Von: luk
Bozen – Am Freitagmorgen wurde die Debatte über die vorgelegten Wahlgesetze – Landesgesetzentwurf Nr. 13/14 (vorgelegt vom Abg. Pöder); Landesgesetzentwurf Nr. 14/14 (Pöder); Landesgesetzentwurf Nr. 101/16 (Leitner, Mair, Tinkhauser, Stocker S., Blaas und Oberhofer) und Landesgesetzentwurf Nr. 115/17 (Noggler, Amhof, Wurzer, Hochgruber Kuenzer und Deeg) – mit der Behandlung von Tagesordnungen wieder aufgenommen.
Die Süd-Tiroler Freiheit forderte mit einer Tagesordnung zum Gesetzentwurf Nr. 115 eine Anpassung der Briefwahlfristen. Bei der letzten Wahl seien Tausende Wahlkarten vernichtet worden, weil sie zu spät angekommen sind, erklärte Myriam Atz Tammerle. Die Landesregierung müsse daher die Fristen anpassen und bei der Post auf eine unverzügliche Zustellung drängen. Bei der Fristenanpassung habe man mit einem Änderungsantrag zum Gesetz reagiert, aber der zweite Punkt der Tagesordnung sei noch umzusetzen.
LH-Stv. Richard Theiner erklärte die Zustimmung sowohl zum Änderungsantrag wie auch zum zweiten Teil der Tagesordnung, der damit als angenommen gilt.
Mit einer zweiten Tagesordnung forderte die Süd-Tiroler Freiheit das Wahlrecht ab 16 bei Landtags- und Gemeindewahlen. In Österreich und Deutschland habe man sich bereits vor Jahren dafür entschieden, erklärte Myriam Atz Tammerle. Andreas Pöder unterstützte die Forderung, aber der Landtag könne dies direkt beschließen und brauche nicht die Landesregierung dazu aufrufen, wie im Antrag gefordert. Sigmar Stocker sprach sich dagegen aus und warnte vor einer Politisierung der Schulen, auch durch die Lehrer. Die Volljährigkeit alleine sage nichts über die Wahlmündigkeit aus, erwiderte Sven Knoll, ein Jugendlicher mit Interesse für Politik könne mündiger sein als ein demenzkranker Senior. Brigitte Foppa verwies auf ein Rechtsgutachten, wonach ein Zugang bei nicht entscheidenden Abstimmungen möglich sei; bei entscheidenden Wahlgängen sei das nicht sicher. Dennoch stimme sie der Tagesordnung zu. Magdalena Amhof berichtete von entsprechenden Gesprächen mit Prof. Palermo über das genannte Gutachten und bestätigte die Einschätzung von Foppa. Laut einer Studie in Deutschland und Österreich würde eine Senkung des Wahlalters sich positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken. LH-Stv. Richard Theiner sah ein Wahlrecht ab 16 als positiv, aber laut der zitierten Studie sei das kein Selbstläufer, man müsse die Jugend auch auf die Wahlen vorbereiten. Die Forderung müsste aber als Begehrensantrag gestellt werden.
Die Tagesordnung wurde mit neun Ja, 19 Nein und vier Enthaltungen abgelehnt.
Die Süd-Tiroler Freiheit forderte auch die Einführung der elektronischen Stimmabgabe. Die Landesregierung solle sich über das E-Voting in anderen Ländern informieren und die Möglichkeit einer Umsetzung in Südtirol prüfen. Dies würde eine Hilfe für Menschen mit Körperbehinderung und Heimatferne bedeuten, eine Kostensenkung, eine schnellere und fehlerfreie Auszählung, die Vermeidung ungültiger Stimmen und eine höhere Wahlbeteiligung bedeuten, erklärte Bernhard Zimmerhofer. Es gebe Zweifel zur Sicherheit, aber kein System sei sicher. Sigmar Stocker sprach sich dagegen aus, er vertraue dem elektronischen System nicht, er habe auch Angst, dass man kontrollieren könne, wer wie wähle. Andreas Pöder sprach sich ebenfalls dagegen aus, ein elektronisches System sei manipulierbar und unsicher, wie alles, was an ein Netz angeschlossen sei. Sven Knoll wies auf die elektronische Abstimmung im Landtag hin. Er kritisierte die Entscheidung zur vorangegangenen Tagesordnung, man schiebe die Verantwortung einfach ans Parlament ab. In anderen Ländern, etwa in Estland, sei die E-Wahl bereits Praxis, der Antrag fordere nur, sich das anzuschauen und eine Einführung zu prüfen. Brigitte Foppa unterstützte den Antrag, auch im Sinne einer demokratischen Innovation. Das derzeitige System sei bewährt und sicher, aber man sollte es ergänzen. Alessandro Urzì sprach sich gegen zwei parallele Systeme aus, auch aus Kostengründen. Der Gang zur Urne sei ein wichtiger Schritt der Beteiligung am öffentlichen Leben, er sollte nicht durch einen Klick ersetzt werden. LR Waltraud Deeg plädierte dafür, das Thema nicht nur in Schwarz und Weiß zu sehen. Das E-Voting habe auch seine Grauzonen, wie man auch in Estland, der Schweiz und Österreich gesehen habe. Zur Sicherheit brauche es ein aufwendiges Backup auf Papier, um im Zweifelsfall nachzählen zu können. Die Firma, die das System betreue, rechne von Kosten um 2 Mio. Euro nur für die Gemeindewahlen und halte das System für nicht ausgereift genug für politische Wahlen.
