Schallenberg im Gespräch mit Borrell und Kuleba

EU-Außenminister tagten in Kiew

Montag, 02. Oktober 2023 | 18:01 Uhr

Von: apa

Die EU-Außenminister haben am Montag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein außerordentliches, informelles Ratstreffen abgehalten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete die Zusammenkunft als “historisch”. Für Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und seine Kollegen ging es dabei vor allem um ein “starkes Signal der Solidarität” mit der Ukraine, die sich seit Februar 2022 gegen den Angriffskrieg Russlands wehrt.

Borrell hatte das Treffen vor knapp zwei Wochen angekündigt, aus Sicherheitsgründen aber kein genaues Datum genannt. Es handelte sich um das erste Mal, dass ein Außenministerrat nicht in der EU, sondern in einem Dritt- und Beitrittsland stattfand.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Rat mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba verurteilte Borrell einmal mehr die “brutale und inhumane” Aggression des russischen Machthabers Wladimir Putin, der in Form der Blockade des Schwarzen Meeres für ukrainische Getreideschiffe auch “die verwundbarsten Menschen in Afrika und Asien ins Visier nimmt”. Zugleich betonte er die andauernde Unterstützung der EU “in allen Dimensionen”.

Dem Außenbeauftragten zufolge erörterten die Minister in Kiew seinen Vorschlag, der Ukraine längerfristige Finanzierungszusagen für Militärhilfe zu machen und mit EU-Geld auch die Lieferung moderner Kampfjets und Raketen zu unterstützen. Borrell strebt an, zwischen 2024 und Ende 2027 jährlich fünf Milliarden Euro dafür zu mobilisieren. Beschlüsse wurden allerdings nicht gefällt und waren auch nicht zu erwarten, zumal es sich um ein informelles Treffen handelte. Eine Einigung zu seinem Plan erhofft sich Borrell noch im heurigen Jahr.

“Wir werden weiter ukrainische Soldaten ausbilden”, betonte der Spanier. In den kommenden Monaten soll demnach eine Gesamtzahl von 40.000 Soldaten erreicht sein, die seit Kriegsbeginn in der EU ausgebildet wurden.

Noch vor dem Treffen gedachten die Außenminister an der “Mauer der Erinnerung” den ukrainischen Kriegsopfern. Das Denkmal war bereits errichtet worden, nachdem Russland im Jahr 2014 die Schwarzmeer-Halbinsel Krim von der Ukraine annektiert hatte und im östlichen Donbass pro-russische Separatisten mit Unterstützung Moskaus einen Kampf zur Loslösung von der Ukraine begonnen hatten.

Die Eröffnung des informellen Ratstreffens nahm Präsident Selenskyj vor, der sodann weitere Sanktionen gegen Russland forderte. Die aktuell starken russischen Luftangriffe seien ein Beleg dafür, dass die bisher von Europa erlassenen Strafmaßnahmen noch nicht ausreichend seien, sagte Selensykj laut dpa weiter. Jegliche Lieferungen, die Russland eine Steigerung der eigenen Rüstungsproduktion ermöglichten, müssten gestoppt werden. “Das ist nicht nur klar im Interesse der Ukraine, sondern auch weltweit von jedem, der so schnell wie möglich ein Ende des Krieges möchte.”

Auch die EU-Annäherung der Ukraine war dann Thema in Kiew. Sie erhielt nach Kriegsbeginn den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Damit die Beitrittsverhandlungen beginnen können, muss Kiew aber noch mehrere Punkte erfüllen.

Die französische Außenministerin Catherine Colonna betonte dennoch auf X, vormals Twitter. “Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU.” Ihre deutsche Kollegin Annalena Baerbock pflichtete ihr bei und sprach von einer EU, die sich” bald von Lissabon bis Luhansk” erstrecken werde.

Mehrere der 27 Außenminister kamen nicht nach Kiew, darunter jene aus Ungarn und aus Polen – sie ließen sich vertreten. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hatte sogleich abgesagt. Ungarn hat durchaus Vorbehalte gegen die Russland/Ukraine-Politik der EU. Der polnische Chefdiplomat Zbigniew Rau ist dem Vernehmen nach an Corona erkrankt. Auch er ließ sich vertreten. Die Unterstützung für die Ukraine in ihrer bisherigen Form war zuletzt im polnischen Wahlkampf von der Regierung der national-konservativen PiS-Partei infrage gestellt worden.

Für Schallenberg ist es an der Zeit, die Unterstützung für die Ukraine in eine “langfristige Zusammenarbeit” umzuwandeln, insbesondere zur Stärkung der ukrainischen Justiz und der Korruptionsbekämpfung. “Korruption ist Gift für jede Investition in den Wiederaufbau der Ukraine”, sagte der ÖVP-Politiker mit Blick auf die zig milliardenschwere Finanzhilfe aus Europa für Kiew und die Investitionen von rund 600 österreichischen Unternehmen, die in der Ukraine präsent sind.

Schallenberg pocht auch darauf, dass nächstes Jahr, wie regulär vorgesehen, Präsidentenwahlen in der Ukraine stattfinden. Das geltende Kriegsrecht in der Ukraine schließt dies aber aus und müsste in diesem Punkt geändert werden. Zugleich könnte eine solche Wahl, abgesehen von der Sicherheitslage, nur unter schwierigen Bedingungen abgehalten werden: Es gibt Millionen Ukrainer, die aus ihrem Land geflohen sind oder innerhalb ihres Landes vertrieben wurden. In den von Russland kontrollierten Landesteilen ist eine Abstimmung ausgeschlossen. Freilich hat der Westen seine Unterstützung für die Ukraine auch mit dem Kampf für die Demokratie Europas erklärt, sodass aus der Sicht Schallenberg eine Verschiebung der Wahl, ohne ein genaues Alternativdatum zu nennen, nicht infrage kommt.