Von: mk
Bozen – Zu Beginn der heutigen Landtagssitzung erklärte Präsident Roberto Bizzo im Namen des Landtags Senator Hans Berger seine Solidarität, der von einem Journalisten (im Radiosender des “Sole 24 Ore”) beleidigt worden war, weil er bei einer Stellungnahme in Rom die deutsche Sprache verwendet hat. Dies sei eine Beleidigung auch der Verfassung, die die Minderheiten schütze, und damit auch des italienischen Volkes.
Bizzo erklärte auch sein persönliches Missfallen für die Entscheidung der Bozner Taxikommission, einem Taxifahrer nicht die Lizenz zu entziehen, der eine Kundin angegriffen habe. Damit würden alle Bemühungen um Chancengleichheit und zugunsten der Frauen entkräftet.
Alessandro Urzì kritisierte, dass Bizzo seine Stellungnahme im Plenum abgegeben habe; damit werde eine Tür geöffnet, um während der Sitzungen über alles zu reden. Präsident Bizzo betonte, dass er seine Stellungnahme vor Eröffnung der Sitzung abgehalten habe und dass der Präsident sehr wohl befugt sei, im Namen des Landtags zu sprechen. Dieter Steger verteidigte den Präsidenten, der das Recht habe, im Namen des Landtags Stellung zu nehmen; das bedeute aber nicht, dass nun jeder Abgeordnete zu jedem Tagesthema Stellung nehmen könne.
Der Landtag hat anschließend die Artikeldebatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 107/16: „Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Stabilitätsgesetz 2017“, wieder aufgenommen. Art. 1 war bereits gestern Abend genehmigt worden.
Art. 1 sieht Änderungen am Wohnbaugesetz vor. Hans Heiss beantragte die Streichung von Absatz 2, Paul Köllensperger jene von Absatz 6, den er Als Ad-hoc-Lösung für das Projekt in der Cadornastraße sehe. Es handle sich um Einzelbestimmungen, die dringend seien, in Erwartung der organischen Wohnbaureform, erklärte LR Christian Tommasini. Die Streichungsanträge wurden abgelehnt, angenommen wurde ein Änderungsantrag von LH Kompatscher zu Co-Housing und Co-Working.
Art. 2 nimmt Änderungen am Raumordnungsgesetz vor. Paul Köllensperger forderte eine Streichung der Bestimmung zum Verkauf von Bauernprodukten in landwirtschaftlichen Genossenschaften und wurde darin von Hans Heiss und Andreas Pöder unterstützt. Die anderen Lebensmittelgeschäfte hätten bestimmte Auflagen einzuhalten und dürften nicht in der Gewerbezone verkaufen, meinte Pöder, irgendwann müsse mit den Privilegien genug sein. Sigmar Stocker meinte hingegen, dass diese Verkaufsmöglichkeit keine Konkurrenz zu den Bauernmärkten sei; auf jeden Fall brauche es strenge Kontrollen. Walter Blaas bezeichnete die Maßnahme als überlegenswert, man müsse aber den Gefahren einer unlauteren Konkurrenz entgegenwirken. Die Bauern könnten bei der Bevölkerung punkten, wenn sie die GIS-Befreiung den Kunden als Preisvorteil weitergeben würden. Es sei eine Maßnahme zur Förderung der Produktvielfalt und die Möglichkeit für kleine Betriebe, ihre Produkte über ihre Genossenschaft zu vermarkten, erklärte Maria Hochgruber Kuenzer. Bisherige Aktionen zum Verkauft heimischer Lebensmittel hätten wenig gefruchtet. Einzelne kleine Betriebe könnten die Kontinuität ihres Warenangebots schwerlich garantieren, über eine Genossenschaft gehe das leichter. Man brauche keine Angst haben, hier könnten neue Geschäfte entstehen, die Produktmenge sei überschaubar. Arnold Schuler begrüßte den Trend zu regionalen Produkten, und das Land wolle mit dem neuen Aktionsplan diese Möglichkeit auch besser nutzen. Die Frage sei, wie man diese Produkte vermarkte. Die Bauernmärkte seien ein Erfolg und eine Bereicherung, ebenso die Hofläden. Der Verkauf in den Genossenschaften könnte zu diesen eine Konkurrenz werden, und es wäre auch schwer zu kontrollieren, woher diese Produkte kämen. Schuler plädierte daher für die von LH Kompatscher vorgeschlagene Änderung, wonach nur jene Produkte in den Genossenschaften verkauft werden können, welche die Landesregierung genau festlegt. Sven Knoll sprach sich gegen die Maßnahme aus, die Bauernprodukte sollten