Von: luk
Bozen – Bei der Plenarsitzung im Südtiroler Landtag wurde heute über Freie Software, Wasserschutzzone II und Grenzschließungen debattiert.
Beschlussantrag Nr. 266/20: Digitale Nachhaltigkeit: Open-Source-Software Strategie (OSS-Strategie) (eingebracht von den Abg. Staffler, Foppa und Dello Sbarba am 17.03.2020); der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. eine Open-Source-Software Strategie für die Landesverwaltung auszuarbeiten mit dem Ziel, den Anteil von OSS-Produkten in der Landesverwaltung stetig zu erhöhen; 2. vorhandene OSS-Produkte und laufende OSS-Projekte weiterzuführen; 3. jährlich einen Bericht zur OSS-Strategie zu verfassen; 4. im Bericht für jede Neuanschaffung oder Lizenzverlängerung eines Informatikproduktes zumindest folgende Punkte zu behandeln: a) Vergleichende Bewertung zwischen OSS-Lösung und proprietärer Lösung; b) ausführliche Begründung, falls die Entscheidung für eine proprietäre Software-Lösung ausgefallen ist; c) Auflistung und Art der Wiederverwendung der OSS-Produkte, die von der Landesverwaltung eingesetzt werden oder für die Landesverwaltung entwickelt wurden; 5. den Bericht zur OSS-Strategie dem zuständigen Gesetzgebungsausschuss des Südtiroler Landtages vorzustellen.
Derzeit hänge man von 5 “Global Playern” ab, gab Hanspeter Staffler (Grüne) zu bedenken. Die öffentliche Verwaltung kaufe teure proprietäre Software ein, und mache sich dadurch abhängig. Bei Open-Source-Software könne man den Quellcode ansehen und auch verändern. In Österreich laufe die Diskussion langsam an, in Deutschland habe der Bundestag empfohlen, OSS-Lösungen im Zweifelsfall zu bevorzugen. Italien sei diesbezüglich voraus. In den Richtlinien zum Ankauf und zur Wiederverwendung von Software werde festgelegt, dass die öffentliche Verwaltung OSS-Lösungen bevorzugen müsse; der Kauf von proprietärer Software müsse eingehend begründet werden. Die von den Verwaltungen selbst entwickelte Software sei kostenlos an andere Verwaltungen weiterzugeben. Dadurch würden teure Lizenzgebühren entfallen. Die Verwendung von OSS sei auch ein Anreiz für IT-Techniker, in der öffentlichen Verwaltung mitzuarbeiten, weil sie in die Entwicklung eingebunden würden. Auch bei einer Auslagerung der Entwicklung kämen verstärkt lokale Unternehmen zum Zug. Leider habe Südtirol in der italienischen Schule zurückgerudert und das gute, mehrfach prämierte Projekt FUSS auslaufen lassen.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erinnerte an seine Anträge mit ähnlicher Stoßrichtung. Die Digitalisierung sei ein Fokus seiner Bewegung, und sie könne nur mit Open Source richtig gelingen, auch in den Betrieben.
Paul Köllensperger (Team K) sah sich in der Frage als Pragmatiker. Für manche Aufgaben gebe es keine OSS-Alternativen, für Texte usw. aber schon. Für die öffentliche Verwaltung wäre Open Source dienlicher als proprietäre Programme. Auch die Spending Review des Landes empfehle den Einsatz von OSS. Open Source sei nicht immer gratis, aber der Quellcode liege offen. Jedenfalls würde er im volkswirtschaftlichen Interesse dazu raten, den Antrag anzunehmen.
Brigitte Foppa (Grüne) sah es spannend, dass die Nachhaltigkeit auch mit der digitalen Welt in Verbindung gebracht werden könne. Auch die Biodiversität finde hier ihre Analogie. Man müsse vieles wachsen lassen, um sich nicht abhängig zu machen.
