Der Finanzminister soll nach Brüssel wechseln

Finanzminister Brunner als nächster EU-Kommissar nominiert

Mittwoch, 31. Juli 2024 | 13:50 Uhr

Von: apa

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) soll wie zuletzt erwartet nächster österreichischer EU-Kommissar werden. Nach wochenlangen Verhandlungen gab die türkis-grüne Koalition am Mittwoch per Aussendung die Einigung bekannt. “Magnus Brunner kennt die Herausforderungen auf europäischer Ebene und wird sicherstellen, dass sowohl österreichische Interessen als auch europäische Werte in der Kommission gleichermaßen vertreten sind”, erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

“Ich fühle mich sehr geehrt, dass mich die Bundesregierung für das Amt des Kommissars vorschlägt”, ließ Brunner in einer schriftlichen Stellungnahme wissen. Den Beschluss im Hauptausschuss und ein erfolgreiches Hearing vorausgesetzt, freue er sich, im Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Europa zu arbeiten. Welches Portfolio er bekommen wird, ist noch offen. “Oberstes Ziel der neuen Kommission muss sein, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und Arbeitsplätze und Wohlstand zu erhalten”, brachte sich Brunner in Stellung. “Davon profitiert gerade eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich besonders. Viele Herausforderungen liegen vor uns, damit uns andere Regionen der Welt nicht abhängen.”

Gerade in Zeiten wie diesen sei es “von entscheidender Bedeutung, dass die Kommission mit kompetenten, durchsetzungsstarken und erfahrenen Persönlichkeiten besetzt wird, die in der Lage sind, diese Herausforderungen zu bewältigen”, streute Nehammer seinem Parteikollegen Rosen. Europa habe vor allem im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit großen Aufholbedarf, Brunners Nominierung sei daher auch “ein klares Bekenntnis (…) für ein starkes Europa mit nachhaltigem Wachstum”. Brunner sei “in Europa anerkannt, über die Grenzen Österreichs hinweg gut vernetzt und bringt mehrere Kompetenzen mit”, meinte auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in der gemeinsamen Aussendung. Man habe in den vergangenen Jahren sehr konstruktiv zusammengearbeitet. Man stehe “voll und ganz zur Europäischen Union und zur Stärkung ihrer Institutionen”, unterstrich Kogler, “insofern war uns eine rasche Entscheidung über den EU-Kommissar wichtig – wir haben hier eine europapolitische Verantwortung”.

Tatsächlich hatte es um die Nominierung allerdings ein wochenlanges Gezerre innerhalb der Koalition gegeben. Anfang Juni hatte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kundgetan, sich nicht mehr an einen einstigen Sideletter zum Koalitionsabkommen gebunden zu fühlen, wonach die ÖVP das Vorschlagsrecht für den nächsten Kommissar hat. Nehammer bestand wiederum auf der Vereinbarung. Als weitere Stichelei wurde in der ÖVP gewertet, dass die Grünen schließlich auch noch den Vorstoß der NEOS unterstützten, den früheren ÖVP-Abgeordneten und EP-Vizepräsidenten Othmar Karas zu nominieren – angesichts des Zerwürfnisses mit ihrem ehemaligen Mandatar ein No-Go für die Volkspartei. Zuletzt soll sogar der Bundespräsident den Verhandlern nahe gelegt haben, rasch zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.

Nehammer bestand auf einer Nominierung Brunners, die Grünen gaben letztendlich nach – weil es um Inhalte und nicht um Posten gehe, lautet die grüne Erzählung. Dementsprechend erwarten sich die Grünen nun Bewegung in einigen stockenden Projekten, etwa der neuen Sicherheitsstrategie beziehungsweise einem Ausstieg aus russischem Gas, aber auch beim Zankapfel Nationaler Energie- und Klimaplan (NEKP) oder beim Grüngasgesetz.