im Dorf verkauft werden, von den Läden oder den Bauern selber, das sei auch ein Gewinn für das Dorf. Pius Leitner plädierte dafür, den ganzen Artikel zu streichen und auf die Raumordnungsreform zu warten. Knolls Vorschlag sei richtig, aber nicht durchführbar. Wenn man den Bergbauern helfen wolle, müsse man alles tun, um ihnen das Leben zu erleichtern. Es sei sowohl das Überleben der Bergbauern wie der kleinen Läden zu sichern, meinte Dieter Steger. Die Bauern hätten bereits Möglichkeiten, ihre Produkte zu verkaufen. Er unterstütze aber den Änderungsantrag von LH Kompatscher, mit dem die Möglichkeit auf die eigenen Produkte eingeschränkt würde. Aus der Sicht des Tourismus sei die Möglichkeit sehr interessant, erklärte Myriam Atz Tammerle, die Gäste fragten danach. Man müsse aber aufpassen, dass es nicht zu Preisdumping komme und dass man nicht Großbetrieben die Tür öffne. LH Arno Kompatscher erinnerte daran, dass der ganze Artikel einige dringliche Bestimmungen enthalte, um Gesetzeslücken zu vermeiden, die sich mit Verfassungsgerichtsurteilen aufgetan hätten. Mit diesen Artikeln werde die Rechtslage von vorher wieder hergestellt. Der Änderungsantrag von LH Kompatscher wurde mit 18 Ja, einem Nein und zwölf Enthaltungen genehmigt, die anderen wurden abgelehnt.
Nach dieser Abstimmung befürchtete Andreas Pöder, dass der Konsens in der Bevölkerung zur Landwirtschaft kippen könnte; man dürfe den Bogen nicht überspannen. Walter Blaas betonte die Notwendigkeit eines Ausgleichs, es bleibe sonst der Eindruck, eine starke Lobby wolle sich auf Kosten anderer durchsetzen. Maria Hochgruber Kuenzer wies darauf hin, dass über hundert Betriebe pro Jahr die Milchwirtschaft aufließen, eine Hilfe wäre also berechtigt. Man nutze ja nur bereits bestehende Verkaufsflächen. Auf Nachfrage von Hans Heiss erläuterte LH Arno Kompatscher den Abs. 3, in dem es um Miteigentum und Eintragung ins Grundbuch gehe.
Der Artikel wurde mit 17 Ja und 14 Enthaltungen genehmigt.
Art. 3 bis 7 wurden ohne Debatte genehmigt.
Art. 8 betrifft das Gesamtstellenkontingent des Landes. Alessandro Urzì und Paul Köllensperger haben dazu einen Änderungsantrag vorgelegt, der eine Sanierung von 105 prekären Arbeitsverhältnissen in der italienischen Schule vorsieht. In ganz Italien würden Supplenten nun fest angestellt, erklärte Alessandro Urzì, auch Südtirol sollte dieses Kapitel abschließen. Außerdem sollten 22 neue Stellen für Personen mit Beeinträchtigung vorgesehen werden. Für die deutsche Schule seien im Gesetzentwurf 70 neue Stellen vorgesehen, für die italienische keine. Das Land habe in den vergangenen Jahren 6 Mio. Euro ausgegeben, um diese Lehrer auszubilden, und könne ihnen jetzt nicht eine Anstellung verwehren. Es gehe hier um die Ranglisten mit Auslaufcharakter, für die auf dem restlichen Staatsgebiet eine Anstellung vorgesehen sei, erklärte Paul Köllensperger. Die 105 betroffenen Lehrer befänden sich in einer prekären Situation, die sie sich nicht verdient hätten, sie könnten auch nicht zu Schulen in anderen Provinzen wechseln. Das Trentino plane diese Einstellung für 900 Lehrer. Riccardo Dello Sbarba kündigte seine Unterstützung an. Hier seien dieselben Kriterien auf unterschiedliche Situationen angewendet worden, denn anders als die deutsche und ladinische Schule sei die italienische Schule eng mit dem gesamtitalienischen Schulsystem verknüpft. LR Christian Tommasini warnte vor der Verbreitung falscher Tatsachen mit ethnischem Hintergrund. Mit der Aufstockung in der deutschen Schule bereinige man ein Ungleichgewicht im Verhältnis von Lehrer- und Schülerzahl. In der italienischen Schule sei die Situation anders. Das Problem der prekären Stellen sei echt, und die Landesregierung bemühe sich um eine Lösung, aber die könne nur in Verhandlung mit Rom erreichen. Es sei auch nicht wahr, dass man in Italien das Problem jetzt gelöst habe. Die Landesregierung versuche derzeit, die betroffenen Lehrer in geeignete Projekte einzubinden, etwa zur Inklusion.
