Von: luk
Bozen – Im Sitzungssaal des Südtiroler Landtages fand am heutigen Vormittag ein Treffen der Fraktionssprecher des Tiroler und des Südtiroler Landtags in Anwesenheit des Trentiner Landtagspräsidenten Bruno Dorigatti statt. Beim Empfang der österreichischen Gäste und im Beisein des Präsidenten des Tiroler Landtages, Herwig van Staa, erinnerte der Landtagspräsident Roberto Bizzo an das letzte Treffen vom September 2015, anlässlich dessen eine Debatte zu Themen von gemeinsamen Interesse stattfand und der Wunsch geäußert wurde, sich über diese Frage zu konfrontieren, zumal “der Brenner nicht weiter eine Wunde Europas darstelle, sondern ein Ort der Begegnung sei.”
Das erste Thema, das sektorale Fahrverbot, wurde vom Präsidenten Herwig Van Staa kurz eingeführt; dazu erklärte er, dass Letzteres nicht zu den erhofften Ergebnissen hinsichtlich Verkehrsreduzierung geführt habe, auch wenn auf der anderen Seite die EU zum ersten Mal eine derartige Maßnahme akzeptiert hat. Was die Harmonisierung der einzelnen Maßnahmen betrifft, merkte er an, dass “niemand Italien verbiete, dieselben Mautgebühren wie Österreich einzuführen”; daraufhin schlug er vor, diesbezüglich Druck auf die nationalen Regierungen auszuüben. Hermann Kuenz (Vize-ÖVP-Klubsprecher) fügte hinzu, dass dieses Verbot eine Kompromisslösung darstelle und dass bis zur Fertigstellung des Brennerbasistunnels weitere Maßnahmen auf beiden Seiten des Brenner erforderlich seien. Er unterstrich zudem die Bedeutung einer Annahme der österreichischen Vorschläge von Seiten der EU. Rudi Federspiel (FPÖ) bezeichnete die Maßnahme hingegen als Plazebo und kritisierte in diesem Sinne die Tiroler Regierung. Er betonte, dass eine Erhöhung des Schwerverkehrs von 10 % kein Zeichen für eine Verbesserung der Luftqualität und folglich für eine größeren Rücksichtsnahme auf die Gesundheit der Bevölkerung sei; Hans Lindenberger (Impuls) sprach von einer “ungenügenden Maßnahme” und stellte das Ausmaß der Verkehrsverlagerung auf die Schiene in Frage, wobei er zu privaten Verhandlungen mit den Spediteuren riet, damit Letztere verstehen können, dass ein Fahrverbot letztendlich auch ihrer Branche zugute kommt. Abschließend betonte auch er, dass es notwendig sei, die Gesundheit zu schützen. Pius Leitner (Die Freiheitlichen) unterstrich den Mangel an detaillierten Maßnahmen, so auch Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), laut welchem gemeinsame Regeln zwischen Tirol und Südtirol nötig seien, um gegenüber Brüssel geschlossen zu handeln. Gerhard Reheis (SPÖ) erklärte sich mit dem Vorschlag, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, einverstanden: Einzeln zu handeln, führe nämlich zum Scheitern. Er fügte hinzu, dass Gigaliner nicht mehr auf Autobahnen fahren sollten und sprach sich für eine Zusammenarbeit bei der Fertigstellung des BBT aus. Schließlich bekräftigte er erneut die Notwendigkeit einer gemeinsamen Vorgangsweise. Der Präsident des Trentiner Landtages Bruno Dorigatti bedankte sich für die Einladung zur gemeinsamen Sitzung, wodurch der Wille zum Ausdruck kommt, die Beziehungen zwischen den Landtagen zu konsolidieren. Er wies auch auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Beschlüsse der gemeinsamen Sitzungen hin. Was die Gebühren anbelangt, handle e sich um eine komplexe Frage, die sich schlussendlich auf die Verbraucher auswirke; bezüglich der Geschwindigkeitsbegrenzungen gebe es unterschiedliche Sichtweisen – z.B. ziele man im Trentino auf die Beibehaltung der Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h ab – Gleiches gelte für die Errichtung neuer Autobahnen wie beispielsweise die “Valdastico”-Autobahn: gerade deswegen solle man darüber diskutieren, um zu gemeinsamen Lösungen zu gelangen. Laut Dieter Steger (SVP) habe man sich stark für eine Verbesserung der Luftqualität eingesetzt, aber man solle hier auch die Frage der Zuständigkeiten in diesem Bereich berücksichtigen, die im Fall von Südtirol beim italienischen Staat liegen. Der BBT wird Fortschritte ermöglichen, stets unter Berücksichtigung des Grundrechtes auf Mobilität. Alle Maßnahmen, welche die derzeitige Lage verbessern könnten, sollten unterstützt werden, darunter auch die Harmonisierung der Gebühren, allerdings halte er nicht viel vom Prohibitionismus. Auch der Landtagspräsident Roberto Bizzo sprach sich für eine gemeinsame Lösung aus und unterstrich die Zusammenhänge zwischen Verkehr, Luftverschmutzung und Qualität der Transportmittel: da heute immer mehr Länder am Güterverkehrs teilhaben, sind zunehmend Fahrzeuge schlechter Qualität und Fahrer mit schlechten Arbeitsverträgen unterwegs, was der Umwelt und den lokalen Unternehmen schadet, die folglich auch geschützt werden sollten. Riccardo Dello Sbarba (Grüne – Fraktion) begrüßte Dorigattis Anwesenheit in Vertretung des Trentino und ersuchte künftig auch die Fraktionssprecher des Trentiner Landtages zu diesen Sitzungen einzuladen. Er unterstrich, dass der BBT geeignete Strategien erfordere, um den Warenverkehr auf die Schiene zu verlagern, etwa durch Förderungen und Abschreckungsmaßnahmen. Es sei richtig, die wirtschaftliche Erholung anzustreben, jedoch nicht unter denselben Bedingungen wie in der Vergangenheit, sondern mit neuen politischen Ansätzen. Die politischen Maßnahmen des Landes Tirol stellen einen Bezugspunkt dar; schließlich sei für eine nachhaltige Entwicklung eine Vereinbarung mit der Wirtschaft erforderlich.
