Von: apa
Die Tiroler Festspiele Erl sind Donnerstagabend zum nunmehr 26. Mal eröffnet worden – diesmal mit Appellen für “Veränderung” angesichts eines georteten Rechtsrucks und einer ebenso ausgemachten “bedrohten Demokratie”. Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner warnte vor einer “Festung Europa” und plädierte für eine pragmatische Wirtschaftspolitik. Musikalisch untermalt wurde die Eröffnung mit Werken etwa von Samuel Barber und Gustav Mahler.
“Der Kopf ist rund, damit Gedanken die Richtung ändern können”, so Haselsteiner zu Beginn des Eröffnungskonzerts. Veränderung wünschte sich der Strabag-Gründer im Sinne eines “Verbessern”. Nötig sei das angesichts der jüngsten und erwarteten Wahlergebnisse, die “Rechten und Rechtsextremen” Erfolge beschert hatten. Bei selbigen – von der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni abwärts – ortete der Präsident eine “menschenverachtende und wohlstandsgefährdende Migrationspolitik”. Die Erzählung einer “Festung Europa”, mit der man offenbar gepunktet hatte, sei gefährlich.
Europa verliere wirtschaftlich gegenüber der Konkurrenz “dramatisch” an Boden, warnte der 80-Jährige. Dem Kontinent drohe eine Überalterung. Angesichts eines sehr geringen Durchschnittsalters in Herkunftsländern wie Syrien oder Afghanistan plädierte der Festspielpräsident für eine “verjüngende Zuwanderung” – allerdings organisiert und langfristig geplant. Gleichzeitig gelte es, die Produktivität innerhalb Europas zu steigern. Work-Life-Balance sei zwar ein “wunderbares Konzept”, jedoch gelte vielmehr: “Wir müssen mehr arbeiten”, ansonsten drohe Wohlstandsverlust, warnte der frühere NEOS-Unterstützer und Ex-Nationalratsabgeordnete des Liberalen Forums.
Gleichzeitig mahnte Haselsteiner eine pragmatische Wirtschaftspolitik und Wiederaufnahme der Beziehungen zu Russland nach Beendigung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ein. Fossile Energien seien zwischenzeitlich noch zu wichtig, um diesbezügliche Ressourcen Russlands zu ignorieren. “Wir müssen den neuen Eisernen Vorhang niederreißen, auch wenn uns ein Monster entgegenblickt”, sagte Haselsteiner. Geschäfte mit “Putin und seine Entourage” seien zwar aktuell illusorisch, jedoch müsse man die jüngere Generation Russlands im Blick haben: “Diese verdient die Unterstützung des Westens”.
Indes richtete Haselsteiner dankende Worte an den scheidenden Intendanten Bernd Loebe. Dieser habe die Festspiele “durch schwierige Zeiten ruhig gelenkt” und den Besuchern mit “einmaligen Erlebnissen Zuversicht geschenkt”. Loebe wird im September in seiner Rolle von Startenor Jonas Kaufmann abgelöst. “Veränderung” betreffe auch ihn selbst, schloss Haselsteiner – um eine nicht spezifizierte neue Gestaltung der künftigen Eröffnungszeremonien anzudeuten.
Landeshauptmann und Kulturreferent Anton Mattle (ÖVP) nutzte seine Eröffnungsrede indes, um vor “Gefahren von allen Seiten” für die Demokratie zu warnen. Weltweit sei eine echte Demokratie ohnehin eine Rarität, rechnete der Tiroler Landeschef vor. Angelehnt an ein Zitat von Ernest Hemingway mahnte Mattle, man dürfe sich “der Beziehung zur Demokratie nicht zu sicher sein”. Diese sei “keine Selbstverständlichkeit”. Die EU habe sich als Friedensprojekt bewährt. Europa erlebe einen “bis vor kurzem undenkbaren Rechtsruck”, gleichzeitig werde in den USA die Gewaltenteilung in Frage gestellt und Krieg und Elend seien nahe gerückt. Angesichts dessen gelte es, sich “des Bodens unter den Füßen bewusst zu werden” und aus der “Geschichte zu lernen”, so Mattle vor den Festgästen, darunter etwa Altlandeshauptmann Wendelin Weingartner (ÖVP).
Wie den Reden folgend präsentierten sich daraufhin die musikalischen Darbietungen des Abends. Das Festspielorchester präsentierte in wechselnder Besetzung eine Auswahl von Werken verschiedener Komponisten, jeweils passend zum Anlass. Durchaus monumental und angesichts der vorangehenden Worte fast einem Abgesang ähnelnd, machte das sich langsam steigernde Adagio aus dem Streichquartett op. 11 von Samuel Barber – adaptiert fürs Streichorchester – den Beginn. Monumental sollte es auch weitergehen: “Finlandia” von Jean Sibelius ließ jedoch auch Aufbruch versprechende Töne anklingen. Mit ausgewählten Liedern aus “Des Knaben Wunderhorn” von Gustav Mahler stand dann auch ein kurzer Ausflug in die deutsche Romantik an, ehe die Vertonung von Goethes Ballade “Die erste Walpurgisnacht” von Felix Mendelssohn Bartholdy als Hauptwerk wort- und stimmgewaltig den Schlusspunkt setzte.
Die Tiroler Festspiele Erl setzen im Sommer 2024 in der letzten Intendanz-Spielzeit von Bernd Loebe stark auf die “Ring”-Opern von Richard Wagner. Am Programm stehen etwa “Das Rheingold”, “Die Walküre” und “Götterdämmerung”, die wie im Vorjahr in der Regie von Brigitte Fassbaender auf die Bühne gebracht werden. Neben den Wagner-Opern – auch der “Siegfried” wird 2024 wieder gegeben – mit denen Erl wohl weiterhin an seinem Wagner-Standing arbeiten will, steht “Mazeppa” von Peter I. Tschaikowski auf dem Spielplan. Daneben sei ein “buntes Programm” geplant, hieß es.
(S E R V I C E – https://www.tiroler-festspiele.at/)