Von: APA/AFP/Reuters
Die europäischen Ukraine-Unterstützer haben sich in Paris für eine Beibehaltung und Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Die Sanktionen aufzuheben wäre “ein schwerer Fehler”, sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag bei dem Treffen der “Koalition der Willigen” zur Unterstützung der Ukraine. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer lehnten eine Aufhebung der Sanktionen ebenso ab.
“Es bestand völlige Klarheit darüber, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für die Aufhebung von Sanktionen ist”, sagte Starmer. “Ganz im Gegenteil – wir haben darüber gesprochen, wie wir Sanktionen verschärfen können.”
Macron: Französisch-britische Mission soll ukrainische Armee unterstützen
Eine französisch-britische Mission soll nach den Worten von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in den kommenden Tagen in die Ukraine entsandt werden, um einen möglichen europäischen Einsatz im Fall einer Waffenruhe vorzubereiten. “Diese ‘forces de réassurance’ (etwa: Rückversicherungstruppen) sind keine friedenserhaltenden Truppen, sie werden nicht an der Front eingesetzt”, betonte Macron am Donnerstag in Paris.
Es würden sich “mehrere der anwesenden Staaten” beteiligen, fügte er mit Blick auf die knapp 30 Delegationen hinzu, die an dem Treffen der “Koalition der Willigen” teilgenommen hatten. Über die Entsendung europäischer Soldaten bestehe “keine Einstimmigkeit”. Einige Staaten hätten nicht die Kapazitäten oder der politische Kontext erlaube es nicht, sagte er.
Die französisch-britische Mission solle bereits in den kommenden Tagen entsandt werden, um etwa “strategische Orte” zu bestimmen, an denen die europäischen Soldaten später stationiert werden könnten, sagte Macron. Er selber und der britische Premierminister Keir Starmer wollten den Generalstabschefs beider Länder einen entsprechenden Auftrag erteilen. Frankreich sicherte der Ukraine zudem zu Beginn des Gipfels militärische Hilfen in Höhe von weiteren zwei Milliarden Euro zu.
Italien: Pariser Gipfel sprach über mögliche Rolle der UNO
Beim Gipfel in Paris haben die rund 30 Staats- und Regierungschefs nach italienischen Angaben auch über eine mögliche Rolle der Vereinten Nationen im Fall eines Waffenstillstands gesprochen. Das teilt das Büro der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit, die an dem Gipfel teilnahm. “Dabei zeichnet sich eine mögliche Rolle der UN ab, die der Position der italienischen Regierung entspricht”, heißt es in der Mitteilung.
Scholz zeigte sich skeptisch mit Blick auf die von den USA initiierten Gespräche mit Russland und der Ukraine. Russland habe dabei “immer noch was nachgeschoben”. Dies zeige, “dass Russland aktuell nicht an einem wirklichen Frieden interessiert ist”. Er forderte Moskau auf, Angriffe auf die Infrastruktur sofort einzustellen. Eine Debatte über eine mögliche Entsendung von Bundeswehrsoldaten als Teil europäischer Bodentruppen halte er für verfrüht. Es sei noch “nicht mal sicher, ob es solche geben wird (…) und welcher Art sie sind”, sagte er. Scholz bekräftigte, dass die USA weiter eine zentrale Rolle bei der Unterstützung spielen sollten. Im Fall einer Waffenruhe sei es “ganz zentral, dass es amerikanische Sicherheitsgarantien gibt”, betonte er.
Griechenland will keine Truppen in die Ukraine entsenden
Griechenland werde keine Truppen in die Ukraine entsenden, kündigte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nach dem Treffen in Paris an. Der Premierminister betonte, dass der Krieg mit einem sofortigen Waffenstillstand beendet werden müsse. “Die gemeinsame Grundlage und Position der griechischen Regierung ist, dass die stärkste Sicherheitsgarantie für die Ukraine die Stärkung der ukrainischen Streitkräfte selbst ist, und ich glaube, dass alle Mächte, die an der heutigen Konferenz teilnahmen, in dieser Richtung übereinstimmten.”
Selenskyj: Europa muss seine Verteidigungsfähigkeit beweisen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte Europa indes auf, seine Verteidigungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. “Europa kann sich selbst verteidigen. Wir müssen es beweisen”, erklärte er am Donnerstag in Onlinenetzwerken.
