EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und EU-Ratspräsident Michel

EU-Gipfel ruft zu “humanitären Korridoren und Pausen” auf

Freitag, 27. Oktober 2023 | 07:23 Uhr

Von: apa

EU-Ratspräsident Charles Michel hat nach dem ersten Tag des EU-Gipfels die “sehr gute Debatte zum Nahen Osten” gewürdigt. Es sei wichtig, in den nächsten Wochen und Monaten zu handeln. Der Ratspräsident betonte die “starke Einigkeit” unter den EU-Staats- und Regierungschefs betreffend des Zugangs zu humanitärer Hilfe. Die in der Gipfelerklärung vom Donnerstag enthaltenen “humanitären Korridore und Pausen” waren im Vorfeld umstritten gewesen.

Die EU-Staats- und Regierungschef rufen in ihrer Gipfelerklärung vom Donnerstag zu einem “raschen, sicheren und ungehinderten humanitären Zugang” in Gaza auf. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erneuerte ihre Forderung nach starken Partnerschaften in der Region wie Ägypten. Die sei ein “wichtiger Pfeiler der Stabilität in der Region” und habe “Auswirkungen auf die innere Sicherheit Europas”. Beide wiederholten die Verurteilung der Terrorangriffe der Hamas und das Recht Israels, sich im Rahmen des Völkerrechts zu verteidigen.

Der EU-Gipfel verabschiedete am Donnerstagabend weitere Schlussfolgerungen zur von der Kommission vorgeschlagenen Aufstockung des langjährigen EU-Haushalts. Michel betonte auch hier die “gute Debatte”, die Klarstellungen ermöglicht habe. Es gebe noch “unterschiedliche Meinungen”. Neben der Hilfe für die Ukraine seien auch die Wettbewerbsfähigkeit und Hilfe bei Krisen und Naturkatastrophen Prioritäten. Die spanische Ratspräsidentschaft werde zusammen mit der Kommission weiter daran arbeiten, bis Ende des Jahres eine Einigung zu finden.

Laut von der Leyen stünden viele Mitgliedstaaten hinter diesem Ziel und hinter diesen Prioritäten. Dass gesondert über die Gelder für die Ukraine und die restlichen Mittel diskutiert werde, kann sich von der Leyen aber nicht vorstellen. Sie habe den Staatenlenkern aber dargelegt, was die Zielkonflikte seinen, wenn Gelder aus anderen Töpfen umgeschichtet werden. Sie zeigt hier auf den großen Anteil an EU-Budgetgeldern hin, die in die Kohäsionspolitik und den Agrarbereich fließen.

Michel erklärte, dass auch die “Frage der Eigenmittel” von einigen Staatschefs auf den Tisch gelegt wurde. Diskutiert werden muss laut dem Ratspräsidenten, wo Mittel durch Umverteilung freigelegt werden könnten und wo neue Gelder benötigt würden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte zu den Aufstockungsplänen erklärt, die Verwendung bzw. Umschichtung schon vorhandener Mittel zu priorisieren. Auch der auf Freitag vertagte Punkt zur Migration benötigt laut der Kommissionspräsidentin zusätzliches Geld: “Die Migration braucht eine europäische Lösung, und das kostet Geld.” Als Beispiele nannte sie zusätzliche Gelder für das Grenzmanagement und für besonders betroffene Mitgliedstaaten.

In der Gipfelerklärung betonen die EU-Regierungschefs weiters Israels Recht, sich in Einklang mit dem Völkerrecht und internationalem humanitären Recht selbst zu verteidigen. Die Hamas wird aufgerufen, unverzüglich alle Geiseln ohne Vorbedingungen freizulassen. Die “brutale und wahllose Terrorattacke” der Hamas auf Israel wird vom EU-Gipfel auf das Schärfste verurteilt.

Es wird zudem die Wichtigkeit hervor gehoben, “alle Zivilistenleben zu jedem Zeitpunkt” zu schützen. Jeder Verlust von Zivilistenleben wird “bedauert”. In einem früheren Entwurf für die Gipfelerklärung waren noch “alle Gewalt und Feindseligkeiten gegen Zivilisten” verurteilt worden.

Die Staats- und Regierungschefs sprachen sich zudem für eine baldige Friedenskonferenz rund um den Nahost-Konflikt aus. Michel betonte, dass mit “bald”, die kommenden Wochen und Monate gemeint seien. Eine Teilnahme der Hamas an solchen Gesprächen schloss Michel aber aus. Er sehe nicht, warum eine Terrororganisation dabei eine Rolle spiele solle.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte zuvor bei seiner Ankunft in Brüssel ein “entschlossenes Vorgehen” gegen die Hamas gefordert. “Alle Fantasien von Waffenstillstand, Feuerpausen etc. führen dazu, dass sich die Hamas bestärkt fühlt”, sagte er vor dem Treffen. Österreich verstehe sich wegen seiner historischen Verantwortung als “Fürsprecher” Israels. Beim Kampf gegen die Hamas dürfte es “keine Kompromisse” geben.

Österreich sei dafür, dass in kurzen Zeitfenstern humanitäre Korridore geöffnet werden, um Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen, sagte der Kanzler. “Da ist es klar, dass in dieser Zeit die Waffen schweigen. Aber nur für diesen Fall”, so Nehammer. “Wenn wir Sicherheit für die EU wollen, wenn wir Sicherheit für die Menschen in Europa wollen, müssen wir die Terrororganisation Hamas bekämpfen.” An die Palästinenser im Gazastreifen richtete Nehammer den Appell, sich nicht von der Hamas “instrumentalisieren” zu lassen.