Von: mk
Ist Brandon Briggs ein echter Prophet? Sieht man sich ein Youtube-Video an, das bereits im März veröffentlich wurde, könnte man zu dieser Überzeugung gelangen. Mit erstaunlich genauen Details sagte der Hersteller von Social Media-Inhalten den versuchten Mordanschlag auf Donald Trump am 16. Juli voraus.
Die Bilder gingen um die Welt: Mitten in einer Wahlkampfveranstaltung in der Kleinstadt Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania zuckt Trump plötzlich zusammen. Ein Streifschuss hat ihn am Ohr verletzt, weil ein Heckenschütze offensichtlich nach seinem Leben trachtete. Noch während Sicherheitsbeamte den Ex-Präsidenten umzingeln, reckt er sich nach vorne und ballt mit Blutspritzern im Gesicht triumphierend die Faust.
Die Bundespolizei FBI identifizierte den mutmaßlichen Schützen später als Thomas Matthew Crooks, einen 20-Jähriger aus Pennsylvania. Laut ABC News wurde der Attentäter 26 Sekunden nach seinem ersten Schuss selbst getötet. Ums Leben kam bei dem Anschlag auch der 50-jährige Feuerwehrmann Corey Comperatore.
Brandon Briggs behauptet nun, das Attentat bereits im Frühjahr Monate vor dem Ereignis vorausgesagt zu haben. In der Tat wurde ein Video am 14. März auf Youtube hochgeladen, indem der US-Amerikaner erzählt, „der Herr” habe ihm eine Prophezeiung geschenkt: „Ich hab einen Angriff auf sein Leben gesehen. Die Kugel flog an seinem Ohr vorbei. Und sie kam so nah an seinen Kopf, dass sie sein Trommelfell zerstörte.” Donald Trump sei auf die Knie gefallen und habe den Herrn angebetet. „Dann wurde er auf radikale Weise wiedergeboren“, so der christlich angehauchte Seher. Trump würde nach dem Anschlag zu seinem Glauben an Jesus finden. „Der Herr sagte mir, er sei noch nicht fertig mit Amerika. Eine neue Welle an Patriotismus wird über das Land kommen“, schwärmte der selbsternannte Prophet.
Düstere Prognose
Für ihn stand bereits im März fest, dass Trump nach diesem Anschlag die Präsidentschaftswahl im Herbst gewinnen werde. Auch die Gerichtsverfahren, die gegen ihn laufen, könnten eine Wiederwahl des 78-Jährigen nicht verhindern, erklärte Briggs im Video vom März, das nun viral wurde.
Doch damit enden sein Vorhersagen nicht: Briggs zufolge wird es Trump nicht leicht haben, sobald er ein zweites Mal Präsident der Vereinigten Staaten geworden ist. Stattdessen werde eine Wirtschaftskrise die USA heimsuchen, die selbst die Große Depression in den 1930-er Jahren in den Schatten stellt – ein erschreckendes Szenario, das in einer global vernetzten Welt wie heute wohl auch verheerende Auswirkungen auf Europa hätte. „Der Herr sagte, es würde eine dunkle Zeit kommen, die Erschütterung bringt, um die Menschen aufzurütteln“, erklärt Briggs in dem im März veröffentlichten Video.
In den Kommentaren unter den Videos von Brandon Briggs glauben nun viele an seine angeblichen hellseherischen Fähigkeiten. „Gott hat seine Engel geschickt”, schreibt ein User und dankt dem Youtuber.
Rückkehr der Verschwörungstheorien
Doch bevor man in Panik verfällt und alles für bare Münze nimmt, sollte man eines bedenken: Gerade nach dem versuchten Mordanschlag auf Trump haben Verschwörungstheorien erneut Hochkonjunktur.
Der Secret Service sah sich nach dem Anschlag mit massiver Kritik konfrontiert. Experten stellten sich etwa die Frage, wie der mit einem halbautomatischen Gewehr vom Typ AR-15 bewaffnete Täter unbemerkt auf das Fabrikdach gelangen konnte, von wo aus er die Schüsse auf Trump abfeuerte.
Das Gebäude lag offenbar außerhalb der vom Secret Service für Trumps Wahlkampfkundgebung eingerichteten Sicherheitszone. Trotzdem hatte man vom Dach freies Schussfeld auf die Redetribüne. Die Distanz betrug nur 135 Meter.
Für Menschen, die an Verschwörungsideologien glauben, handelt es sich bei dem Attentat um eine Inszenierung oder um eine göttliche Fügung. Andere Trump-Anhänger behaupteten wiederum, US-Präsident Joe Biden habe das Attentat persönlich angeordnet. Solche wilden Mutmaßungen waren von Trump zu Beginn des Wahlkampfs noch selbst befeuert worden, indem er sich als Opfer inszenierte, das von den Eliten verfolgt wird, weil er sich für die einfachen Bürger einsetzt. Nach seiner Niederlage gegen Joe Biden vor vier Jahren hatte er außerdem immer wieder bekräftigt, man habe ihm die Wahl gestohlen.
„Prophezeiungen“ unter der Lupe
Briggs veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Vorhersagen über die Zukunft auf seinem Youtube-Kanal „Last Days“. Seiner Ansicht nach stammen seine Prophezeiungen direkt von Gott. Doch nicht immer gibt es solch verblüffende Übereinstimmungen von Details. Auch im Video vom März trifft Briggs nicht völlig ins Schwarze. So hatte er vorausgesagt, Trumps Trommelfell werde platzen, doch der 78-Jährige wurde von der Kugel nur leicht am Ohr verletzt.
Wie RTL-Verifizierungsexperte Andreas Greuel erklärt, würden es sich selbsternannte Propheten und Wahrsager grundsätzlich sehr einfach machen und nur Allgemeinplätze von sich geben. „Zugegeben war die Aussage bezüglich Trumps versuchter Ermordung sehr nah an dem wirklich Passierten”, sagt Greuel. Doch auch dafür gibt es eine Erklärung: Attentate auf Politiker und Präsidenten – so traurig sie auch sein mögen – seien zeitgeschichtlich keine Seltenheit. „Allein in den USA gab es vier Ermordungen von Präsidenten – allesamt mit Schusswaffe – und viele weitere Versuche.”
Der RTL-Verifizierungsexperte lädt außerdem zu einem Gedankenspiel ein. „Wie würden wir einen Arzt bewerten, der nur jede 50. Operation erfolgreich bewältigt und nun nur einen Bruch erfolgreich richtet?”, fragt Greuel.
Trotz berechtigter Zweifel an Briggs tut das der Popularität von Trump, die er derzeit genießt, keinen Abbruch. Für viele US-Amerikaner ist er der Held der Stunde. Wie es stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz treffend formulierte, habe „Instinkt-Politiker Trump“ diesen Moment „maximal für sich ausgenutzt“, indem er die Faust erhoben hat. Dass er das Attentat so knapp überlebt hat, wirkt auf viele – vor allem religiöse – US-Amerikaner fast wie ein Wunder. Dieser Eindruck könnte durchaus Einfluss auf die Entscheidung an der Wahlurne im Herbst haben.