Der Änderungsantrag von Urzì und Köllensperger wurde abgelehnt. Angenommen wurde ein Antrag von LH Kompatscher, der auch das Verwaltungspersonal des Verwaltungsgerichts betrifft – die Zuständigkeit dafür war im Frühjahr vom Staat auf das Land übertragen worden.
Der Artikel wurde mit 19 Ja und 13 Enthaltungen genehmigt.
Art. 9 wurde ohne Debatte genehmigt.
Art. 10 betrifft die Förderung der nachhaltigen Mobilität. Andreas Pöder beantragte, dass die Mehreinnahmen bei KFZ-Steuer, die vor allem der Registrierung auswärtiger Mietwagenfirmen zu verdanken sei, für eine Senkung der KFZ-Steuer zugunsten der Ansässigen zweckbestimmt wird. Die Mehreinnahmen habe man, weil Südtirol die günstigsten Steuersätze habe, antwortete LH Arno Kompatscher, diese Einnahmen wolle man für die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel einsetzen. Pöders Antrag wurde abgelehnt. Pöder bezeichnete die Förderung der ökologischen Fahrzeuge als Trick der Autoindustrie, der frühere Wechsel eines Fahrzeugs führe zur negativen Umweltbilanz. LH Kompatscher widersprach dieser These. Der Artikel wurde mit 20 Ja bei 9 Enthaltungen genehmigt.
Art. 10-bis wurde ohne Debatte genehmigt.
Art. 10-ter betrifft die lokalen örtlichen Dienstleistungen. Hans Heiss beantragte die Streichung einiger Teile des Artikels. Damit würden öffentliche Beteiligungen neu definiert, damit würden sich für Land und Gemeinden neue Beteiligungsmöglichkeiten öffnen, was dem allgemeinen Trend zum Rückzug aus dem Privaten entgegenstehe. Damit werde ein breites Tätigkeitsfeld eröffnet, Messen, Skilifte u.a. Hier gehe es nicht um die Dorflifte, sondern um Größeres wie etwa die Beteiligung der Gemeinde Innichen am Skigebiet Sexten-Sillian-Helm. Es seien Geschäftsfelder, die nicht zum Kernbereich der öffentlichen Verwaltung gehörten. Paul Köllensperger beantragte die Streichung des ganzen Artikels, diese Materie müsste mit eigenem Gesetz geregelt werden. Alle nicht strategischen Beteiligungen sollten von der öffentlichen Hand abgestoßen werden. Es sei nicht leicht festzustellen, was strategisch sei und was nicht, meinte Walter Blaas und verwies auf die Absicht der Gemeinde Bozen, weitere Aktien der Brennerautobahn zu kaufen. Die wichtigste Frage sei, wie man die Abgrenzung strategisch/nichtstrategisch festlege. Mit der Privatisierungswelle in Italien habe man auch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, meinte LH Arno Kompatscher. Es bleibe weiterhin aufrecht, dass die Gemeinden ihre Beteiligungen rationalisieren. Die Dorflifte bedeuteten auch Arbeitsplätze und seien im Sinne der Dorfgemeinschaft – wo eine Beteiligung Sinn mache, solle sie auch möglich sein.
Die Streichungsanträge wurden abgelehnt. Sven Knoll kündigte seine Neinstimme zum Artikel ab. Dieser ermögliche eine Beteiligung auch wenn die Bevölkerung Nein zum Projekt gesagt habe. Der Artikel wurde mit 16 Ja, neun Nein und sechs Enthaltungen genehmigt.
Die Art. 10-quater bis 10-septies wurden ohne Debatte genehmigt.