EU-Ratspräsident António Costa rief in der französischen Hauptstadt zum Festhalten an den Sanktionen gegen Russland auf. Es sei nötig, “den Druck aufrechtzuerhalten”, betonte er. “Die beste Art und Weise, die Ukraine zu unterstützen, ist es, unser Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens konsequent zu verfolgen”, erklärte Costa.
Dafür sei es wichtig, die Selbstverteidigung der Ukraine zu stärken, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls an dem Treffen in Paris teilnahm. “Wir brauchen aber auch einen gemeinsamen und langfristigen Plan”, mahnte von der Leyen. Sie hatte in den vergangenen Wochen Vorschläge für höhere Verteidigungsausgaben und eine Stärkung der Rüstungsindustrie in Europa vorgelegt.
Das mehr als dreistündige Treffen, das zu Mittag endete, erfolgte auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Rund zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter der Türkei, Australiens und Kanadas reisten nach Paris, ebenso wie NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Es war das dritte Treffen in diesem Format, das auf eine Initiative Macrons und Starmers zurückgeht. Beide bemühen sich seit Wochen um eine gemeinsame Antwort der europäischen und NATO-Staaten auf das Vorgehen der USA, die sich unter Präsident Donald Trump Russland weiter annähern.
Macron telefonierte vor Treffen mit Trump
Die USA, die jüngst in Saudi-Arabien getrennte Gespräche mit Russland und der Ukraine über eine mögliche Feuerpause im russischen Angriffskrieg geführt hatten, sind nicht eingeladen. Macron habe aber vor Beginn des Treffens mit Trump telefoniert, teilte der Elysée-Palast mit. Zu den Inhalten wurde zunächst nichts gesagt.
Mit Blick auf Bemühungen für ein Ende des Krieges in der Ukraine nahm Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot derweil China in die Pflicht. Peking müsse eine Rolle dabei spielen, Moskau davon zu überzeugen, mit “ernsthaften” Vorschlägen an den Verhandlungstisch zu kommen, sagte er bei einem Besuch in der Volksrepublik. China nimmt für sich in Anspruch, im Ukraine-Krieg eine neutrale Position einzunehmen. Peking wird aber vom Westen für seine Weigerung kritisiert, seinen Verbündeten Russland für dessen Invasion in der Ukraine zu verurteilen.
Unterschiedliche Angaben zur Aussetzung von Angriffen auf Energieanlagen
Sowohl die Ukraine als auch Russland warfen sich weiter gegenseitig vor, Energieanlagen angegriffen zu haben. “Heute wurde in der Stadt Cherson Infrastruktur im Energiebereich durch russische Artillerie beschädigt”, sagte Selenskyj in Paris. “Ich bin der Meinung, dass die USA reagieren sollten, mit Taten.” Alle Beweise für den Angriff würden an die US-Regierung übergeben. Das russische Verteidigungsministerium warf der Ukraine hingegen vor, am Mittwoch und Donnerstag Drohnen und Artillerie auf Energieeinrichtungen in der russischen Grenzregion Brjansk und der von Moskau annektierten Halbinsel Krim gefeuert zu haben.
Das Weiße Haus hatte am Dienstag erklärt, Kiew und Moskau hätten nach getrennten Verhandlungen zugesagt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Aussetzung von Angriffen auf Energieanlagen umzusetzen. Es wurden jedoch weder ein Datum noch die Bedingungen genannt.
Von einer Waffenruhe im Schwarzen Meer profitiert nach Angaben Kiews vor allem Russland. Das sei das, was die Russen brauchen, weil sie dort Verluste erleiden, sagte Selenskyj. “Bei uns funktioniert der Seekorridor zur Lebensmittelsicherheit ohne die Russen – bereits seit langem”, betonte er bei einer Pressekonferenz in Paris. Vor einer anvisierten Waffenruhe im Schwarzen Meer verlangt Moskau eine Sanktionslockerung für erleichterte Exporte von Agrargütern. Die Ukraine verfügt zwar kaum über Seestreitkräfte, hat aber mit dem Einsatz von Seedrohnen die russische Flotte aus dem Westteil des Schwarzen Meers erfolgreich verdrängt.
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