Von: luk
Bozen – Gewalt an Frauen findet nicht ausschließlich im häuslichen Umfeld statt. Europäische Studien belegen, dass die Anzahl von Frauen, die Opfer von Gewalt am Arbeitsplatz werden, kontinuierlich zunimmt. Dabei reichen die Formen von Gewalt von von verbalen Angriffen über sexuelle Übergriffe bis hin zu bewussten und multiplen länger andauernden systematischen Diskriminierungen, dem sogenannten Mobbing. Immer geht es darum, das Opfer zu schwächen, oftmals zielen diese Formen von Gewalt, vor allem wenn sie über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden, darauf ab, das Opfer zur Kündigung zu bewegen.
„Gewalt am Arbeitsplatz an Frauen hat viele Gesichter“. sagt Gleichstellungsrätin Michela Morandini. „Vor allem Formen psychischer Gewalt nehmen kontinuierlich zu – auch in Südtirol. Dabei wird den Betroffenen erst spät bewusst, Opfer von Gewalt zu sein“. Information und Beratung bei der Gleichstellungsrätin oder bei den Gewerkschaften ist ein erster Schritt, um der Spirale zu entkommen. Denn, so die Gleichstellungsrätin „ähnlich wie bei häuslicher Gewalt scheuen sich die Opfer oft. über ihre Situation zu sprechen, auch weil sie Angst haben, den Arbeitsplatz zu verlieren“. Dabei sind „verletzbare“ Personengruppen wie schlecht ausgebildete Frauen oder junge Mütter verstärkt davon betroffen. In Italien nimmt die Anzahl an Müttern, die ihren Arbeitsplatz kündigen, stark zu. Oftmals werden Arbeitsbedingungen so gestaltet, dass Kündigung die einzige Lösung ist. In diesem Prozess finden nicht selten verbale Übergriffe statt.
„Neben klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen und Präventionsmaßnahmen kommt der Unternehmenskultur und den Führungskräften eine zentrale Rolle zu“, so die Gleichstellungsrätin. Denn bei Fällen von Gewalt in Unternehmen sind ALLE davon betroffen. Unternehmen haben die Verantwortung, jeglicher Gewalt vorzubeugen und klare Maßnahmen zu treffen, falls es dazu kommt. Ethisches Verhalten, gesundheitsförderliche Unternehmenskultur, die Vorbildfunktion der Eigentümer und/oder Führungskräfte, respektvolle Gesprächsformen und ein entschiedenes Einschreiten, wenn Respekt und Wertschätzung verweigert werden, bilden dabei das Fundament.
Bizzo: „Gegen Gewalt an Frauen: Unterschiede akzeptieren, Identität respektieren“
Auch Landtagspräsident Roberto Bizzo nimmt Stellung zum Tag gegen Gewalt an Frauen.
„Es ist richtig, mit einem eigenen Tag auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen, und gleichzeitig ist es traurig, dass man dies tun muss. Leider vergeht kein Tag ohne Nachrichten über misshandelte Frauen, manchmal auch über Frauen, die von Männern getötet wurden, weil sie ihr Recht auf freie Wahl nicht akzeptieren“, erklärt der Landtagspräsident.
Aber das sei nur die Spitze eines Eisbergs, der mit einer Geringschätzung der Frauen im täglichen Leben anfängt, erklärt Bizzo. „Gewalt an Frauen ist es nämlich auch, wenn man es akzeptiert, dass Frauen niedrigere Löhne und niedrigste Renten haben, wenn man es für selbstverständlich hält, dass sie sich um Kinder und Senioren kümmern müssen, wenn es einen stört, dass ihnen per Gesetz ein Platz auf den Kandidatenlisten oder in den Verwaltungsräten der öffentlichen Betriebe zusteht, ohne zu verstehen, dass wir alle ohne diesen Zwang auf eine Sichtweise verzichten müssten, die anders als jene der Männer, aber wesentlich ist, um eine harmonische Gesellschaft zu schaffen, die die Bedürfnisse aller berücksichtigt“, so der Landtagspräsident.
„Die Gewalt ist also weiter verbreitet, als wir glauben. Umso wichtiger ist es, dass wir Männer uns auf die Seite der Frauen stellen, ihre Forderungen nach Chancengleichhit mittragen, und das nicht nur mit Lippenbekenntnissen, sondern im Geiste des Respekts und der Zusammenarbeit auch im täglichen Leben. Zur Prävention gehört auch eine Informationsarbeit, die die Identität jeder Person respektiert, das Verhältnis zwischen Mann und Frau und ihr Anderssein, ebenso wie der Respekt der Erwachsenen vor dem Unterschied zwischen Jungen und Mädchen“, erklärt Bizzo abschließend.