Auch für andere ausstehende Postenentscheidungen sollte der Knoten nun gelöst sein, hofft man im grünen Lager. Dabei geht es etwa um die Besetzung des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und Besetzungen am Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Zur Neubesetzung des Vorstands der Finanzmarktaufsicht – hier galt WKÖ-Generalsekretär-Stellvertreterin Mariana Kühnel als Favoritin – soll es laut den Grünen allerdings nicht mehr kommen.

Der 52-jährige Vorarlberger Brunner hatte freilich ohnehin stets beste Karten im Postenpoker. Dass er die notwendigen Kompetenzen für den Posten des EU-Kommissars mitbringt, gilt als unbestritten. Der eloquente Wirtschaftsbündler, der unter anderem auch am King’s College London studiert hat, führt seit Dezember 2021 das Finanzministerium. Die Nachfolge im Finanzressort ist noch nicht geklärt. Dafür sei auch noch ausreichend Zeit bis November, hieß es im Kanzleramt auf APA-Anfrage.

Lange hatte die für Europa-Agenden zuständige Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) als Favoritin für den Posten in der Kommission gegolten. Sie nannte Brunner am Mittwoch im APA-Gespräch einen “sehr guten Regierungskollegen”, der großartige Arbeit leisten werde. Brunner werde sich mit vollem Herzen für Europa einsetzen und hoffentlich ein gutes Portfolio für Österreich bekommen. Warum sich Nehammer nicht für sie entschieden hat, kommentierte Edtstadler nicht. Der Kanzler habe immer gesagt, dass es viele kompetente Kandidatinnen und Kandidaten gebe.

Seit einigen Wochen wird gemunkelt, dass das Verhältnis zwischen Nehammer und Edtstadler abgekühlt ist, weil sie als Konkurrenz für den Parteivorsitz genannt wurde. Nehammer wies dies im APA-Interview zurück, “es ist jetzt Wahlkampfzeit”, das habe auch immer “die Folge, dass es sehr viele Gerüchte gibt”, aber wer so etwas streue, “kennt sich offensichtlich in der Volkspartei nicht wirklich aus”.

Dem Wunsch von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass die Mitgliedsstaaten jeweils einen Mann und eine Frau nominieren, ist die Bundesregierung mit der nunmehrigen Entscheidung nicht nachgekommen. Die Grünen wären durchaus dafür gewesen. Nehammer betonte vor der Verkündung der Einigung gegenüber der APA, der entsprechende Brief sei eine “Möglichkeit” der Kommissionspräsidentin, sich an die Regierungschefs zu wenden, “aber es ist keine Muss-Bestimmung”.

Der Kanzler werde nun Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeitnah über die Entscheidung informieren und, wie gesetzlich vorgesehen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bitten, das Konsultationsverfahren im Nationalrat einzuleiten, hieß es in der Aussendung. Laut Gesetz erfolgt die Nominierung in einem mehrstufigen Prozess, an dessen Beginn die Einleitung der Konsultationen mit den im Hauptausschuss vertretenen Parteien steht. Nach den Ergebnissen der Konsultation wird die Bundesregierung einen Ministerratsbeschluss fassen und diesen dem Hauptausschuss des Nationalrates zur “förmlichen Einvernehmensherstellung” vorlegen. Erst dann wird die Nominierung des designierten Kommissionsmitglieds förmlich an das EU-Ratssekretariat mitgeteilt.

Kritik an der Nominierung kam von SPÖ und FPÖ. SPÖ-Klubobmann Philip Kucher verwies auf eine “Katastrophenbilanz des Noch-Finanzministers”, FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zeigte sich wiederum überzeugt, dass es der ÖVP nur “um das Wohl ihrer eigenen Leute” gehe, schließlich hätte die FPÖ nach dem ersten Platz bei der EU-Wahl gern den Kommissar gestellt. NEOS-EU-Abgeordneter Helmut Brandstätter ist ebenfalls unzufrieden: “Die Besetzung eines derart wichtigen Amtes darf nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden.”