaft geschlossen wurde.

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