Brandbekämpfung nach Reketenangriff auf Ashkelon

Erneut Raketenalarm in Israel

Samstag, 07. Oktober 2023 | 20:31 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Nach dem Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel hat es im Großraum Tel Aviv und anderen Städten des Landes am Samstagabend erneut Raketenalarm gegeben. Bei den neuerlichen Angriffen wurden mehrere Menschen verletzt. Zahlreiche Explosionen waren über der Küstenmetropole zu hören, die vermutlich durch das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome ausgelöst wurden. Zuvor heulten in mehreren Städten des Landes die Warnsirenen.

Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas teilte am Abend mit, es seien 150 Raketen auf Israel abgeschossen worden. Grund sei, dass Israel ein Wohnhaus im Gazastreifen attackiert habe. Die israelische Luftwaffe beschoss als Reaktion auf den Angriff Ziele der Hamas im Gazastreifen. Israels Armee griff die zwei mehrstöckigen Gebäude eigenen Angaben nach an, weil diese von hochrangigen Hamas-Mitgliedern für terroristische Aktivitäten genutzt worden seien. “Die Terrororganisation Hamas platziert ihre militärischen Mittel bewusst im Herzen der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.” Die Armee habe die Bewohner zuvor zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert.

Am Abend dauerten die Kampfhandlungen an fast zwei Dutzend Orten an. “Wir kämpfen an 22 Orten”, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Samstag. Es gebe keine Gemeinde im Süden Israels, in der keine Streitkräfte seien. “Es gibt Gemeinden, die von Terroristen befreit wurden, aber wir möchten das Gebiet weiter durchsuchen, bevor wir dies bekannt geben”, sagte Hagari weiter.

In den Orten Ofakim und Beeri sei es zu Geiselnahmen gekommen. “Dort sind Spezialeinheiten mit hochrangigen Kommandeuren im Einsatz und es kommt zu scharfen Feuergefechten”, sagte Hagari. “Wir befinden uns im Krieg.” In allen Gebieten seien Straßensperren errichtet worden.

Hagari warnte darüber hinaus vor vielen Falschmeldungen. “Es hieß, Nimrod Aloni (ein Spitzengeneral) sei entführt worden, das stimmt nicht. Sie sagten, Avi Rosenfeld (Kommandeur der Gaza-Division) sei entführt worden, das stimmt nicht.” Ziel sei es nun, “dass alle Terroristen getötet werden und dass alle Gemeinden von Terroristen befreit werden”. Bis dahin sollen sich die Bewohner in der Nähe des Gazastreifens weiter in ihren Häusern einschließen.

Nach Angaben der Hamas sollen “Dutzende Soldaten” in den Gazastreifen verschleppt worden sein. Die Soldaten, darunter auch Offiziere, würden im Gazastreifen an “sicheren Orten” festgehalten, teilte am Samstag ein Sprecher des militärischen Arms der Hamas mit.

Bisher sind bei den Angriffen auf Israel mindestens 200 Menschen getötet worden. Mehr als 1.100 weitere seien verletzt worden, hieß es am Samstagabend aus medizinischen Kreisen. Zuvor hatten mehrere israelische Medien über die seit dem Nachmittag erneut gestiegene Zahl der Opfer berichtet. Bei israelischen Gegenangriffen im Gazastreifen wurden bisher 232 Menschen getötet und knapp 1.700 verletzt. Das teilte das Gesundheitsministerium im Gazastreifen am Samstag mit.

Nach massiven Angriffen aus dem palästinensischen Gazastreifen auf Israel hatte die israelische Armee am Samstag erklärt, sich im “Kriegsmodus” zu befinden. Das Militär reagierte damit auf Überraschungsangriffe militanter Palästinenser mit Hunderten von Raketen sowie das Eindringen bewaffneter Kämpfer aus dem Gazastreifen nach Israel.

Die Hamas hatte nach den massiven Raketenangriffen den Beginn einer Militäroperation gegen Israel erklärt. “Wir sind im Krieg und wir werden gewinnen”, erklärte daraufhin Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in einer Videobotschaft. “Unser Feind wird einen Preis bezahlen, wie er ihn noch niemals kennengelernt hat.”

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant sagte: “Die Hamas hat heute früh einen schweren Fehler begangen und einen Krieg gegen den Staat Israel begonnen.” Israelische Soldaten kämpften “an allen Stellen, an denen eingedrungen wurde”. Er rief die Bürger dazu auf, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten und ordnete eine “umfassende Mobilisierung von Reservisten” an.

Man habe beschlossen, israelischen “Verbrechen” ein Ende zu setzen, sagte der Hamas-Militärchef Mohammed Deif. Israel konterte mit Gegenangriffen. Dutzende Kampfjets hätten Ziele im Gazastreifen angegriffen, teilte die Armee mit. Es seien 17 Militäranlagen und vier Kommandozentren der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas angegriffen worden. Die Palästinenser-Miliz Islamischer Jihad ist nach eigenen Angaben mit Kämpfern an dem Hamas-Angriff auf Ziele in Israel beteiligt.

In verschiedenen Städten Israels hatten die Warnsirenen geheult, wie die Armee mitteilte. Auch in Tel Aviv war Raketenalarm zu hören gewesen. Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, in geschützten Bereichen zu bleiben. Israel feiert gerade das jüdische Fest Simchat Tora (Freude der Tora).

Israelische Medien berichteten, dass Bewaffnete in der südisraelischen Stadt Sderot das Feuer auf Passanten eröffnet hätten. In mehreren Städten im Süden Israels habe es Feuergefechte zwischen palästinensischen Angreifern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. Dabei wurde der Präsident des Regionalrats der israelischen Grenzorte nordöstlich des Gazastreifens getötet. Ofir Liebstein sei “bei einem Schusswechsel mit Terroristen” getötet worden, teilte der Regionalrat von Shaar Negev mit.

Der massive Angriff aus dem Gazastreifen kam unerwartet. Die Lage besonders im besetzten Westjordanland hatte sich allerdings zuletzt wieder zugespitzt. Seit Donnerstag waren dort vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der Armee getötet worden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

An der Gaza-Grenze war es im vergangenen Monat mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Posten der im Gazastreifen herrschenden militanten Palästinenser-Organisation Hamas an.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UNO-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

Die bewaffneten Palästinenser drangen nach israelischen Armeeangaben am Samstag über Land, See und Luft nach Israel ein. Der israelische Armeesprecher Richard Hecht sagte Journalisten, es gebe Kämpfe mit israelischen Soldaten an verschiedenen Orten im Umkreis des Gazastreifens. Darunter seien zwei Militärbasen, der Eretz-Übergang zum Gazastreifen sowie mehrere Ortschaften. Hecht sagte, Israel habe als Reaktion auf die massiven Angriffe aus dem Palästinensergebiet die Operation “Eiserne Schwerter” gestartet. Die Armee sei dabei, Tausende von Reservisten zu mobilisieren.

Angesichts der Gewalteskalation soll der Weltsicherheitsrat in New York zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen soll am Sonntag um 21.00 Uhr MESZ hinter verschlossenen Türen tagen, nachdem unter anderem Malta ein Treffen beantragt hatte. Das bestätigte die UNO am Samstag.