Von: luk
Bozen – Die Freiheitlichen fordern Deutschförderklassen für Schüler ohne ausreichende Sprachkompetenz. Auf einer Pressekonferenz haben die Blauen heute ihre Forderung untermauert.
“Am letzten Donnerstag hat der österreichische Nationalrat die Deutschförderklassen beschlossen. Ab dem Schuljahr 2018/2019 werden damit Schulanfänger, die dem Unterricht sprachlich nicht ausreichend folgen können, nach einem eigenen Lehrplan für Deutsch als Zweisprache in eigenen Klassen unterrichtet. Solche Deutschförderklassen gibt es seit Jahren bereits in Bayern und der Schweiz.” Die Freiheitlichen sind der Ansicht, dass dieses Modell auch in Südtirol übernommen werden soll, denn vor allem in Bozen gibt es immer mehr Schulklassen, in denen mehr als die Hälfte der Schüler nicht-deutscher Muttersprache ist.
Zum österreichischen Modell
Schüler, die über keine oder nur sehr eingeschränkte Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch verfügen, sollen durch ein intensives Modell der Deutschförderung so schnell wie möglich für den Regelunterricht fit gemacht werden. Sie sind Teil der Regelklasse, werden als solche auch geführt, jedoch für eine bestimmte Zeit – insgesamt 15 bis 20 Stunden pro Woche – intensiv in Deutsch unterrichtet. Bestimmte Fächer, die nicht sprachintensiv sind, wie etwa Musik, Sport oder Werken, werden in der Regelklasse belegt. Mindestens acht Schüler sind für die Führung eigener Deutschförderklassen nötig. Ziel ist, dass Schüler von Deutschförderklassen möglichst bald in ihrer Regelklasseasse unterrichtet werden können. Sobald festgestellt wird, dass ein Schüler dem Unterricht in der Unterrichtssprache Deutsch einigermaßen folgen kann, erfolgt die weitere Förderung durch Besuch der Regelklasse nebst eigenen Deutschförderkursen im Ausmaß von sechs Wochenstunden.
Die Deutschförderklassen können mindestens ein bis maximal vier Semester besucht werden. Der Besuch der Deutschförderklasse ist so lange verbindlich, bis der Übertritt des Schülers aufgrund der standardisierten Testergebnisse in die Regelklasse nachweislich möglich ist.
Warum sind Deutschförderklassen und Deutschförderkurse in Österreich notwendig?
In Österreich gibt es seit langem ein verfestigtes Problem bei der Sprachkompetenz in der Unterrichtssprache Deutsch. Trotz unterschiedlicher Maßnahmen ist die Zahl derer, die Defizite vorweisen, seit über 15 Jahren konstant.
Im Jahr 2015/2016 durchgeführte Sprachstandsbeobachtungen Jahr zeigen auf, dass 70 Prozent der drei- bis sechsjährigen deutschsprachigen Kinder ein altersgemäßes Sprachniveau besitzen. 14 Prozent der Kinder aus deutschsprachigen Familien, jedoch 67 Prozent der Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch war, benötigten zusätzliche Fördermaßnahmen.
Tests im Bereich Leseverständnis haben 2015 ergeben, dass 60 Prozent der Kinder mit Deutsch als Erstsprache die vorgegebenen Standards erreicht, jedoch nur 36 Prozent der Kinder mit nicht-deutscher Erstsprache. Knapp ein Drittel dieser Kinder (28 Prozent) hat Mühe mit den einfachsten Leseaufgaben und erreicht die Bildungsstandards nicht, so die Freiheitlichen auf der Pressekonferenz.
Und in Südtirol?
“Vor allem in Bozen, aber auch in anderen Städten und Teilen des Unterlandes gibt es Schulklassen, in denen mehr als die Hälfte der Kinder nichtdeutscher Erstsprache sind. Mit dem Modell der Inklusion werden alle Kinder in derselben Regelkasse geführt mit begleitenden Fördermaßnahmen auf individueller Basis. Dies hat zur Folge, dass viele Kinder mit deutscher Muttersprache benachteiligt werden, weil sich das Unterrichtsprogramm aufgrund der vielfach schlechten Deutschkenntnisse der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache verlangsamt und das sprachliche Niveau nach unten nivelliert.
Mit der Einrichtung von Deutschförderklassen an Schulen mit hohem Anteil von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache könnte die Schule allen Kindern besser gerecht werden.
Durch die Einbindung der Deutschförderklassenbesucher in die Regelklasse und das temporäre Besuchen der Deutschförderklasse wird Inklusion garantiert”, so die Freiheitlichen.
Oberhofer: „Muttersprache im Unterricht stärken“
Immer mehr Eltern nichtdeutscher Muttersprache schreiben ihre Kinder in deutsche Bildungseinrichtungen ein. Das Recht auf Wahlfreiheit vonseiten der Eltern rückte im Zuge der Diskussion rund um die Thematik immer weiter in den Vordergrund. „Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, damit man den Artikel 19 des Autonomiestatuts, der den Schutz der Sprachminderheiten in Südtirol garantiert, nicht durch eine überzogene Wahlfreiheit in Gefahr bringt“, meint die Landtagsabgeordnete Tamara Oberhofer und bezieht Stellung zur entsprechenden Anfrage an die Landesregierung.
