Sechs Entwürfe vorgelegt

Direkte Demokratie im Landtag

Montag, 23. Juli 2018 | 16:10 Uhr

Von: luk

Bozen – Im Landtag wurden heute die Gesetzentwürfe zur direkten Demokratie zur Behandlung vorgelegt.

Volksbegehren – Landesgesetzentwurf Nr. 140/17: „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“ (vorgelegt von Erwin Demichiel, Roberto Pompermaier, Maria Larcher, Franzjosef Roner, Andreas Riedl und Werner Steiner); Volksbegehren – Landesgesetzentwurf Nr. 141/17: „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung – verbesserte Version“ (vorgelegt von Maria Larcher, Erwin Demichiel, Pompermaier Roberto, Franzjosef Roner, Andreas Riedl und Werner Steiner); Landesgesetzentwurf Nr. 134/17: „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“ (vorgelegt von den Abg. Amhof, Foppa und Noggler); Landesgesetzentwurf Nr. 4/14: “Die einführende, abschaffende, beratende oder bestätigende Volksabstimmung, das Volksbegehren, Volksabstimmung über Großprojekte“ (vorgelegt vom Abg. Pöder); Landesgesetzentwurf Nr. 65/15: „Direkte Demokratie – Anregungsrechte, Befragungsrechte, Stimmrechte“ (vorgelegt von den Abg. Dello Sbarba, Köllensperger und Pöder); Landesgesetzentwurf Nr. 100/16: „Änderung des Landesgesetzes vom 18. November 2005, Nr. 11 ‚Volksbegehren und Volksabstimmung’“ (vorgelegt von den Abg. Leitner, Mair, Tinkhauser, Stocker S., Blaas und Oberhofer).

Magdalena Amhof (SVP), Vorsitzende des I. Gesetzgebungsausschusses, berichtete über den Entstehungsprozess des von der Arbeitsgruppe vorgelegten Gesetzentwurfs. Nachdem es bislang nicht gelungen war, einen Konsens zu finden, habe man sich entschieden, eine breite Bürgerbeteiligung zu starten, um einen von möglichst vielen mitgetragenen Entwurf vorzulegen. Es sei ein schwieriger Weg gewesen, es habe Widerstände gegeben, und er würde ohne die Initiative für Demokratie heute nicht vorliegen. Der Entwurf lege einen Schwerpunkt auf politische Bildung, und das sei ein großer Wunsch der am Entstehungsprozess beteiligten Bürger gewesen. Viele würden sich heute leicht instrumentalisieren lassen, weil sie es nicht gelernt hätten, miteinander zu diskutieren. Der Entwurf sehe mehrere Formen von Bürgerbeteiligung vor, von der Volksbefragung, an der auch 16-Jährige teilnehmen könnten, bis zur Volksabstimmung. Die Zahl der nötigen Unterschriften sei ungefähr dieselbe wie die nötigen Stimmen für ein Mandat. Man habe sich auf ein Quorum von 25 Prozent geeinigt. Vorgesehen sei auch eine beratende Befragung zu Entscheidungen der Landesregierung, ebenso eine italienweit neue Form der Beteiligung, den Bürgerrat, der nach geschichtetem Zufallsprinzip zusammengesetzt wird und über eine gestellte Frage berät. Schließlich werde ein Büro für Bürgerbeteiligung vorgesehen, das auch für eine breitgefächerte und neutrale Information sorgen solle. Zur Finanzierung von Volksinitiativen werde ein Euro pro Stimme vorgesehen.

