Von: ka
Bozen – Die Welt hält den Atem an. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine eskaliert der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen der Ukraine und Russland auf dramatische Weise. Während der Krieg bereits im Gange ist, laufen trotz der in Aussicht gestellten scharfen Sanktionen noch immer fieberhafte Versuche, das drohende Blutbad abzuwenden.
Der Kontrast zu Südtirol könnte nicht größer sein. Zwischen dem Ärger über steigende Energiepreise und über weiterhin fortbestehende Corona-Einschränkungen werden die Jahrtage zweier wichtiger Ereignisse, die die friedliche Beilegung des Südtirolkonflikts markieren – 50 Jahre Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatus und 30 Jahre Streitbeilegung – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
An sich ist das eigentlich kein schlechtes Zeichen. Es zeigt, dass abgesehen von einigen nie zufriedenen Maximalisten, die für das eigene politische Überleben nichts mehr benötigen als einen offenen Konflikt, der Frieden im Land dermaßen stark und fest ist, dass er von den Südtirolern gleich welcher Zunge kaum mehr wahrgenommen wird. Andererseits hat der jahrzehntelange Frieden, der das wirtschaftliche und soziale Gedeihen des Landes erst ermöglicht hat, die Südtiroler träge gemacht. Frieden wird von den Menschen im Land als etwas Selbstverständliches angenommen.
Das ist aber ein Fehler. Nicht zuletzt die Pandemie und die folgende tiefe Spaltung zwischen der übergroßen Mehrheit der Geimpften und der kleinen Minderheit der Impfgegner demonstriert, wie schnell Frieden und gesellschaftliche Solidarität im Land bröckeln können. Das sollte uns dazu mahnen, dass der Frieden wie ein Rebstock fast täglich gehegt und gepflegt werden muss, damit er Früchte tragen kann.
Gerade mit Blick auf die Ukraine sollten wir uns hüten, Frieden als etwas Selbstverständliches hinzunehmen, und genau deshalb ist es wichtig, daran zu gedenken, welche Meilensteine – vom Pariser Abkommen über die Zweite Autonomie bis hin zur Streitbeilegung – uns bis zum Südtirol des 21. Jahrhunderts begleitet haben.
Südtirol ist es gelungen, das blutige 20. Jahrhundert hinter sich zu lassen. Helfen wir mit unserem Rat und unserem Beispiel anderen dabei, eine bereits in Gang gesetzte Spirale der Gewalt rechtzeitig zu unterbrechen.