Von: apa
Die Europäischen Grünen gehen wieder mit einem weiblich-männlichen Duo von Spitzenkandidaten in die Europawahl. Sie wählten bei einem Kongress in Lyon am Samstag die deutsche Europaabgeordnete Terry Reintke und den niederländischen EU-Parlamentarier Bas Eickhout in diese Funktion. Die Grünen sind die erste Partei, die ihre Spitze für die Europawahlen im Juni 2024 offiziell nominiert hat.
Reintke, auf die 55,2 Prozent der Stimmen entfielen, und Eickout, der mit 57,0 Prozent gewählt wurde, setzten sich gegen die Lettin Elina Pinto und die Italienerin Benedetta Scuderi durch. Reintke ist vor allem im deutschsprachigen Raum bekannt. Sie ist auch Spitzenkandidatin der deutschen Grünen für die Europawahl in der Bundesrepublik. Reintke sitzt seit 2014 für die deutschen Grünen im Straßburger Plenarsaal und war damals mit 27 die jüngste Abgeordnete. Seit 2022 ist sie Co-Vorsitzende der Fraktion.
Eickhout ist seit 2009 Mitglied des EU-Parlaments. Er gehört der niederländischen GroenLinks-Partei an und war bereits 2019 gemeinsam mit der Deutschen Ska Keller Co-Spitzenkandidat der Europäischen Grünen. Traditionell umfasste das grüne Duo bisher eine Frau und einen Mann.
Aus Österreich nahmen u. a. Umweltministerin Leonore Gewessler und die nationale Spitzenkandidatin Lena Schilling an dem Kongress in Frankreich teil. Der Parteikongress der Grünen mit mehr als 1.100 Delegierten aus ganz Europa begann am Freitag mit einem Auftritt der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Sie warnte, die Verteidigung von Freiheit und Demokratie wären entscheidend für die EU-Wahl im Juni. “(Der belarussische Machthaber Alexander) Lukaschenko wird besiegt werden. (Der russische Präsident Wladimir) Putin wird besiegt werden. Die Ukraine wird gewinnen. Und Belarus wird letztlich in die europäische Familie zurückkehren”, sagte Tichanowskaja laut Aussendung der Grünen. “Es ist wichtig, dass die EU wachsam bleibt gegenüber internen und externen Bedrohungen ihrer zentralen Werte.”
“Die Grünen stehen an der Seite der Menschen, die für Freiheit kämpfen”, sagte Reintke nach ihrer Wahl. Die Grünen würden auch an Seite der Ukraine stehen, “so lange es nötig ist”. Ein weiterer Schwerpunkt der Grünen ist der Kampf gegen die Klimakrise. Der “Green Deal” sei die Basis für eine neue Wirtschaft, sagte Reintke. Die Grünen würden außerdem für sozial gerechtes Europa kämpfen. Sie rief ihre Parteikollegen dazu auf, “ihre Komfortzone zu verlassen” in dem bevorstehenden EU-Wahlkampf. Es gebe das Risiko, dass es bei der EU-Wahl im Juni einen Rechtsruck gebe, aber es bestehe noch die Möglichkeit, das Ruder herumzureißen, sagte Reintke. Eickhout lobte die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock als Beispiel für den Mut der Grünen. “Wir werden die Faschisten bekämpfen”, versprach auch er.
In den kommenden Wochen werden weitere “Spitzenkandidaten” gekürt: Am 5. und 6. März wird die Europäische Volkspartei (EVP) bei einem Parteikongress in Bukarest ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten wählen. Bis 21. Februar läuft die Bewerbungsfrist noch. Es wird erwartet, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen antritt. Der Luxemburger EU-Kommissar, der Sozialdemokrat Nicolas Schmit wird EU-weiter Spitzenkandidat seiner Parteifamilie bei der EU-Wahl im Juni. Schmits offizielle Kür soll bei einem Parteikongress am 2. März in Rom stattfinden.
Am 20. März wollen die europäischen Liberalen bei einem Kongress über den Spitzenkandidaten oder die Spitzenkandidatin entscheiden. Die Europäische Linke will am 23. und 24. Februar in Ljubljana über ihre Spitzenkandidatin oder ihren Spitzenkandidaten entscheiden. Die Parteien der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sowie der rechtspopulistischen Identität und Demokratie (ID) sind prinzipiell gegen das Konzept, europaweite Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aufzustellen.
Die “Spitzenkandidaten” sind zugleich Anwärter für die Spitze der nächsten EU-Kommission. So wurde der luxemburgische EVP-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker 2014 Kommissionspräsident. 2019 klappte es nicht: Die deutsche Ursula von der Leyen war nicht Spitzenkandidatin, wurde vom EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs aber trotzdem zur Kommissionspräsidentin bestimmt. Die EU-Abgeordneten konnten die Entscheidung nur mehr abnicken.