Brigitte Foppa (Grüne) erläuterte die Änderungen im Gesetzentwurf Nr. 141 gegenüber den gleichlautenden Entwürfen Nr. 140 und 134. Der LGE 141 enthalte technische Änderungen zur Sammlung der Unterschriften, zur Arbeit des Bürgerrats und zum Beteiligungsquorum, das von 25 auf 15 Prozent gesenkt werde, was sie auch persönlich unterstütze. Die Entstehungsgeschichte der Gesetzentwürfe sei ein Novum für den Landtag gewesen. Die Bürgerbeteiligung habe zu beachtenswerten Resultaten geführt, mehr als der wesentlich teurere Konvent. Man habe viel Interesse geweckt, sei aber auch auf viel Widerstand gestoßen, weil hier Interessen berührt würden. Mit den vorliegenden Entwürfen werde die Demokratie in Südtirol wesentlich verbessert, es würden neue Formen der Bürgerbeteiligung geschaffen, auch zu Entscheidungen der Landesregierung. Die Angst, dass es zu oft zu einer Volksabstimmung komme, sei unbegründet; 8.000 Unterschriften bekommen man nicht einfach so. Die vergangenen Volksabstimmungen, wie jenes zum Flughafen, hätten gezeigt, dass die Bevölkerung sich informiere und mit dem Thema auseinandersetze. Landesgesetze könnten einer Volksabstimmung unterzogen werden, wenn sie im Landtag nicht mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurden – das zwinge die Mehrheit, sich für wichtige Gesetze Konsens zu suchen. Wichtig sei auch die korrekte Information vor der Abstimmung. LH Kompatscher habe 2013 neue Wege und einen neuen Stil versprochen, auch durch größere Einbindung des Landtags, aber das sei nicht geschehen, außer eben im I. Gesetzgebungsausschuss. Kompatscher habe in seinem Programm auch von direkter Demokratie gesprochen – die Menschen würden darauf warten, dass er nun zu seinem Wort stehe.

Andreas Pöder (BürgerUnion), Einbringer des Gesetzentwurfs 4/14, kritisierte, dass die Bürgerbeteiligung von den meisten nur vor den Wahlen versprochen werde, danach höre man nichts mehr. Die erste Volksabstimmung im Oktober 2009 habe wegen 6.000 Stimmen nicht das Quorum erreicht. Vorher habe LH Durnwalder ausdrücklich davor gewarnt. Sein Gesetzentwurf verzichte auf ein Quorum, das gebe es bei Wahlen auch nicht. Wer nicht hingehe, überlasse anderen die Entscheidung. Ein Quorum sei prinzipiell falsch, weil es die Stimmen aller, die nicht hingehen, automatisch zu Neinstimmen mache. Sein Entwurf sehe einen erleichterten Zugang zur Volksinitiative vor, Parteien sollten nicht das Exklusivrecht haben. Einige Themen wie das Wahlgesetz, die Steuern oder die Politikerbezüge seien bisher von Volksabstimmungen ausgeschlossen worden – das sei nicht richtig. In der Schweiz werde auch über solche Themen abgestimmt, auch wenn die Regierung dagegen sei. Auch über Regierungsentscheidungen solle man abstimmen können. Wenn man dafür gewisse Regeln aufstelle, dann dürfte die Regierungsarbeit dadurch nicht gelähmt werden. Eine Inflation von Volksabstimmungen sei nicht zu befürchten, dafür sei der Aufwand zu groß. Die bisherigen Volksabstimmungen seien nicht ermutigend gewesen. Beim ersten Mal sei das Flugplatzreferendum am Quorum gescheitert, beim zweiten Mal sei es nicht umgesetzt worden. Daher müsse die Materie neu geregelt werden.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) erläuterte den Gesetzentwurf Nr. 65/15, der von Grünen, 5 Sterne Bewegung und BürgerUnion vorgelegt wurde. Es sei jener Entwurf, der ursprünglich von 18.000 Bürgern vorgelegt worden war und bei der Volksabstimmung 2009 knapp nicht das Quorum erreicht hatte. Es sei sozusagen ein historisches Dokument, das den langen Weg bezeuge, den die direkte Demokratie hinter sich habe, mit sechs Volksinitiativen seit 1996, mit der Ablehnung des Schuler-Entwurfs und mit zwei Volksabstimmungen. Auch das derzeit geltende Gesetz aus dem Jahr 2005 sei eine Reaktion auf die Initiative von unten gewesen. Die Gelegenheit, die der Entwurf von Amhof, Foppa und Noggler biete, sei wertvoll. Zum ersten Mal würde die Politik damit nicht nur reagieren, sondern agieren. Es sei ein Kompromiss, aber das sei in der Politik der übliche Weg. Wenn dieser Entwurf scheitere, verliere die Politik Glaubwürdigkeit. Dieser Entwurf sei von 114.000 Bürger in der ersten Phase mitgetragen worden und von 117.000 in der zweiten. Ein Beteiligungsprozess, jener des Konvents, sei bereits gescheitert, und das würden sich die Bürger merken. Es wäre gefährlich, auch den zweiten scheitern zu lassen.