LH Arno Kompatscher freute sich über den pragmatischen Ansatz in der Debatte, der Vor- und Nachteile sehe. Italien sei Vorreiter, aber Südtirol gehöre hier nicht zu den Klassenbesten. Bei der Digitalisierung bestehe Nachholbedarf, wenngleich durch die Covidkrise vieles beschleunigt wurde. Die OSS-Strategie allein für die Landesverwaltung greife zu kurz, man müsse die ganze öffentliche Verwaltung im Auge haben. Hier spiele auch OSS eine Rolle, und das werde in die Digitale Agenda Eingang finden. Bereits begonnene OSS-Projekte würden weitergeführt, sofern sich nicht neue Erfordernisse ergäben. Beim FUSS-Projekt gehe es um eine Entscheidung der Bildungswelt, die ihre eigenen Erfordernisse zu berücksichtigen habe. Es sei erklärtes Ziel, alle Softwarelösungen, die im Hause erarbeitet werden, mit einer OSS-Lizenz zu versehen. Dies habe bei älterer Software aber wenig Sinn. OSS habe nicht nur wirtschaftliche Vorteile, manchmal seien sogar nur OSS-Lösungen möglich. Die Landesregierung stimme der Stoßrichtung des Antrags zu, aber manchmal kämen nur proprietäre Programme in Frage. Diese Prinzipien, die richtig seien, würden in der Digitalen Agenda 2020-25 berücksichtigt.
Man müsse sich rüsten, damit man nicht in die digitale Abhängigkeit gerate, mahnte Hanspeter Staffler. Es gehe darum, die staatliche und die europäische Strategie umzusetzen. Die Position der Landesregierung zum FUSS-Projekt sei zu überdenken. Digitale Vielfalt sei auch in der Didaktik sehr wichtig.
Der Antrag wurde mit zwölf Ja, 16 Nein und zwei Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 325/20: Trinkwasserschutzgebiet- Erweiterung (eingebracht von den Abg. Faistnauer, Köllensperger, Ploner A., Ploner F. und Rieder am 31.08.2020); der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. ab 2023, jedoch spätestens sobald von der EU diesbezügliche Richtlinien und nationale Richtlinien auch bei uns in Südtirol angewandt werden müssen, in Zone II gleich wie in Zone I keinen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mehr zuzulassen, auch nicht von biologischen PSM. 2. entsprechende Entschädigungszahlungen an die Grundbesitzer vorzusehen, im Falle umstellungsbedingter Ernteausfälle bzw. Ertragsreduzierung. 3. Die betroffenen Grundbesitzer mit Hilfe der Laimburg, SBB, Bioland Südtirol, Eurac u.a. dabei zu unterstützen, die Flächen in der betroffenen Zone Il in diesem Sinne zu bewirtschaften. (z.B. Baumkulturen, welche keine Behandlungen benötigen, aber auch ein landwirtschaftliches Produkt liefern).
“Durch landwirtschaftliche Nutzung der Natur entstehen teilweise Konfliktsituationen, mit bedeutendstem Potenzial in Gebieten von Trinkwasserquellen”, erklärte Peter Faistnauer (Team K). “Es landen Agrochemikalien, organischen Stoffe, Arzneimittelresten, Sedimenten und Salze in den Gewässern. Im Fall von Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln gelangen besonders Schwermetalle wie Kupfer und Schwefel in die Erde und ins Grundwasser. Ziel der Trinkwasserschutzgebiete ist es, die Gesamtheit und die Qualität des Grundwassers zu schützen. Gülle aus Viehhaltungsbetrieben, Treibstoffe, Pflanzenschutzmittel usw. können nämlich in den Untergrund dringen und dadurch das Trinkwasser verseuchen, aber auch bauliche Eingriffe können zur Trockenlegung oder zur Beschädigung der Quellen führen. Es ist darum besonders wichtig, die Wasserzuflüsse vor Verunreinigungen und potenziell gefährlicher Tätigkeiten zu schützen. Die Zone II wird auch als 50-Tage-Zone bezeichnet und hat eine Fläche von 5 bis 10 ha. Schätzungen zufolge bleibt das Wasser in dieser Zone weniger als 50 Tage im Untergrund. Diese Zeit ist notwendig, um die im Wasser vorhandenen Krankheitserreger zu inaktivieren. Leicht abbaubare organische Verbindungen und Krankheitserreger (Bakterien) sollen in dieser Zone nicht mit dem mit Wasser gesättigten Untergrund in Kontakt kommen und die Grabungen sollen auch nicht das Grundwasser beeinträchtigen. Es kann eine Höchsttiefe für Grabungen vorgeschrieben werden und die Bautätigkeiten können Restriktionen unterliegen. Die Kanalisation soll sich außerhalb der Zone befinden oder mit eigens dazu bestimmten Sicherheitssystemen ausgestattet sein. Im Prinzip ist der Einsatz von flüssigem Dünger nicht erlaubt und die anderen Düngemittel können nur im Ausmaß des für die landwirtschaftlich genutzten Flächen unbedingt Notwendigen verwendet werden. Das Weiden, das in den Alpenregionen üblich ist, ist im Allgemeinen gestattet. In dieser Zone dürfen ausschließlich Pflanzenschutzmittel der Positivliste eingesetzt werden. Für eine weitere Entschärfung von Konfliktsituationen entstehend aus landwirtschaftlicher Nutzung ist es wichtig, Alternativen anzubieten, indem Förderungen Bauern dazu motivieren, ihre Landwirtschaft umzustellen und sich neu zu orientieren.”