Andrea Haselwanter-Schneider (FRITZ) forderte eine verpflichtende Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und hob hervor, dass laut Daten die Verwendung der RoLa massiv zurückgegangen sei; der BBT habe nur dann Sinn, wenn seine Verwendung stark gefördert wird, wobei dadurch das Problem des privaten Verkehrs nicht gelöst werde; die Erneuerung des Fuhrparks der Unternehmen sollte gefördert werden.
Andere Themen der Sitzung:
Brennerbasistunnel
Landtgspräsident Bizzo leitete kurz den Tagesordnungspunkt ein. Die Abgeordneten Knoll, Lindenberger, Kuenz, Steger Leitner und Reheis sowie der Vizepräsident Widmann, und der Präsident Van Staa sprachen in ihren Stellungnahmen verschiedene damit verbundene Problempunkte an, etwa den Pkw-Verkehr und die öffentlichen Verkehrsmittel, direkte Bahnverbindungen und die Tatsache, dass mittlerweile der Bau des Brennerbasistunnels weit fortgeschritten sei.
Bioregion Tirol
Die Abgeordnete Kuenzer-Hochgruber unterstrich die Tatsache, dass der Trend zu regionalen Erzeugnissen im Steigen Begriffen sei und sogar die Bioprodukte überholt habe, weshalb vermehrt die Regionalität unterstützt werden müsse.
Derzeit sei die Zusammenarbeit zufriedenstellend, jedoch gebe es Verbesserungspotential, um die Möglichkeiten der Bioregion Tirol besser wahrzunehmen zu können. Dies sei jedoch nur durch eine zusätzliche und verstärkte Zusammenarbeit im gesamten Tiroler Raum möglich, was auch wünschenswert wäre.
Zusammenarbeit bei der Tourismuswerbung
Nach einer kurzen Einführung in das Thema wurden die wesentlichen Probleme angesprochen; bezüglich einer gemeinsamen und wirksamen Tourismuswerbung sollte man insbesondere nach der Schweiz blicken, die in diesem Bereich vorbildlich vorgeht, und ihrem Beispiel folgen.
Flüchtlingsproblematik
Der Trentiner Landtagspräsident Dorigatti wies diesbezüglich darauf hin, dass das Problem äußerst komplex und weitreichend sei, zumal Themen wie Arbeit, Ausbildung und Integration damit eng verknüpft seien. Derzeit gebe es im Trentino 1.400 Flüchtlinge, weshalb es notwendig sei, auch die Bürgermeister der einzelnen Gemeinden stärker in die Diskussion und bei der Suche nach gemeinsamen Lösungen der damit verbundenen Probleme miteinzubeziehen. Nur so könne man gute Lösungsansätze finden. Es wurde festgestellt, dass aufgrund des andauernden Notstandes unter der Bevölkerung nicht immer Konsens herrsche; daher sei es erforderlich, Problempunkte wie Arbeit und Schule anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Dabei handle es sich nicht um ein regionales, sondern vielmehr um ein globales Problem.
Die Abgeordneten Federspieler, Kuenz, Knoll, Reheis, Steger, Leitner und Dello Sbarba legten in ihren Wortmeldungen ihren Standpunkt zu diesem Thema dar. Unter anderem wies der Abgeordnete Knoll darauf hin, dass seit 1985 zwischen Österreich und Italien ein Staatsvertrag zu den Grenzkontrollen bestehe und dieser daher auch angewandt werden sollte. Weiters sprachen die Fraktionssprecher das Problem der Weiterreise der Flüchtlinge innerhalb Europa und des Datenaustausches an, wobei eine Grenzschließung für unannehmbar bzw. für unrealistisch gehalten wurde. Schwerpunkte des politischen Handels sollten der Erhalt des Friedens in Europa, die Integration und die Schaffung der diesbezüglich erforderlichen Rahmenbedingungen sein, wobei über Probleme nicht nur nachgedacht, sondern auch konkrete Maßnahmen zur Lösung derselben eingeführt und umgesetzt werden sollten.
Abschließend schlug der Landtagspräsident Bizzo vor, über die Möglichkeit nachzudenken, an der Brennergrenze ein Aufnahmezentrum in Zusammenarbeit mit allen drei Landesteilen zu gestalten und zu führen, um gemeinsam einen konkreten Beitrag zur Lösung dieses komplexen Problems zu leisten.