Ulli Mair (Freiheitliche) erläuterte den Gesetzentwurf Nr. 100/16. Dieser sei entstanden, als die Arbeiten im Gesetzgebungsausschuss noch nicht abgeschlossen waren. Das derzeit geltende Gesetz sei nicht anwendbar. Der Entwurf schlage daher ein Quorum von 15 Prozent vor. Die Hürde sei bereits durch die Unterschriftensammlung gegeben, die ein großer Aufwand sei. Man schlage so wenig Änderungen wie möglich vor, um einen Konsens zu finden – lieber den Spatz in der Hand… Zum Entwurf von Amhof und Kollegen gebe es leider noch keinen Konsens. Falls keiner in Sicht sei, könne man auf den Nr. 100/16 zurückgreifen.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) fand es nicht korrekt gegenüber jenen vielen, die am neuen Gesetzentwurf mitgearbeitet hätten, wenn man jetzt beim alten Gesetz bleiben würde. Sie plädierte dafür, dass 16-Jährige in allen Bereichen abstimmen können – im Entwurf sei dafür nur die Volksbefragung vorgesehen. Dies wäre eine wirksame Maßnahme gegen Politikverdrossenheit.  Atz Tammerle sprach sich auch für eine Unterschriftenhürde von 5.000 (statt 8.000) aus. Mit einem Beteiligungsquorum von 25 Prozent könne man einverstanden sei, man sei aber offen für andere Vorschläge. Die Bevölkerung müsse über alles abstimmen können, man dürfe nicht ganze Bereiche – wie etwa den ethnisch-kulturellen – ausnehmen. Auch über die Selbstbestimmung sollte eine Abstimmung möglich sein. Im Gesetzgebungsausschuss habe es eine konstruktive Zusammenarbeit gegeben, sie hoffe, das sei auch im Plenum möglich. Das Volk habe beim Flughafenreferendum ein klares Zeichen gesetzt, und das sollte auch bei anderen Themen möglich sein. Dazu habe es auch eine neutrale Informationsbroschüre gegeben, und das sollte das Modell sein, besonders gegenüber Jugendlichen, damit sie von der Politik nicht enttäuscht würden.

Hans Heiss (Grüne) bezeichnete sich nicht als geborenen Verfechter der direkten Demokratie, er habe Vertrauen in die repräsentative Demokratie. Dennoch sammle er immer wieder Unterschriften für Volksinitiativen, zuletzt in Brixen zum Hofgarten. Dort merke er, wie stark das Interesse der Bürger an Mitbestimmung sei. Dies sei ein beglückendes Element in diesem System, das derzeit bedroht sei. Heutige Demokratien hätten einen Hang zur Regierungslastigkeit, bei uns auch durch das Statut bedingt. LH Kompatscher werde sich 2013 nicht gedacht haben, dass er Durnwalder heute näher stehen würde. Auch auf Gemeindeebene sei das Gewicht in den letzten Jahren zugunsten der Exekutive verschoben worden. Der Trend zum Autoritären sei international – Putin, Erdogan, Trump – und er könne auch als Maskulinisierung der Demokratie gesehen werden. Dem könne man mehr parlamentarische und mehr direkte Demokratie entgegensetzen. Der Entwurf von Amhof, Foppa und Noggler sei im Dialog mit den Bürgern entstanden und bringe wesentliche Verbesserungen zum sog. Baumgartner-Gesetz. Es werde das Quorum gesenkt, und es werde auch möglich, der Regierung in bestimmtem Umfang dreinzureden. Wichtig sei auch der Bürgerrat, der eine belebende Funktion für die Demokratie haben könne. Besonders hob Heiss das Büro für politische Bildung vor, welche in Südtirol Nachholbedarf habe.

Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) bedauerte, dass die Bürgerbeteiligung von manchen als Bedrohung gesehen werde, während sie eine Bereicherung für die Demokratie sei. Die Bedrohung liege in der mangelnden Beteiligung, nicht in der direkten Demokratie. Diese sei eine sinnvolle Ergänzung. Er stehe zum freien Mandat, aber dieses ermögliche auch Entscheidungen, mit denen die Bürger nicht einverstanden seien, etwa zu den Politikerbezügen. Die Schweiz zeige, dass direkte Demokratie nicht wirtschaftsfeindlich sein müsse. Alle wüssten, was die italienische Regierung diesbezüglich vorhabe, und Südtirol sollte nicht das Schlusslicht sein. Der Entwurf Nr. 134 sei ein Kompromiss, ein Schritt in die richtige Richtung, der nicht verschlechtert werden dürfe. Ein Nullquorum, wie es in Italien bald eingeführt werde, sei natürlich besser, aber die 25 Prozent seien ein tragbarer Kompromiss, ebenso die Unterschriftenzahl und die Volksabstimmung über Gesetze, die vom Landtag nicht mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurden. Die Information wie vor dem Flughafenreferendum sollte der Standard sein. Der Entwurf Nr. 141 wäre die verbesserte Version, die verschiedene Erleichterungen im Sinne der Bürger enthalte. Man sollte vor der direkten Demokratie keine Angst haben. Wer gute Gesetze mache, habe nichts zu befürchten. Sollte der Entwurf 140 bzw. 134 verschlechtert oder abgelehnt werden, habe man bei der Landtagswahl schlechte Karten.

Bernhard Zimmerhofer (STF) verwies auf das Beispiel der Schweiz, wo auch grundlegende Entscheidungen, wie etwa ein Finanzabkommen mit dem Zentralstaat, von der Bevölkerung getroffen würden. Das von der STF vorangebrachte Referendum zur Selbstbestimmung sei von der etablierten Politik bekämpft worden. 60.000 hätten sich daran beteiligt, dreimal so viele, als die STF Stimmen habe. Weitere Highlights seien das Flughafenreferendum und der Konvent. Direkte Demokratie bedeute laut Schweizer Initiative Selbstbestimmung auf allen Ebenen. In der Schweiz werde auch über Themen abgestimmt, die bei uns als zu sensibel bezeichnet würden.

Arnold Schuler (SVP) erinnerte an seinen Gesetzentwurf zur direkten Demokratie, der nicht angenommen worden sei. Damit wollte er etwas sehr Bürgerfreundliches erreichen: Das Abstimmungen über konkrete Projekte, weniger über Gesetzestexte, die den Bürgern wenig geläufig seien. In dem Entwurf seien z.B. 4.000 Unterschriften für einen Bürgerantrag vorgesehen gewesen, die Unterschriften hätten auf digitalem Wege gesammelt werden können. Auch die Beteiligung der 16-Jährigen wäre eingeräumt worden. Sein Entwurf hätte für die Volksabstimmung eine höhere Unterschriftenhürde vorgesehen – aber mit digitalen Unterschriften -, dafür kein Quorum. Aber eine hohe Unterschriftenhürde sei nicht vermittelbar, das habe er gesehen. Leider habe man die Vorzüge jenes Entwurfs verkannt. Die Schweiz werde immer als Modell bezeichnet, aber laut mehreren Studien sei sie im Demokratieindex nicht weit oben. Ohne Eingriff des Verfassungsgerichts würde es dort in einigen Kantonen kein Frauenwahlrecht geben. Italiens Regierung wolle ein Nullquorum – wäre dies 1990 in Kraft gewesen, dann wäre die Jagd heute verboten.

Walter Blaas (Freiheitliche) kritisierte das Verhalten der Grünen bei der Abstimmung zur Brixner Seilbahn. Er kündigte einige Änderungsanträge zum Entwurf Nr. 140 vor und verwies auf den Entwurf der Freiheitlichen, der sich auf wesentliche Änderungen beschränke.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) kritisierte, dass man dieses Thema kurz vor Ende der Legislaturperiode aufgreife. Man hätte früher sagen müssen, wofür und wogegen man sei, heute seien alle am Wahlkampf orientiert. Die Grünen seien konsequent geblieben, wollten aber andere ausspielen, die 5 Sterne wollten sich profilieren, aber auch Teile der Mehrheit suchten durch authentische Interpretationen am Entwurf den Platz an der Sonne. Diese Sitzung sei der Auftakt des Wahlkampfs. Er selbst sei für mehr Bürgerbeteiligung, er habe letzthin Unterschriften gegen die Bozner Tram gesammelt und früher zur Umbenennung des Siegesplatzes. Das Referendum sei als ultima ratio wichtig, aber die Politik hätte eigentlich die Aufgabe, die Stimmung in der Bevölkerung zu verstehen und einen Konsens zu finden. Wenn sie diesen nicht erreiche, werde es auch jemand anderes nicht schaffen. Bei  vorliegendem Entwurf habe die Politik Mediatoren zu Hilfe gerufen anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen. Das Bürgerbeteiligungsprojekt Konvent sei gescheitert, und es sei nicht ersichtlich, dass andere Projekte erfolgreich sein müssten. Die Schweiz, das antieuropäischste Land Europas, sei kein gutes Beispiel. Er habe den Entwurf Nr. 65 mitgetragen, habe seine Unterschrift aber zurückgezogen, als einige Betreiber der Volksinitiative eine politische Liste gründen wollten.