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) wies auf Daten zu einer erhöhten Nitratkonzentration in einigen Gebieten hin. Die Trinkwasserqualität in Südtirol sei im Allgemeinen gut. Wenn in Zone II nicht mehr produziert werden könnte, müssten 196 Höfe schließen. Dies sage alles über diesen Beschlussantrag, den seine Fraktion ablehnen werde.
Es gehe um Gebiete, auf denen seit Jahrhunderten Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden, früher Kupfer und Schwefel, heute anderes, meinte LR Arnold Schuler. Man habe keine Rückstände oberhalb der Grenzwerte gefunden, und die Wasserqualität sei einwandfrei. Die vom Antrag betroffenen Weinbauflächen, die auch den Bioanbau einschließen würden, wären z.B. das historische Weinbaugebiet von Kurtatsch und Margreid oder der Weißburgunder Schulthaus der Kellerei St. Michael. Hier würde auch historische Kulturlandschaft eliminiert.
Manfred Vallazza (SVP) wunderte sich über so einen Antrag aus der Feder eines Bauern. Damit müssten 200 Höfe schließen. Das Team K rede doch sonst über den Vorteil lokaler Produkte.
Die Zone II sei immer schon die kritische Zone gewesen, berichtete Franz Locher (SVP). Sie betreffe viel Fläche. Die Annahme des Antrags würde in den Gemeinden für ein Erdbeben sorgen. In der Zone II würden bereits regelmäßig Kontrollen durchgeführt, eine Verschärfung wäre nicht notwendig.
Hanspeter Staffler (Grüne) sah den Schulthaus als gutes Argument, auf so etwas wolle man nicht verzichten. Er lese den Antrag aber anders, er sehe hier eher eine Botschaft des Vorbeugens. Dem Antrag könne er nur zustimmen, wenn der biologische Anbau ausgenommen werde.
LR Giuliano Vettorato sah Südtirol bezüglich Wasserversorgung in einer glücklichen Lage. Das Grundwasser habe durch die Grasschicht bereits einen gewissen Schutz, das Oberflächenwasser nicht, für diese seien die Bestimmungen strenger. Die Gewässer würden regelmäßig geprüft. Der Staat lasse 135 Pflanzenschutzmittel zu, das Land nur 45, und man sei ständig auf der Suche nach Alternativen. Insgesamt könne man sagen, dass die Sicherheit unseres Wassers garantiert sei.
Peter Faistnauer wandte sich gegen die plakative Darstellung durch Leiter Reber. Er habe selbst mit betroffenen Bauern recherchiert, und es seien nicht so viele wie befürchtet. Es handle sich zudem oft um Nebenerwerbsbauern. Anstatt eine Entschädigung könne man auch eine Kompensation mit anderen Flächen andenken. Die Biobauern würde er von Antrag ausnehmen, damit könnten auch die genannten Weinbaulagen weiter betrieben werden. Er habe mit beiden Landesräten das Gespräch gesucht, aber das sei nie zustande gekommen.
