Von: luk
Bozen – “Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt.” Diesen Ansatz vertreten die Grünen und finden, dass pragmatische Lösungen auch im Land von Proporz und Zweisprachigkeitspflicht denkbar sein müssen.
“Es ist in den letzten Monaten und Wochen wieder hochgekocht, das Thema der Zweisprachigkeit in Südtirol. Die Tatsache, dass sich nicht genügend medizinisches Personal finden lässt, das qualifiziert und zugleich auch beider Landessprachen mächtig ist, zeigt die Schattenseite von Proporz und Pflicht zur Zweisprachigkeit auf. Und die vielen Tabuisierungen, Paradoxsituationen und Mentalitätsschranken, die diese Verpflichtungen mit sich gebracht hat”, erklären die Grünen.
Muttersprache in der Sanität
“Denn es gibt in Südtirol die sehr begrüßenswerte Pflicht zur Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst, die darauf fußt, dass jede Person, die den Dienst nutzt, das verbriefte Recht hat, sich in ihrer Muttersprache auszudrücken. Neben der Verpflichtung gibt es aber auch den Status quo, nämlich dass es die Zweisprachigkeit in vielen Fällen eben auch NICHT gibt. Darüber wurde lange geschwiegen. Der Fachkräftemangel in der Sanität hat die Wunde aber aufplatzen lassen. Es finden sich nicht genügend Fachkräfte, die beide Sprachen ausreichend sprechen. Händeringend wird dann wieder an Proporz und Zweisprachigkeitspflicht herumgedoktert, eine Methode, die wir in den letzten Jahren immer wieder beobachtet haben. Dabei vergisst man auf Lösungen, die anderswo ganz normal sind. So wird auf der ganzen Welt mangelndes Sprachwissen durch professionelle ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen ausgeglichen, auch im Gesundheitswesen. Das Städtische Klinikum in München bietet einen internen Dolmetscherdienst in 35 Sprachen an. In Südtirol konnten wir auf Nachfrage in Erfahrung bringen, dass für Menschen vieler anderer Muttersprachen immerhin kulturelle MediatorInnen für die nötige Kommunikation sorgen. Für Deutsch- und Italienischsprachige behilft man sich, indem andere anwesende Personen einspringen, wenn der Arzt oder die Ärztin nicht die Sprache der betroffenen Person spricht. Das geht mit viel gutem Willen auch, aber Fachkräfte für die Gesundheit haben erwartungsgemäß keine Professionalität im Dolmetschbereich. Dabei bräuchte es gerade in einem hochsensiblen Bereich wie der Gesundheit besonders hochwertige und spezialisierte Kommunikation. Wir schlagen deshalb vor, die Wahrheit anzuerkennen, nämlich dass es Situationen gibt, in denen die Zweisprachigkeit de facto nicht garantiert werden kann. Dann kann man das Thema versachlichen und pragmatische Lösungen können auch in unserem Land normal werden”, so die Grünen.
Diesem Thema zugrunde liege eine offensichtliche Logik: “Wichtig ist es, sich in der Muttersprache verständigen zu können, nicht eine (oft nur fingierte) Zweisprachigkeit des Sanitätswesens.”
“Unser Lösungsvorschlag, der in dieser Woche im Landtag behandelt wird, sieht daher vor, die Aus- und Weiterbildung des Pflegepersonals um Übersetzungs- und Dolmetschqualifikationen zu erweitern, die fakultativ belegt werden können. Vor allem aber müssen in der Übergangszeit DolmetscherInnen eingesetzt werden können, die die Kommunikation zwischen ÄrztInnen und PatientInnen auch dann ermöglichen, wenn das ärztliche Personal die Sprache der Patientin oder des Patienten nicht beherrscht – was bekanntlich derzeit bei 343 Personen im Lande der Fall ist”, so die Grünen.
Dreisprachige Uni – zweisprachige Abgänger
Dank Reformen der vergangenen Jahre sei die klassische Zweisprachigkeitsprüfung nicht mehr der einzige Weg, um den begehrten Nachweis zu erhalten. Heute führen mehrere Wege nach (Zweisprachigkeits) Rom:
• Der Nachweis kann über europäische Zertifikate erworben werden, welche Institute wie das Goethe Institut oder das TestDaF für die deutsche- beziehungsweise das CELI (Universität Perugia) oder das CILS (Universität Siena) für die italienische Sprache vergeben.
• Wer die Matura an einer italienischen Oberschule und den Universitätsabschluss an einer deutschen Uni (oder umgekehrt) absolviert, erhält den Zweisprachigkeitsnachweis ohne jede Prüfung.
“Diesem Wandel zugrunde liegt eine offensichtliche Logik: Wichtig ist es, zweisprachig zu sein und nicht die Art, wie dies festgestellt wird”, heißt es weiter.
“Es ist paradox, dass grade die Universität Bozen, die Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana und das zweisprachige Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck von diesem System ausgeschlossen bleiben. Alle drei sind mehrsprachige Studiengänge, deren Abschluss die Abgängerinnen und Abgängern jedoch nicht zum Erhalt des Zweisprachigkeitsnachweis berechtigt. Als ob der Besuch zweier getrennter einsprachiger Institutionen die Zweisprachigkeit garantieren könnte, während ein fünfjähriges Studium an einer mehrsprachigen Universität nicht dasselbe Ergebnis brächte. Südtirols Arbeitsmarkt hat hohen Bedarf an Personen mit Universitätsabschluss und was machen wir? Anstatt die vielen jungen Erwachsenen, die diesen auswärts erlangen, zum Bleiben einzuladen, schlagen wir ihnen mehr oder weniger die Tür vor der Nase zu, indem wir sie zur alten Zweisprachigkeitsprüfung zwingen; so als ob wir die Zweisprachigkeit ihrer absolvierten Studien anzweifeln würden. Ihre Zweisprachigkeit anzuerkennen heißt hingegen, ihnen das Bleiben zu erleichtern und gleichzeitig die wichtigste Qualität unserer Universitäten und Hochschulen zu würdigen: die Mehrsprachigkeit”, so die Grünen.
“Deshalb schlagen wir vor, dass die Abschlüsse an der Universität Bozen, der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana und des zweisprachige Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck auf direktem Weg zum Erhalt des Zweisprachigkeitsnachweises führen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Studiengang eine gewisse Anzahl von Prüfungen in den beiden Sprachen vorsieht”, heißt es abschließend.