Ulli Mair (F) wies auf die Bedeutung des neutralen Abstimmungshefts hin, das in den Entwürfen enthalten sei. Wichtig für eine neutrale Information wären auch freie Medien, aber man müsse sich fragen, ob Südtirol solche habe. Der Vorwurf, die direkte Demokratie berge die Gefahr der Demagogie, sei verfehlt – diese Gefahr bestehe auch so. Es könne nicht sein, dass das Volk in Frage gestellt werde, wenn z.B. sich manche Bevölkerungsteile für manche Themen mehr interessierten als andere. Beim Beteiligungsprozess zum Gesetzentwurf seien wahrscheinlich mehr Leute dabei gewesen, denen direkte Demokratie ein Anliegen sei – das sei eben Demokratie. Es wäre peinlich, wenn man das Ergebnis dieser Bürgerbeteiligung über Bord werfen würde. Heiss bezeichne manche Regierungen als “sanfte Diktaturen” und nenne dabei auch Österreich. Mair erinnerte daran, dass die FPÖ immer für direkte Demokratie gewesen sei. Merkel hingegen habe sich nicht als große Demokratin gezeigt, als sie mit ihrem Satz “Wir schaffen das“ die Grenzen geöffnet habe, ohne die Bevölkerung einzubeziehen. Das Volk sei das Subjekt der Demokratie, es sollte kein Thema geben, das von der Demokratie ausgeschlossen wird. Es wäre nicht korrekt, den mit der Bevölkerung erarbeiteten Entwurf abzuändern. Es wäre fatal, wenn er versenkt würde.

Stellungnahmen 

Am Nachmittag wurde die Generaldebatte zu den sechs Gesetzentwürfen zur direkten Demokratie (Nr. 140/17, 141/17, 134/17, 4/14, 65/15, 100/16) fortgesetzt.

Andreas Pöder (BürgerUnion) bat die SVP um eine klare, offizielle Stellungnahme den Gesetzentwürfen. Bisher habe man unterschiedliche Positionen gehört. Man habe den Eindruck, die SVP wolle sich “durchwursteln”. Sie sollte z.B. sagen, für welches Quorum sie sei. Eine Regierungspartei wolle möglichst freie Hand, das sei verständlich, aber durch mehr Mitsprache würden die Bürger zu Partnern. Nicht alle Bürger wollten übrigens alle fünf Minuten abstimmen.

Josef Noggler (SVP) warf Pöder vor, von der SVP nur deshalb eine klare Position zu fordern, um dagegenhalten zu können. In einer Sammelpartei seien aber unterschiedliche Positionen möglich. Die Erstellung des Entwurfs sei sehr arbeitsintensiv gewesen. Man habe einen Kompromiss gefunden, den einen gehe er zu weit den anderen zu wenig weit. Er selbst hätte es vorgezogen, am bestehenden Gesetz Verbesserungen vorzunehmen, aber er sei dennoch bereit gewesen, am neuen mitzuarbeiten. Atz Tammerle habe 20 Änderungsanträge angekündigt, die Freiheitlichen ebenso. Sie hätten bereits im Vorfeld mitarbeiten können. Wenn das Gesetz inhaltlich verändert werde, könne er es nicht mittragen.

Brigitte Foppa (Grüne) plädierte für den Entwurf in seiner derzeitigen Form. Ihre Fraktion habe nur eine technische Änderung vorgeschlagen. Sie wehrte sich gegen den Vorwurf Urzìs, die Grünen wollten sich mit diesem Thema in Szene setzen: Der Großteil der Arbeit an diesem Entwurf sei das Zuhören gewesen. Man habe die Vorschläge der Bürger angehört und in einen Gesetzestext gegossen. Ziel sei die Aufwertung der Politik, man wolle nicht direkte und repräsentative Demokratie gegeneinander ausspielen. Beide hätten positive Aspekte. Die repräsentative Demokratie biete Verhandlungsspielraum und könne festgefahrene Positionen vermeiden. Aber beide Formen würden die Demokratie stärken, indem sie sich ergänzten und korrigierten. Welche Bereiche sensibel und für die Abstimmung nicht zugelassen seien, darüber entscheide laut Entwurf eine Kommission. Der Vorwurf, heute würde Wahlkampf betrieben, sei nicht haltbar; eher habe man heute Abschiedsreden gehört, Reden zum Ende der Legislaturperiode.

