Von: mk
Bozen – 250 Südtiroler Familien haben bekanntlich Post von der ASWE erhalten. Aufgrund eines Fehlers seien in den Jahren 2015 und 2016 staatliches Familien- und Mutterschaftsgeld unrechtmäßigerweise ausbezahlt worden. Dabei geht es um Summen zwischen 41 und knapp 3700 Euro. Nun fordert das Land von den Betroffenen insgesamt 250.000 Euro zurück. Anwalt Jakob Brugger glaubt allerdings, dass es auch anders geht.
Auf Nachfrage des Tagblatts Dolomiten hatte es beim Land geheißen, man könne nicht anders, da öffentliches Interesse über privatem Interesse steht. Brugger ist davon überzeugt, dass das Land sehr Möglichkeiten hätte. Allerdings fehle der Wille.
„Die sogenannte Madia-Reform vom August 2015 gibt der öffentlichen Verwaltung die Möglichkeit, von der Rückforderung von einmal gewährten Beiträgen abzusehen“, erklärt der Anwalt gegenüber den „Dolomiten“. Die öffentliche Verwaltung müsse demnach klar argumentieren, weshalb sie eine Förderung für Bürger rückgängig mache und warum diese das Geld zurückzahlen sollen.
Das Land hat unterdessen erklärt, den Familien die Rückzahlung in Raten zu ermöglichen oder die Summe mit künftigen Beiträgen zu verrechnen.
„Es stimmt, dass die Förderung unrechtmäßigerweise ausbezahlt wurde“, erklärt Brugger laut „Dolomiten“. Die öffentliche Hand sei trotzdem nicht gezwungen, das Geld zurückzufordern.
„Das Land muss öffentliches gegen privates Interesse abwägen“, betont der Anwalt. Das zuständige Amt habe einen Fehler gemacht, der inzwischen einige Zeit zurückliege. Das Geld haben die Familien vermutlich längst ausgegeben. Die Bürger hätten ein Grundrecht, darauf vertrauen zu können, dass die öffentliche Hand grundsätzlich korrekt handle. „Im vorliegenden Fall haben die Familien den Antrag gestellt und jemand hat den Beitrag gewährt, wohl ohne vorher zu kontrollieren“, meint Brugger.
Nun den Fehler vollständig auf die Familien abzuwälzen und das Geld zurückzuverlangen oder es mit neuen Beiträgen zu verrechnen, sei gleichbedeutend mit Schadensminimierung, sagt Brugger. Während für das Land rein finanzielle Aspekte im Vordergrund stehen, gehe es für die betroffenen Familien aber um weit mehr.
Natürlich sei es so, dass jemand dafür gerade stehen müsste, wenn man von einer Rückforderung absehen würde, erklärt der Anwalt. Was wohl heißen würde, dass der Rechnungshof bei Landesrätin Waltraud Deeg und Agenturdirektor Eugenio Bizzotto anklopfen würde.
Brugger rät den betroffenen Familien zunächst abzuwarten. Das laufende Widerrufsverfahren sei noch nicht abgeschlossen und könnte sogar noch archiviert werden.
Wer bei der ASWE eingewilligt hat, dass der unrechtmäßig ausbezahlte Beitrag mit den neuen verrechnet wird, hat eine schwierigere Position, ist aber nicht gänzlich auf verlorenem Posten. „Wer das nicht getan hat, kann sich innerhalb von 60 Tagen an das ordentliche Gericht wenden“, erklärt Brugger laut „Dolomiten“.
Er erinnert daran, dass es für Bürger mit geringem Einkommen auch einen kostenlosen Rechtsbeistand gibt. Andere, die sich wehren möchten, hätten auch die Möglichkeit, eine Sammelklage einzureichen. „Unter einem Streitwert von 5000 Euro würde ich davon abraten, einzeln Prozesse zu führen – das Prozessrisiko bleibt und damit auch jenes, die Kosten für die Gegenpartei übernehmen zu müssen“, warnt Brugger laut „Dolomiten“.