Die Tagesordnung wurde mit sechs Ja und 23 Nein abgelehnt.
Der Übergang zur Artikeldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 13 wurde mit 15 Ja und 15 Nein abgelehnt, jener zum Gesetzentwurf Nr. 14 mit 15 Ja und 16 Nein. Anschließend bat Oswald Schiefer um eine kurze Unterbrechung, worauf mehrere Abgeordnete der Opposition protestierten.
Der Übergang zur Artikeldebatte zum Gesetzentwurf 101 wurde mit 13 Ja und 17 abgelehnt. Angenommen wurde einzig der Übergang zur Artikeldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 115 (SVP), mit 21 Ja, sechs Nein und fünf Enthaltungen.
Artikeldebatte
Nach der Behandlung von Tagesordnungen wurde die Artikeldebatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 115/17 – Bestimmungen über die Wahl des Landtages, des Landeshauptmannes und über die Zusammensetzung und Wahl der Landesregierung (vorgelegt von den Abg. Noggler, Amhof, Wurzer, Hochgruber Kuenzer und Deeg) – aufgenommen.
Im Folgenden die Artikel (von insgesamt 77), zu denen eine Debatte abgehalten wurde.
Titel des Gesetzes
Brigitte Foppa forderte die Einfügung des Titels “Landeshauptfrau”. Sie verlange nicht die durchgehende Umformulierung des ganzen Gesetzes, aber wenigstens diese Möglichkeit sollte man vorsehen. Alessandro Urzì sprach sich dagegen aus, der Vorschlag ändere nichts an der Substanz. Myriam Atz Tammerle sprach sich dafür aus, es gehe um den Titel einer Person. Auch Hans Heiss unterstützte den Vorschlag. Dagegen äußerte sich Ulli Mair, das sei eine Scheindebatte. Das Statut sehe nur einen “Landeshauptmann” vor, meinte Andreas Pöder. Sven Knoll plädierte für eine pragmatische Anwendung, wenn eine Frau das Amt bekleide, sei sie eben Landeshauptfrau – das Amt müsse man deswegen nicht umbenennen. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.
Art. 1 definiert den Gegenstand des Gesetzes.
Auch hier forderte Foppa die Erwähnung der Landeshauptfrau, was aber abgelehnt wurde.
Art. 2 betrifft die Bezeichnung von Funktionen: Alle Ämter, die nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sich in gleicher Weise auf Männer und Frauen.
Brigitte Foppa beantragte die Streichung des Artikels, dieser sei eine Ausrede, im Rest des Gesetzes nicht die weiblichen Bezeichnungen anführen zu müssen. Alessandro Urzì bezeichnete den Artikel hingegen als ausgewogene Lösung, um das Gesetz nicht unlesbar zu machen. Andreas Pöder bezeichnete den Streichungsantrag als gerechtfertigt, es sei klar, dass sich das Gesetz auf beide Geschlechter beziehe. Sven Knoll verteidigte den Artikel, ansonsten müsste man das ganze Gesetz “durchgendern”. Ulli Mair unterstützte den Antrag, es sei klar, dass sich das Gesetz auf beide Geschlechter beziehe.
Der Streichungsantrag wurde abgelehnt.
Art. 3 betrifft das Wahlsystem.