Christian Tschurtschenthaler (SVP) wehrte sich gegen die Einschätzung, dass beim Konvent nichts herausgekommen sei. Es sei jedem freigestanden, hinzugehen, und das Ergebnis sei gut. Es werde nicht alle zufrieden stellen, da es ein Kompromiss sei, der nochmals mit Trient verhandelt werden müsse. Beim vorliegenden Entwurf zur direkten Demokratie gäbe es noch viel Klärungsbedarf, meinte Tschurtschenthaler. Beim Pustertaler Referendum habe man gesehen, dass viele kurz vor der Abstimmung nicht wussten worum es genau gegangen sei. Die Volksvertreter hingegen seien gewählt, um im Auftrag des Volks Entscheidungen zu treffen.

Christian Tommasini (PD) verwies auf die jüngsten Äußerungen von Davide Casaleggio, der das Parlament als Auslaufmodell bezeichnet habe – es könne durch digitale und direktdemokratische Prozesse ersetzt werden. Tommasini bezeichnete die repräsentative Demokratie als beste Regierungsform, aber sie müsse immer wieder angepasst werden, auch über Formen der Bürgerbeteiligung. Es gebe Themen, die nicht mit Ja oder Nein abgehandelt werden könnten. Ebenso sei die Sondersituation Südtirols zu berücksichtigen, das Zusammenleben der Sprachgruppen. Bestimmte sensible Themen sollten nicht mit den Instrumenten der direkten Demokratie behandelt werden, diese bräuchten Verhandlung und Konsens, man müsse dabei sogar auf die Zusammensetzung der entscheidenden Gremien achten. Er sei dafür, die direkte Demokratie zu stärken, aber man dürfe dadurch nicht bestimmte Prinzipien unserer Autonomie gefährden.

LH Arno Kompatscher warnte vor dem falschen Bild, wonach bei diesem Entwurf einige für und einige gegen die Bürger und gegen die Transparenz gearbeitet hätten. Er sei bei über 100 Bürgerversammlungen gewesen, um eben diesen neuen Kurs der Beteiligung zu leben. Vieles daraus sei in die Regierungsarbeit eingeflossen. Der Vorwurf, er sei von diesem Kurs abgekommen, sei daher unfair. Ebenso habe die Landesregierung die Bevölkerung über das Flughafenkonzept abstimmen lassen; sie habe das Ergebnis zur Kenntnis genommen und sofort den Ausstieg aus der Finanzierung beschlossen. Für jene, die in das Referendum mehr hinein interpretierten, sei das natürlich zu wenig. Man habe ihm auch den “Goldenen Lugnbeitl” verliehen und sich nie dafür entschuldigt. Kompatscher bat um mehr Sachlichkeit in der Diskussion. Ähnliches gelte für den Konvent. Es müsse nicht alles allen gefallen, man könne aber nicht alles als nichts abtun. Wenn man sich anschaue, wozu es im Konvent einen Konsens gegeben habe, so sei das Ergebnis deutlich: Man wolle die Fortsetzung des Weges der Autonomie. Ebenso sei die Arbeit am Gesetzentwurf zur direkten Demokratie als Prozess zu sehen, der aber nicht abgeschlossen sein müsse. Wenn der Landtag Änderungen vornehme, so könne man das nicht als Verrat am Volk hinstellen. Die SVP sei eine Sammelpartei, in der auch unterschiedliche Meinungen zugelassen seien – Pöder hingegen werde hoffentlich schnell mit sich selbst einig sein. Der Vorwurf, die einen seien demokratisch, die anderen nicht, sei zu unterlassen.

Auf Antrag von Oswald Schiefer wurden die Arbeiten für eine Beratung innerhalb der SVP-Fraktion unterbrochen und anschließend für eine Sitzung des Fraktionssprecherkollegiums. Die Plenarsitzung wird erst morgen wieder aufgenommen.

Bezirk: Bozen