Punkt 1 (ohne “auch nicht von biologischen PSM”) wurde mit elf Ja und 22 Nein abgelehnt, Punkt zwei mit elf Ja und 22 Nein, Punkt drei mit sieben Ja und 26 Nein.
Beschlussantrag Nr. 321/20: Zweite Corona-Welle: Zusammenarbeit in der Europaregion Tirol, um neuerliche Grenzschließung zu verhindern (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 27.08.2020). Die Einbringer haben dazu heute eine neue Fassung vorgelegt: 1. Der Südtiroler Landtag spricht sich gegen eine neuerliche Grenzschließung bzw. gegen verschärfte Grenzkontrollen und gegenseitige Reisewarnungen innerhalb der Europaregion Tirol aus. 2. Der Südtiroler Landtag verpflichtet die Südtiroler Landesregierung – in Zusammenarbeit mit den anderen Landesregierungen der Europaregion Tirol – ein gemeinsames Konzept zur Vorbeugung und Bekämpfung einer zweiten Corona-Welle auszuarbeiten, damit es zu keiner neuen Grenzschließung bzw. zu keinen verschärften Grenzkontrollen und gegenseitige Reisewarnungen innerhalb der Europaregion Tirol kommt. 3. Der Südtiroler Landtag spricht sich dafür aus, dass dieses gemeinsame Konzept zur Vorbeugung und Bekämpfung einer zweiten Corona-Welle in der Folge auch mit den Vertretern der EU sowie mit den Regierungsvertretern in Wien und Rom abgestimmt wird, damit etwaige staatliche Maßnahmen auf das gemeinsame Vorgehen der Europaregion Tirol Rücksicht nehmen. 4. Der Südtiroler Landtag spricht sich gegen eine generelle Maskenpflicht im Freien aus und fordert die Landesregierung auf, mittels eigener Landesverordnung festzulegen, dass Masken in Südtirol nur dort vorgeschrieben werden, wo sie aus medizinischer Sicht sinnvoll und notwendig sind.
“Die Zahl der Corona-Infektionen steigt in ganz Europa wieder stark an”, stellte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fest. “Damit verbunden geht auch die Sorge einher, dass es bei einer zweiten Welle im Herbst erneut zu restriktiven Maßnahmen ― bis hin zu Grenzschließungen ― kommen kann. Die Grenzschließungen im Frühjahr dieses Jahres haben leider eindrucksvoll gezeigt, dass die Staatsgrenzen im vereinten Europa nicht verschwunden sind. Von einem Tag auf den anderen wurden nicht nur die Tiroler Landesteile, sondern auch Familien und Freunde voneinander getrennt. Die Versorgung von Patienten in den Krankenhäusern, die schnelle und flächendeckende Testung, der Ankauf und die Verteilung von Schutzausrüstung, Gesundheitskontrollen sowie aufeinander abgestimmte Verordnungen zur Bekämpfung der Infektion, all das ließe sich gemeinsam wesentlich effizienter und zielgerichteter organisieren und umsetzen. Die Europaregion Tirol sollte sich daher gemeinsam auf eine mögliche zweite Welle vorbereiten und Konzepte ausarbeiten, damit eine neuerliche Grenzschließung verhindert werden kann. Die Europaregion Tirol würde damit zu einem echten europäischen Vorzeigeprojekt, welches aufzeigt, wie Krisen nicht durch Abschottung und Grenzschließungen bekämpft werden, sondern mit vereinten Kräften.” Knoll plädierte auch für eine europäische Regelung zu den Reisewarnungen. Die Schutzbestimmungen müssten nachvollziehbar sein, sonst würden sie nicht eingehalten.
Südtirol spüre hier den Nachteil als Grenzregion, meinte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). In solchen Situationen werde die Grenze wieder spürbar, und das betreffe private und berufliche Kontakte. Für viele Betriebe komme eine Grenzschließung einem Lockdown gleich. Umso mehr müsse man die Europaregion bemühen, um gemeinsame Lösungen zu finden. Gerade in Krisenzeiten könne sich die Europaregion beweisen.
Die Debatte wird am Nachmittag wieder aufgenommen.