Von: mk
Bozen – Hoffnung und Wut lagen in der Luft, Empörung und begeisterter Aufbruch. Lange aufgestaute Gefühle und Sorgen kamen ans Tageslicht und eine ganze Generation wusste ihre Sprachlosigkeit ein für allemal überwunden: Vor drei Jahren, am 15. Februar 2019, fand die erste Klimademo unter dem Schlagwort „Fridays for Future“ in Bozen statt. Es kamen rund 4.000 Jugendliche aus allen Landesteilen zusammen – eine sprachgruppenübergreifende Mobilisierung von unten, die in der Geschichte Südtirols ihresgleichen sucht. Der Bozner Klimastreik im Februar 2019 bildete übrigens den fulminanten Auftakt für die Bewegung in ganz Italien. Nur einen Monat später sollten in Bozen wieder tausende Schüler, Studierende und Eltern für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen. Das allgemeine Ziel: Aus der Zivilgesellschaft Druck ausüben, damit Klimaschutz endlich oberste Priorität wird.
Es folgten 2019 weitere große Protestkundgebungen. Von der großen Überzeugung und Motivation der Aktivistinnen und Aktivisten zeugten aber auch die anderen Aktionsformen, die nach und nach erprobt wurden: Kleidertausch, Fahrradkorsos, Diskussionsabende usw. Mit ihnen hat Fridays for Future seinen Protest diversifiziert und es gelang der Bewegung, immer mehr Menschen im Land anzusprechen.
„Die wollen nur Schwänzen, mit den Ferien hört das alles eh auf“
Die ersten Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Klimademos waren oft wenig schmeichelhaft. Letzten Endes waren aber alle Versuche, die Demos als „Schwänzerei“ zu schmähen, kläglich zum Scheitern verurteilt: Die Botschaft von Fridays for Future, von so vielen Menschen überzeugt mitgetragen, bahnte sich auch hierzulande selbstbewusst ihren Weg. Und die Landespolitik begann, sich verstärkt mit Fragen des Klimaschutzes auseinanderzusetzen. „Noch viel zu ungenügend, wie wir meinen, aber sie hat die ersten Schritte gesetzt. Der Ausbruch des Coronavirus ließ in den letzten zwei Jahren große, medienwirksame Kundgebungen zwar nicht zu; doch der Einsatz für den Klimaschutz wurde, an neue, widrige Bedingungen angepasst, auch im digitalen Raum fortgeführt, später dann mit kleineren Aktionen im Freien“, erklären die Vertreter von Fridays For Future Southtyrol. Die Coronakrise habe Fridays for Future South Tyrol nicht gebremst, sondern an neuen Erfahrungen reifen lassen. „Nach drei bewegten Jahren lässt sich zusammenfassen: Von einem ausreichenden Klimaschutz sind wir in Südtirol, Italien und Europa noch weit entfernt und die Politik setzt sich meist alles andere als ehrgeizige Ziele, Emissionen zu reduzieren; doch dass sie sich Ziele setzen muss, und dass überhaupt hierüber diskutiert wird, ist eine erste große Errungenschaft. Und weitere müssen folgen!“, so die Bewegung.
Wofür braucht’s eigentlich Fridays for Future?
Natürlich fragt man sich auch, was Fridays for Future hier und weltweit eigentlich ausmacht. „Es steht für einen großartigen, kollektiven Lernprozess, mit dem sich eine ganze Generation selbst zur politischen Mündigkeit erzogen hat und weiter erzieht. Wir wissen, dass der menschengemachte ‚Klimawandel‘ eigentlich eine regelrechte Katastrophe ist, die schon jetzt zum Massensterben von vielen Spezies führt und in den kommenden Jahren Fluchtbewegungen und harte Konflikte rund um knapper werdende Ressourcen anheizen wird. Tatsache ist: Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Und wir mussten dazu feststellen, dass die herrschende politische Klasse nicht in der Lage ist, den mutwilligen Raubbau an den natürlichen Grundlagen der menschlichen Zivilisation aufzuhalten“, so die Bewegung.
Die krisengeschüttelte Gegenwart biete jungen Menschen nur noch düstere, dystopische Horrorszenarien, wenn es um die Zukunft geht. „Diese bittere Analyse führt in uns aber gerade nicht zur Resignation, sondern bestärkt uns darin, einen neuen, realistischen Aktivismus zu leben – desillusioniert, aber umso beständiger; nicht utopisch, sondern klar wissenschaftlich und umso schlagkräftiger. Die Wissenschaft, über die Straßen und Plätze in die Gesellschaft zu tragen – das war und ist entsprechend ein Kernanliegen der Bewegung. Fridays for Future. Es gehe nicht darum, diese oder jene Ideologie oder Utopie zu verbreiten. „Nein, was wir fordern, ist, dass die Entscheidungsträgerinnen und -träger sich endlich entscheiden, und zwar für unsere Zukunft, und auf Basis der Fakten und Analysen, die uns die Wissenschaft gibt. Und es besteht kein Zweifel: Fridays for Future hat den politischen Diskurs auch in Italien nachhaltig verändert. Dass Klimaschutz unlängst in die Verfassung aufgenommen wurde (es war längst überfällig), verdeutlicht, dass dieses Thema nun wirklich so sehr im Fokus steht, dass keine politische Kraft an ihm vorbeikommt. Das spornt zu mehr an“, erklärt die Bewegung.
FFF: Auf der richtigen Seite der Geschichte, auf der Seite der Zukunft!
Für die kommenden Jahre stellt sich der globalen Klima-Bewegung – ebenso wie für den lokalen Ableger in Südtirol – die komplexe Aufgabe, aus einer Protestbewegung ein im besten Wortsinne konstruktiver gesellschaftlicher Faktor zu werden, das heißt, sich noch mehr mit ähnlichen Bewegungen und Gruppen zu vernetzen und sich in immer mehr Sektoren wirkungsvoll einzubringen. Dieses „Erwachsenwerden“ dürfe und werde aber nicht dazu führen, den systemkritischen und systemüberwindenden Impuls von Fridays for Future aufzugeben.
„Nein, der, toxische, fossile Kapitalismus liegt im Sterben; er wird nur noch künstlich und mit so horrenden ökologischen und menschlichen Opfern am Leben gehalten, dass er es nicht mehr schaffen wird, uns aufzuhalten, die wir längst an einer neuen, anderen Welt bauen. Es gibt keine lebenswerte und humane Alternative zur sozial-ökologischen Umwälzung der globalen Gesellschaft, und Fridays for Future wird weiter dazu beitragen, das Bewusstsein hierfür zu schärfen: Die Propaganda des Wettbewerbs und der Leistungsgesellschaft haben ausgedient, die Tage des konzernfreundlichen ‚green-washing‘ sind gezählt. Innerlich tief erschüttert, aber doch unbeeindruckt von einem System, das nur noch Krisen produziert, wird die ‚Generation Klimastreik‘ ihren schwierigen Weg weitergehen – in Südtirol und weltweit – und alles tun, um das gemeinsame ‚Haus‘ Erde gegen die zu verteidigen, die es willentlich und wissentlich zerstören. Wir haben die Menschheit noch nicht aufgegeben, und die Zukunft gehört uns!“, erklärt die Bewegung abschließend.