Paul Köllensperger forderte einen eigenen Wahlkreis für die ladinischen Gemeinden wie im Trentino, damit wäre auch die Verdrängungsfrage vom Tisch. Ulli Mair wollte die Direktwahl des Landeshauptmanns in den Artikel einfügen, das wäre ein starker Ausdruck direkter Demokratie und im Sinne der direkten Einbeziehung der Bürger in die demokratischen Entscheidungen. Andreas Pöder unterstützte die Einführung der Direktwahl und auch den ladinischen Wahlkreis, auch wenn das Statut dies derzeit nicht zulassen würde. Riccardo Dello Sbarba sprach sich gegen den ladinischen Wahlkreis aus, das wäre eine Kantonalisierung der Politik und könnte dann morgen auch für die Italiener eingefordert worden. Die in Bozen ansässigen Ladiner wären ausgeschlossen. Alessandro Urzì sah die Gefahr, dass ganz Südtirol in Wahlkreise eingeteilt würde. Das Land gehöre ungeteilt allen Bürgern, auch den Gemischtsprachigen, die inzwischen mehr seien als die Ladiner. Die Direktwahl des Landeshauptmanns sei ein interessanter Vorschlag, aber gleichzeitig müsse dann auch der italienische LH-Stellvertreter direkt gewählt werden können. Man könnte auch an eine Sitzverteilung nach Proporz andenken. Dieter Steger lehnte den Antrag Mairs aus den bereits bekannten Gründen ab. Der ladinische Wahlkreis würde ganze Bevölkerungsgruppen ausschließen, etwa die Ladiner in Bozen. Es gebe auch verfassungsrechtliche Bedenken, denn das Statut schütze die ladinische Minderheit, nicht das ladinische Territorium. Köllensperger gehe es nur darum, dass nicht ein SVP-Abgeordneter die Ladiner vertritt. Brigitte Foppa meinte, eine Direktwahl sei nicht mit der direkten Demokratie zu verwechseln, sie bringe auch nicht mehr Demokratie. Es sei nicht demokratisch, wenn der ganze Landtag nach einem Rücktritt oder Ausscheiden des Landeshauptmanns aufgelöst werden müsse. Sven Knoll unterstützte hingegen die Direktwahl, das Amt des Landeshauptmanns sollte überparteilich sein, er vertrete das ganze Land. Er sprach sich gegen den Antrag Köllenspergers aus, dies wäre der erste Schritt in Richtung zur Territorialautonomie. Josef Noggler sprach sich gegen die Änderungsanträge aus. Das Trentino habe mit dem Mehrheitsbonus ein ganz anderes Wahlsystem und sei daher nicht vergleichbar. Die Direktwahl berge die Gefahr, dass der Landeshauptmann keine Mehrheit hinter sich habe.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Art. 4 regelt die Stimmabgabe.
Paul Köllensperger forderte die Einführung des Panaschierens, d.h. der Möglichkeit, quer über die Listen Vorzugsstimmen zu vergeben. Für die Sitzverteilung zähle aber einzig die Listenstimme. Alessandro Urzì sprach sich dagegen aus, das führe zur Konfusion. Sven Knoll bezeichnete das Panaschieren als sehr demokratische Möglichkeit. Auch Brigitte Foppa unterstützte den Vorschlag. Andreas Pöder bezeichnete ihn als interessant, zeigte aber auch Bedenken: Ein Kandidat der anderen Liste könne bei bestimmten Themen anders abstimmen als vom Wähler beabsichtigt, während man von den Vertretern derselben Partei annehmen könne, dass sie in dieselbe Richtung gingen. Josef Noggler teilte die Bedenken Pöders und sprach sich gegen den Antrag aus, die Bürger wollten in erster Linie die Richtung wählen und erst dann den Kandidaten.
Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.
Art. 5 definiert die Wahlberechtigten.
Andreas Pöder forderte das Wahlrecht ab 16, rechtlich sei das möglich, sofern es nur das aktive Wahlrecht betreffe.
Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.
Art. 8 enthält die Gründe für Nichtwählbarkeit.
Brigitte Foppa forderte, dass diese auch weiterhin für Staatsräte gelten sollte. Paul Köllensperger forderte die Nichtwählbarkeit für Bürgermeister von Gemeinden ab 15.000 Einwohnern (statt 20.000). Andreas Pöder wollte auch die Mitglieder des Rates der Gemeinden in die Liste aufnehmen, diese hätten weitreichende Einflussmöglichkeiten, z.B. über die Gutachten zu Gesetzentwürfen. Die 20.000 entsprächen der staatlichen Regelung, erklärte Josef Noggler. Die Staatsräte würden nicht in Südtirol arbeiten, womit der Unwählbarkeitsgrund entfalle, und für die Bürgermeister sei bereits eine Regelung vorgesehen.
Die Änderungsanträge wurden abgelehnt.
Andreas Pöder kritisierte die Entscheidung zu den Staatsräten, die auch Rekurse gegen Entscheidungen der Landesverwaltung behandeln würden, eventuell auch Rekurse im Zusammenhang mit dem Wahlverfahren. Auch Brigitte Foppa bedauerte die Abstimmung.
Art. 9 enthält die Gründe für die Unvereinbarkeit mit dem Amt eines Abgeordneten.
Andreas Pöder forderte die Aufnahme eines landwirtschaftlichen Interessenverbandes unter die Liste der Unvereinbarkeiten, denn ein Bauernbund falle nicht unter die bereits erwähnten Arbeitgeberorganisationen. Unvereinbar sollte auch ein Rechtsstreit mit dem Land sein, wenn dieser vom Betroffenen ausgegangen sei. Josef Noggler verwies auf die Diskussion im Gesetzgebungsausschuss, wo man eine solche Regelung für einseitig gehalten habe. Der Bauernbund sei mit der Definition im Gesetzentwurf durchaus berücksichtigt, wie auch andere Verbände.