Dekel-Chen, Horn und Trupanov (v.l.n.r.) kamen frei

Drei weitere Gaza-Geiseln freigelassen

Samstag, 15. Februar 2025 | 16:40 Uhr

Von: APA/dpa/AFP/Reuters

Nach einem Nervenkrieg um die Zukunft der Waffenruhe im Gazastreifen hat die islamistische Hamas am Samstag nun doch drei weitere israelische Geiseln freigelassen. In einer Fernseh-Liveübertragung war zu sehen, wie die Männer an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben wurden. Es handelte sich um Alexander (Sascha) Trufanov (29), Sagui Dekel-Chen (36) sowie Iair Horn (46). Im Gegenzug ließ Israel Hunderte inhaftierte Palästinenser auf freien Fuß setzen.

Tagelang hing Waffenruhe am seidenen Faden

Die Waffenruhe war tagelang am seidenen Faden gehangen, nachdem die Hamas eine Aussetzung der Geiselfreilassungen verkündet hatte. Israel verstoße gegen Vereinbarungen und behindere Hilfslieferungen, meinten die Islamisten. US-Präsident Donald Trump forderte daraufhin ultimativ die Freilassung gleich aller Geiseln bis Samstagmittag. Sonst breche “die Hölle los”, drohte er.

Eigentlich sollten die letzten der bisher noch 76 israelischen Geiseln erst in einer zweiten Phase freikommen, über die noch gar nicht verhandelt wird. Israel warnte, der Krieg werde noch härter fortgesetzt, falls die Geiseln nicht freikämen.

Männer wirkten weniger abgemagert als Geiseln der Vorwoche

Während der live im Fernsehen übertragenen Geiselübergabe wurden die drei Männer von vermummten und bewaffneten Kämpfern auf eine Bühne geführt und mussten dort auch in ein Mikrofon sprechen. Sie sahen auf den ersten Blick nicht so abgemagert aus, wie die in der Vorwoche freigelassenen, deutlich älteren Männer. Hunderte Schaulustige hatten sich für die Freilassung der Israelis versammelt. Zu sehen waren auch Hamas-Mitglieder, die in und auf einem zerstörten Gebäude Position bezogen.

Die Islamisten hatten bereits bei den vorherigen Geiselfreilassungen versucht, sich trotz aller Zerstörungen während des Gaza-Kriegs als unbesiegt und handlungsfähig zu präsentieren. Ein Kriegsziel Israels war und ist es, die Hamas komplett zu zerschlagen.

Eine Geisel wurde in Abwesenheit Vater

Unter den Freigelassenen ist Sagui Dekel-Chen, der am 7. Oktober 2023 versuchte, die in den Grenzort eingedrungenen Terroristen abzuwehren, wie sein Vater, Jonathan Dekel-Chen, der Deutschen Presse-Agentur im vergangenen Sommer erzählte.

Während seiner Geiselhaft wurde Dekel-Chen, der auch US-amerikanischer Staatsbürger ist, zum dritten Mal Vater. Nun kann er seine jüngste Tochter, inzwischen schon ein Jahr alt, endlich kennenlernen. In von der israelischen Regierung am Samstag veröffentlichten Aufnahmen sagte seine Frau Avital ihm unter Freudentränen, dass das Kleinkind Shahar Mazal heiße – auf Deutsch etwa “Glückliche Morgenröte”. “Das ist perfekt”, antwortete der 36-Jährige.

Frei kam auch Alexander (Sascha) Trufanov, der auch einen russischen Pass besitzt. Bei dem Terrorüberfall wurde sein Vater getötet. Der Islamische Jihad veröffentlichte mehrere Videos des 29-Jährigen, zuletzt kurz vor seiner Freilassung.

Iair Horn, der auch argentinischer Staatsbürger ist, wurde gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder aus dem Kibbutz Nir Oz entführt. Eitan Horn (38) steht nicht auf der Liste jener 33 Geiseln, die in der ersten Phase der Waffenruhe freigelassen werden sollen.

Geiseln wurden in Armeeeinrichtung gebracht

Wie bei den Freilassungen in den vergangenen Wochen wurden die drei zunächst in eine Armeeeinrichtung in Südisrael gebracht. Dort werden sie untersucht und treffen ihre Familien. Anschließen sollen die Männer in Krankenhäuser im Zentrum des Landes geflogen werden.

Freilassung Hunderter palästinensischer Gefangener

Israel entließ nach der Freilassung dreier israelischer Geiseln Hunderte palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Vier Busse mit Palästinensern seien im Gazastreifen angekommen, teilten Beamte dort mit. Zuvor hatte Berichten zufolge bereits ein Kleinbus mit acht Insassen Ramallah im Westjordanland erreicht. Die Wiedersehensfreude der Angehörigen und der ehemaligen Häftlinge in Ramallah war riesig, wie auf Aufnahmen zu sehen war.

Insgesamt kamen im Gegenzug für die drei israelischen Männer 369 inhaftierte Palästinenser frei – darunter 333 Personen, die im Gazastreifen nach dem 7. Oktober 2023 festgenommen wurden sowie 36 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilte Palästinenser aus dem Westjordanland und aus Ost-Jerusalem. Mehrere werden aufgrund ihrer schweren Straftaten im Rahmen des Abkommens ins Ausland gebracht.

Israelische Medien meldeten, Hunderte der freikommenden Palästinenser hätten auf Anordnung Israels langärmlige T-Shirts mit einem Davidstern und der arabischen Aufschrift “Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht” tragen müssen. Dies sei offenbar eine Reaktion auf die Inszenierungen der Islamisten rund um die Geiselfreilassungen im Gazastreifen, schrieb die Zeitung “Times of Israel”.

Hamas setzte bei Übergabe wieder Akzente

Wie bei vorherigen Freilassungen setzte die Hamas auch diesmal bei der Übergabe Akzente. Die drei Männer mussten zunächst in Khan Younis auf einer Bühne kurze Erklärungen vor einer Menschenmenge verlesen, bevor sie zu Fahrzeugen geleitet wurden, die sie nach Israel brachten. Wenig später wurden die im Austausch freigelassenen palästinensischen Gefangenen mit Bussen nach Khan Younis im Gazastreifen und Ramallah im besetzten Westjordanland gebracht.

Die freigelassenen Geiseln gehörten zu den 251 Menschen, die bei dem Hamas-Massaker in Israel am 07. Oktober 2023 verschleppt worden waren. Aktuell befinden sich noch 73 davon in der Gefangenschaft, wobei etwa die Hälfte von diesen von den israelischen Behörden inzwischen für tot erklärt wurden.

1.200 Tote am 7. Oktober 2023

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet. Der Überfall war der Auslöser des Kriegs in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 48.200 Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

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