Von: mk
Bozen – Die neue Südtiroler Mitte-Rechts-Fünfer-Regierung bestehend aus Südtiroler Volkspartei (SVP), Südtiroler Freiheitlichen, Fratelli d’Italia, Lega und La Civica ist in Amt und Würden. Die aus elf Mitgliedern bestehende Regierung erhielt am Donnerstag im Landtag 19 Ja-Stimmen, 15 Parlamentarier votierten dagegen, es gab eine Enthaltung. Die “Ja-Stimmen” entsprachen exakt der Mehrheit der neuen Koalition.
Eine kleine Panne wurde unmittelbar nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses offensichtlich: Der Freiheitliche Andreas Leiter Reber erklärte, dass er sich habe enthalten wollen, aber mit “Ja” stimmte. Denn: Er habe angenommen, es handle sich um eine Probeabstimmung. Dies wurde dann im Protokoll so vermerkt.
Der seit 2014 regierende Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) war bereits am 18. Jänner – nach zähen, seit Anfang Dezember andauernden Regierungsverhandlungen – im Landesparlament gewählt worden. Der 52-Jährige geht in seine dritte und letzte Amtszeit.
Kompatscher hatte in seiner Rede zur Vorstellung des Regierungsprogramms sowie zur Besetzung der neuen Landesregierung bzw. der Zuteilung der Kompetenzen am Mittwoch vor allem die Bedeutung der Autonomie, der Wiederherstellung autonomer Zuständigkeiten bzw. den im Regierungsprogramm vorgesehenen Ausbau hervorgehoben. Die Autonomie sei “die Grundlage für ein erfolgreiches Regierungshandeln.” Sie sei Brücke zwischen den Sprachgruppen, aber auch ein wirtschaftliches Instrument, das für Wohlstand im Land sorge.
Man habe einen Vorschlag für ein neues Verfassungsgesetz ausgearbeitet, der entstandene Autonomie-Verluste rückgängig machen solle. Auch ein Ausbau der Autonomie sei darin vorgesehen. Die Koalition habe es sich gemeinsam mit der Regierung in Rom zum Ziel gesetzt, aus diesem Vorschlag bis Ende Juni einen gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten, der dann dem Parlament vorgelegt werden soll. Dazu habe sich die Regierung bereit erklärt. Südtirol sei “mehr denn je ein Vorzeigemodell”, auf das sich viele Blicke richten würden, meinte der Landeshauptmann am Donnerstag.
“Es gilt, den Themen der Autonomie und der Nachhaltigkeit Vorrang zu geben. Die Autonomie ist die Grundlage dafür, dass wir Dinge so gestalten können, dass sie für Südtirol am besten passen”, gab Kompatscher zudem im Anschluss an die Landtagssitzung bei einem Pressetermin zu Protokoll. Die Nachhaltigkeit betreffe alle Bereiche: “Wir wollen unser gesamtes Handeln als Landesregierung weiter an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ausrichten.” Zudem stünden die Sicherung qualitativ hochwertiger Bildungsangebote, von leistungsgerechtem Einkommen und leistbarem Wohnen, die Stärkung der Sicherheit im öffentlichen Raum, die Umsetzung von Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität sowie die Stärkung der bürgernahen Verwaltung im Mittelpunkt des Regierungsprogrammes.
Von der Opposition hatte es in der emotional Landtagsdebatte hingegen teils scharfe Kritik gesetzt. Kompatscher und der “Sammelpartei” SVP wurde unter anderem vorgeworfen, mit der gezimmerten Koalition ihre Werte über Bord zu werfen, “Neofaschisten” in die Regierung zu holen und Postenschacherei zu betreiben.
