Von: luk
Bozen – Bei der Septembersitzung des Regionalrats ging es heute auch über die Frage der Übertragung weiterer Befugnisse von der Region an die Provinzen.
Präsident Josef Noggler teilte zu Beginn der Sitzung mit, dass der Abg. Ugo Rossi sich der Fraktion Unione per il Trentino (UPT) angeschlossen hat.
Beschlussfassungsvorschlag Nr. 18: Abgabe des Gutachtens im Sinne des Artikels 103 Absatz 3 des Sonderstatutes für Trentino-Südtirol zum Verfassungsgesetzentwurf Akt des Senats Nr. 29/XVIII betreffend Änderungen an den Statuten der Regionen mit Sonderautonomie betreffend das Verfahren zur Abänderung der Statuten”, eingebracht von den Senatoren Durnwalder, Steger und Unterberger. Mit genanntem Verfassungsgesetzentwurf soll für die Änderung des Autonomiestatuts das Einvernehmen als Voraussetzung eingeführt werden.
Nachdem Denis Paoli (Lega Salvini Trentino) den Bericht der Gesetzgebungskommission verlesen hatte, die sich mit 11 Ja, 1 Nein und 1 Enthaltung für den Beschlussfassungsvorschlag ausgesprochen hatte, wurde die Debatte von Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) eröffnet, der auf die Definition von “Einvernehmen” im Wörterbuch “Treccani” verwies, das von einem Abkommen zwischen zwei oder mehreren Personen oder Körperschaften spreche. Der Verfassungsgesetzentwurf ziele hingegen auf ein Veto ab. Im Unterschied zum heute vorgesehenen Verfahren würde es zudem genügen, wenn auch nur ein Landtag sein Veto ausspreche, um das Ganze zu blockieren. Das Dreieck Region-Provinzen zerfalle damit. Urzì schlug ein Treffen der Fraktionsvorsitzenden oder auch nur der Oppositionsvertreter vor, um Änderungen am Vorschlag zu formulieren.
Giorgio Tonini (PD) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an. Er bedauere aber, dass man spät dran sei, denn dieser Gesetzentwurf werde in Rom aus Zeitgründen kaum eine Chance haben. Das Einvernehmen sei ein gesundes Prinzip, um Änderungen am Statut anzugehen. Das Hauptsubjekt des Statuts sei die Region, die ihrerseits aus den beiden autonomen Provinzen bestehe. Um eine Reform voranzubringen, brauche es also auch das Einvernehmen innerhalb der Region, zwischen den beiden Provinzen. Um ein Veto zu erheben, brauche es eine Zweidrittelmehrheit. Der Entwurf gehe auch nicht auf die Möglichkeit ein, dass das Parlament trotz Veto weitergehe, eventuell mit qualifizierter Mehrheit.
Die Einvernehmensklausel sollte die Voraussetzung sein für alle anderen Änderungen am Statut, meinte Paul Köllensperger (Team K). Es sei richtig, dass bereits ein Landtag allein ein Veto einlegen könne. Leider sei der Entwurf wieder ein SVP-Alleingang, der In Rom gerade deswegen ins Abseits geraten werde. Man sollte sich einmal überlegen, einen gemeinsam mitgetragenen Entwurf vorzulegen.
Ugo Rossi (Unione per il Trentino) kündigte seine Zustimmung an, kritisierte aber, dass man sich mit dem Gutachten so lange Zeit gelassen habe. Die Verantwortung dafür liege bei der Mehrheit im Regionalrat, die sich nicht auf eine gemeinsame Position habe einigen können. Für eine Änderung des Statuts müsse man sich auf jeden Fall einigen. In dieser Legislatur habe man kein positives Bild von der Autonomie abgegeben, jeder bleibe bei seinen eigenen Vorstellungen. Das erkenne man auch an den unterschiedlichen Positionen zur Investitionsbank oder zur A22. Der Gesetzentwurf sei ausgewogen: Jede der drei Institutionen, Region wie Provinzen, hätten ein Vetorecht, niemand könne übergangen werden.
Alex Marini (Movimento 5 Stelle) sah noch Chancen für den Gesetzentwurf, denn die römische Legislatur werde noch bis 2023 andauern. Der Inhalt des Entwurfs sei in den Kommissionen des Parlaments bereits besprochen worden und hätten dort einhellige Zustimmung gefunden. Es wäre opportun gewesen, wenn man dem heutigen Gutachten auch Bemerkungen und Empfehlungen anfügen könnte. Man hätte, um das Verfahren einfacher zu gestalten, ein einziges Gutachten durch den Regionalrat vorsehen können, über das aber getrennt nach Provinzen abgestimmt wird wie beim Haushalt der Region. Die Frist von drei Monaten für die Gutachten sei zu kurz, es könne vieles dazwischenkommen, auch Wahlen. Die vorgesehene Zweidrittelmehrheit sei nicht nachvollziehbar, da die Abgeordneten in Südtirol und im Trentino nach unterschiedlichen Wahlsystemen gewählt würden. Dem Gesetzentwurf fehle auch die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung, des Referendums.
Giorgio Leonardi, Vizepräsident der Regionalregierung, gab in deren Namen eine positive Empfehlung zum Beschlussvorschlag ab.
Alessandro Urzì sah in seiner Stimmabgabeerklärung einige neuen Elemente in der Debatte, z.B. in der Meinung Toninis, dass das Parlament trotz Veto an einer eventuellen Reform weiterarbeiten könne. Es sei auch unwahrscheinlich, dass der Staat sich entmachten lasse. Der Gesetzentwurf werde es wahrscheinlich aus Zeitgründen nicht schaffen, aber die Debatte darüber im Parlament würde interessant sein, denn er betreffe das Verhältnis zwischen Staat und Autonomien. Fratelli d’Italia sei für ein Einvernehmen, aber nicht für eine Beschneidung der Souveränität des Staates über einen Teil seines Gebietes.