„Nachdem insbesondere die deutschen Bildungseinrichtungen bei Eltern anderer Muttersprachen als beliebt gelten, was an und für sich ein großes Kompliment ist, ist dennoch besondere Sorgfalt bei der Einhaltung des Rechts auf einen ungehinderten Unterricht in der deutschen Muttersprache, vor allem an Südtirols Kindergärten, geboten“, schickt die Abgeordnete Oberhofer voraus.
„Vor allem anderssprachige Kinder müssen zu Anfang ihrer individuellen Kindergarten- oder Schullaufbahn häufig in anderen Sprachen betreut werden, da sie der deutschen Sprache nicht oder noch nicht mächtig sind. Dieser Umstand wirkt sich zunehmend negativ auf das Sprachniveau deutschsprachiger Kinder aus, weil diese nicht im optimalen Ausmaß sprachlich gefördert werden können, nachdem die Sprachkompetenzen von einem zum anderen Schüler zu weit auseinanderklaffen“, so Oberhofer.
„Darüber hinaus sieht die Landesregierung keine Maßnahmen vor, um die Sprachfähigkeiten von Kindern in der Unterrichtssprache vor Beginn der Bildungskarriere zu überprüfen geschweige denn die Sprachkompetenzen der Kinder auf dasselbe Niveau zu bringen. Man wolle den Fokus vermehrt auf den Aufbau gelingender Beziehungen legen als auf Sprache. Dabei finde ich jedoch, dass vor allem durch verbale Kommunikation eine starke Beziehung aufgebaut wird, was den Kindern somit verwehrt wird. Die ausbleibende verbale Kontaktaufnahme führt zu einer Vergrößerung des sozialen Spaltes innerhalb einer Gruppe von Kindern oder Schüler, in der ein Teil die Unterrichtssprache beherrscht, ein anderer nicht“, erläutert die Freiheitliche ihre Gedanken.
„Im gewissen Sinne fördert die Landesregierung diese Entwicklung auch noch. Man setze nämlich auf die Eltern der Kinder anderer Muttersprache. Dabei aber ergeben sich zwei Probleme: Einerseits fehlt Anderssprachigen in Südtirol häufig das Verständnis für den Schutz der deutschen Sprache, andererseits sprechen nicht-deutschsprachige Eltern mit ihren Kindern zu Hause größtenteils ihre Muttersprache, was natürlich für das Erlernen der deutschen Sprache nicht förderlich ist. Ein drittes Manko ist, dass viele Eltern anderssprachiger Familien oft selbst des Deutschen nicht Herr sind. Aus einer Befragung geht hervor, dass weniger als zwei Drittel der Erziehungsberechtigten einen Deutschkurs besuchen würden, und das auch nur, wenn er sich mit Berufs- und Familienleben vereinbaren ließe. Grund dafür ist wahrscheinlich, dass vom Land viel zu wenige Sprachkurse für Eltern angeboten werden. Eine Situation, in der Handlungsbedarf besteht“, schließt Oberhofer.
Zingerle: „Deutsch als Voraussetzung für Schuleintritt – Österreich macht’s vor“
Die Freiheitliche Jugend begrüßt Deutschförderklassen in Österreich, welche ab kommendem Schuljahr eingeführt werden. “Durch die stetige Zuwanderung von Menschen aus fremden Kultur- und Sprachkreisen, gibt es auch immer mehr Kinder in den deutschen Schulen, welche der deutschen Sprache und somit der Hauptsprache nicht mächtig sind. Dadurch kommt der Unterrichtsfortschritt ins Stocken und Integrationslehrpersonen sind fast ausschließlich mit jenen Kindern mit Migrationshintergrund beschäftigt.”
Die neue Bundesregierung in Österreich führt nun Deutschförderklassen ein. „Dies ist absolut der richtige Weg“, findet der Jugendkoordinator der Freiheitlichen und Landtagsabgeordnete Hannes Zingerle. „Betrachtet man die Vorgehensweise in Südtirol, so kann man dagegen bloß den Kopf schütteln, denn mit 1. März dieses Jahres wurde ein Lehrgang des Deutschen Bildungsressorts angeboten, der komplett in die entgegengesetzte Richtung geht“, ärgert sich Zingerle.
Bereits Anfang Dezember hat Zingerle auf den Lehrgang „Deutsch als Zweitsprache und Arbeit in mehrsprachigen Klassen“ für 30 Lehrpersonen aufmerksam gemacht. “Eine Idee, welche der ehemalige Schulamtsleiter Peter Höllrigl seiner Nachfolgerin Sigrun Falkensteiner mit auf den Weg gegeben hat.”
Die Freiheitliche Jugend blickt sehr besorgt auf diese Idee des Deutschen Bildungsressorts. “Denn wo kommen wir in Südtirol hin, wenn wir anfangen, in den deutschen Schulen die deutsche Sprache als Zweitsprache anzubieten bzw. zu unterrichten? Selbst Höllrigl bestätigte, dass Kinder ohne Kenntnisse der Unterrichtssprache für alle Beteiligten eine große Herausforderung sind.”
Deshalb zielt der Appell der Freiheitlichen Jugend abschließend auf die Verantwortlichen im Deutschen Schulamt: “Schluss mit Experimenten und Kursen, in welchen sich Lehrpersonen in ihren Unterrichtsmethoden und -formen den Schülern mit Migrationshintergrund anpassen sollen!”