Die Landesregierung besteht aus elf Mitgliedern. Kompatscher wird in Zukunft die Bereiche Außenbeziehungen, Autonomie, Finanzen, Gemeinden, Zivilschutz, Bürgerrechte und Chancengleichheit verwalten. Rosmarie Pamer (SVP) ist erste Landeshauptmannstellvertreterin und übernimmt die Bereiche Soziales und Familie sowie Zusammenhalt, Senioren und Ehrenamt. Den Posten des zweiten Landeshauptmannstellvertreters bekleidet Marco Galateo (FdI), der die italienische Schule und Kultur sowie die Wirtschaftsbereiche Handel, Handwerk, Dienstleister und Industrie verwalten wird. Ladinischer Landeshauptmannstellvertreter wird der bereits bisher in der Regierung vertretene Daniel Alfreider (SVP), der die ladinische Bildung und Kultur sowie Mobilität und Infrastrukturen über hat.
SVP-Obmann Philipp Achammer ist wie bisher als Landesrat für die Bereiche deutsche Schule und Kultur vorgesehen. Hinzu kommen Innovation, Forschung und Denkmalpflege. Magdalena Amhof (SVP) zeichnet für Europa, Arbeit und Personal verantwortlich, während Christian Bianchi (Lega) Hochbau, Grundbuch und Kataster verwaltet. Peter Brunner (SVP) hat die Bereiche Umweltschutz, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Energie und Sport inne, die Freiheitliche Ulli Mair Wohnbau, Sicherheit und Gewaltprävention. Hubert Messner (SVP), Bruder von Bergsteigerikone Reinhold Messner, wird als Landesrat für Gesundheit und Vorsorge verantwortlich sein. Als letzter der elf Mitglieder der Landesregierung wird sich Luis Walcher (SVP) um den Tourismus sowie um Land- und Forstwirtschaft kümmern.
Zu einem turbulenten SVP-Zweikampf, der nicht gerade totale parteiinterne Geschlossenheit offenbarte, geriet übrigens die Wahl des Landtagspräsidenten. Erst im dritten Wahlgang setzte sich der bisherige Landesrat Arnold Schuler gegen Amtsinhaber Josef Noggler durch. Dabei stimmten 17 Abgeordnete für Schuler, 17 für Noggler, ein Stimmzettel blieb weiß. Schuler gewann letztlich aber die “Stichwahl”, denn bei Stimmengleichheit zählen die Vorzugsstimmen der Wahlen – und da lag Schuler vorne, berichtete Rai Südtirol. Der dritte Wahlgang war notwendig geworden, weil in den ersten beiden Wahlgängen für die Wahl des Landtagspräsidenten mindestens 18 Stimmen vorliegen müssen und Schuler diese “Hürde” nicht überspringen konnte. Noggler hatte vor den Abstimmungen noch gemeint, “nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit” zu genießen und deshalb aufgefordert worden zu sein, zurückzutreten. Diesem Wunsch komme er nach. Letztlich kam es aber doch noch zu einem spannenden Rennen.
Das Fünfer-Bündnis war Mitte Jänner nach zähen Verhandlungen endgültig paktiert worden. Die Koalition löste teils heftige Kritik ob der Beteiligung von Fratelli d’Italia, Lega und teils auch der Freiheitlichen aus – so stiegen etwa Künstler sowie Wissenschafter öffentlich “auf die Barrikaden”, die Rede war von einer “Rechts-Rechts-Regierung” und einem Tabubruch. Bis zuletzt gab es ein heftiges Tauziehen um die Zahl der italienischsprachigen Landesräte in der Regierung bzw. die Größe derselben. Letztlich einigte man sich auf ein Kabinett aus elf Mitgliedern. Die italienischen Parteien Fratelli d’Italia und Lega stellen jeweils einen Landesrat. Die kleine Bürgerliste La Civica ist hingegen nicht in der Landesregierung vertreten.
Die Südtiroler Volkspartei hatte nach ihrer empfindlichen Niederlage bei der Landtagswahl Ende Oktober zwei weitere Koalitionspartner gebraucht, um auf eine Landtagsmehrheit zu kommen bzw. jedenfalls auch einen deutschsprachigen Partner. Ein Novum in der Südtiroler Geschichte. Zuletzt regierte man nur mit der Lega. Dass eine italienischsprachige Partei bzw. deren Proponenten in einer Landesregierung vertreten sind, ist ohnehin zwingend vorgeschrieben.