Von: mk
Bozen – Ein Rechtsgutachten der Uni Innsbruck analysiert die Entwicklung der Südtirol-Autonomie in den vergangenen 25 Jahren.
Wie hat sich Südtirols Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung im Jahre 1992 entwickelt und verändert? Dieser Frage sind im Auftrag der Landesregierung die Rechtsprofessoren Walter Obwexer vom Institut für Europarecht und Völkerrecht und Esther Happacher vom Institut für Italienisches Recht der Universität Innsbruck nachgegangen. Nun haben sie die 600 Seiten starke Studie Entwicklungen und Veränderungen der Südtiroler Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung 1992 vorgelegt.
“25 Jahre nach der Streitbeendigungserklärung haben wir nun ein detailliertes und rechtswissenschaftlich fundiertes Bild des Gesundheitszustandes unserer Autonomie”, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher, der das Gutachten heute gemeinsam mit den Autoren im Landhaus 1 in Bozen vorgestellt hat. Rom und Wien seien über das Gutachten bereits in Kenntnis, berichtete der Landeshauptmann. Alle Interessierten könnten in Kürze im Netz Einblick in das Rechtsgutachten nehmen, kündigte er an.
Einblick in die Vorgehensweise bei der Erstellung des Rechtsgutachtens gaben die Professoren Walter Obwexer und Esther Happacher. Die Entwicklung der Autonomie sei aus der Sicht des Völkerrechts, aus jener des Unionsrechts und schließlich aus jener des italienischen Verfassungsrechts unter die Lupe genommen worden. Geprüft wurden primäre, sekundäre und tertiäre Zuständigkeiten und deren Entwicklung von 1992 bis heute.
Was das Völkerrecht angeht, erklärte Professor Obwexer: “Die Streitbeilegung kommt einer völkerrechtlichen Bindung gleich. Alles was an Zuständigkeiten nach 1992 eingeschränkt wird, kann nur bei Zustimmung oder zustimmendem Stillschweigen Österreichs erfolgen.”
Veränderungen brachte auch das Unionsrecht, dessen Grundfreiheiten beispielsweise die Autonomiebestimmungen einschränkten. Andererseits machte das Unionsrecht auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Europaregion möglich.
Zum Teil positiv, zum Teil negativ hätte sich auch die italienische Verfassungsreform von 2001 ausgewirkt, analysierte Obwexer: So wurde beispielsweise in der Landesgesetzgebung der bis dahin notwendige Sichtvermerk abgeschafft. Allerdings wurden die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Staates neu definiert und so genannte transversale Zuständigkeiten festgelegt, für die der Staat bindende Vorgaben macht. Dazu gehören unter anderen das Wettbewerbsrecht, das Zivilrecht oder die Sozialgesetzgebung.
Und gerade diese transversalen Zuständigkeiten seien es, die Südtirols Autonomie letzthin zu schaffen machten, wie Professorin Happacher auch anhand einer Reihe von Beispielen ausführte, darunter die Raumordnung, die Personalordnung, die Berufsordnung. Sie hätten dazu beigetragen, dass es seit der Verfassungsreform keinen Parallelismus zwischen Gesetzgebung und Verwaltung mehr gäbe.
“Seit 1992 gibt es sowohl Erweiterungen als auch Einschränkungen”, fasste Autorin Happacher die Ergebnisse zusammen und betonte, dass der Erhebungszeitraum bis zum Jahr 2015 reiche. Seitdem habe es noch einige Kompetenzverschiebungen gegeben. Zahlenmäßig sei der Befund ausgeglichen, wobei einigen der Einschränkungen der Südtirol-Autonomie, die der Staat getroffen hat, Unionsrecht zugrunde liege. Die beiden Autoren bestätigten die völkerrechtliche Verpflichtung Italiens, Kompetenzbeschneidungen gegenüber 1992 wiederherzustellen.
Landeshauptmann Arno Kompatscher stellte mit Genugtuung fest, dass seit 2015 in einigen der betroffenen Bereiche Kompetenzen wieder hergestellt werden konnten, so wie dies mit dem damaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi im Rahmen der Übergabe der Autonomie-Agenda vereinbart wurde. “Wir werden den eingeschlagenen Weg der Verhandlung mit der italienischen Regierung fortsetzen”, unterstrich der Landeshauptmann. Kompatscher sieht in der Studie eine belastbare Grundlage für die Einforderung von notwendigen Anpassungen des Autonomiestatuts.