Alex Marini bedauerte, dass niemand, auch nicht während der Arbeiten der Gesetzgebungskommission, auf seine Vorschläge eingegangen sei, z.B. zur Bürgerbeteiligung. Der Gesetzentwurf wolle das Prinzip des Einvernehmens einführen, enthalte aber keine Bestimmung, um sie genauer zu regeln. Er habe anfangs Enthaltung angekündigt, werde nun aber gegen den Vorschlag stimmen.
Der Beschlussfassungsvorschlag wurde mit 51 Ja und vier Nein angenommen.
Beschlussfassungsvorschlag Nr. 19: Abgabe des Gutachtens im Sinne des Artikels 103 Absatz 3 des Sonderstatutes für Trentino-Südtirol zum Verfassungsgesetzentwurf Akt des Senats Nr. 35/XVIII betreffend “Änderungen am Sonderstatut der Region Trentino-Südtirol betreffend die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Region und der Autonomen Provinzen Trient und Bozen”, eingebracht von den Senatoren Durnwalder, Steger und Unterberger. Der Entwurf sieht eine Stärkung der beiden Provinzen vor, durch Übertragung von Zuständigkeiten und Umwandlung von sekundären in primäre Zuständigkeiten. Die 1. Gesetzgebungskommission, von deren Arbeiten Denis Paoli berichtete, hatte zum Beschlussfassungsvorschlag mit sieben Ja, zwei Nein und drei Enthaltungen ein positives Gutachten abgegeben.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) sah in dem Verfassungsgesetzentwurf fast schon die Selbstbestimmung. Sämtliche Zuständigkeiten der Region würden an die beiden Provinzen übertragen. Die Region würde zur leeren Schachtel, die nur mehr Diäten auszahlen würde. Mit der vorgeschlagenen Änderung würde die Sanität vollends auf die Provinzen übergehen, die Regelung der Ortspolizei, die Toponomastik der Gemeindenamen u.a. Die Landesregierungen könnten staatliche Normen anfechten, ohne die Landtage zu fragen. All das bedeute, dass man die Provinz Bozen vollständig in die Hände einer Partei lege.
Paul Köllensperger (Team K) wies darauf hin, dass der Gesetzentwurf eine abgeschwächte Version des Gesetzentwurfs Nr. 43 von 2018 sei. Er sei für eine Umwandlung in primäre Befugnisse, aber es gebe Schwachstellen, daher werde man sich enthalten. Köllensperger kritisierte auch, dass die Landesregierung ohne Landtagsbeschluss Staatsgesetze anfechten könne.
Alex Marini (Movimento 5 Stelle) vermisste im Gesetzentwurf jegliche Begründung für die Übertragung der Zuständigkeiten auf die Provinzen. Es bräuchte für jede Kompetenz eine Begründung, warum sie bei den Provinzen besser aufgehoben wäre. Es könnte ja sein, dass bestimmte Dinge von den Provinzen besser gehandhabt würden, aber das sei von Fall zu Fall zu diskutieren. Wenn man Gesetze mache, müsse man den Bürgern auch ihren Sinn erklären.
Ugo Rossi (UPT) hätte dem Vorschlag gern zugestimmt, da er in die richtige Richtung ziele. Was ihn aber mehr zur Enthaltung bewege, sei die Vorgangsweise, die lange Zeit, die man habe verstreichen lassen, das Zögern der Trentiner Mehrheit. Man frage sich, was in der Zwischenzeit passiert sei, dass die Trentiner nun zustimmen wollten. Marini habe Begründungen verlangt, aber diese liefere die Politik schon lange nicht mehr, nicht nur hierzulande; man konzentriere sich mehr auf Fotos in sozialen Netzwerken, um Konsens zu erhaschen.
Diese Debatte rieche nach Propaganda, meinte Giorgio Tonini (PD). Man stimme heute über einen Vorschlag ab, der aus Zeitgründen in Rom keine Chance haben werde. Niemand glaube an diese Propaganda, weder die Lega noch die SVP. Auch bei Renzis Verfassungsreform habe man das Problem der zwischen Staat und Regionen konkurrierenden Zuständigkeiten lösen wollen. Dazu sei es nicht gekommen, und auch hier werde nichts passieren, weil die Zeit zu knapp sei. Das sei nur Propaganda und schlechte Politik. Er werde sich der Stimme enthalten.
Giorgio Leonardi, Vizepräsident der Regionalregierung, gab in deren Namen eine positive Empfehlung zum Beschlussvorschlag ab.
Alessandro Urzì stellte fest, dass die Regionalregierung nichts sagen wolle, nicht einmal zu einem Dokument, welches sie abschaffen wolle. Wenn sie der Meinung sei, dass die Region unnütz sei, sollte sie zurücktreten. Seine Fraktion sehe die Region nicht als überflüssig und werde gegen diesen Vorschlag stimmen.
Ugo Rossi bedauerte wie Urzì, dass es keine Debatte zum Thema gebe. Inhaltlich gehe der Gesetzentwurf in die richtige Richtung, aber es sei bedenklich, dass die Mehrheit keine Begründungen liefere. Man frage sich, warum die Trentiner Mehrheit nun zustimme, während sie sich bisher dagegengestellt habe.
Die Sitzung wurde wie vorgesehen um 13.00 Uhr geschlossen. Die Debatte wird in der Oktober-Sitzung fortgesetzt.