Putin soll von „Jahrhundertdeal“ mit Trump träumen

„Fühlt sich Russland berechtigt, andere Länder anzugreifen?“

Freitag, 07. März 2025 | 08:18 Uhr

Von: ka

Washington/Moskau – Nach den fast täglichen Meldungen, dass die USA der Ukraine buchstäblich den Teppich unter den Füßen wegziehen wollen – nach dem Eklat im Weißen Haus wurden ein Waffenlieferungsstopp und zuletzt ein Verbot der Weitergabe von Geheimdienstinformationen verhängt – herrscht im Kreml eitle Freude.

Aus Putins politischer Sicht ist es aber fast noch wertvoller, dass die von der Trump-Administration geführten USA Russland wie zu den besten Zeiten des Kalten Krieges als eine den USA praktisch ebenbürtige Supermacht anerkennen.

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Angesichts der sich abzeichnenden Niederlage der Ukraine wagt man in Moskau wieder, vom längst verlorenen Sowjetimperium zu träumen. Die Frage, ob Russland sich berechtigt fühlt, nach der Ukraine möglicherweise weitere Länder anzugreifen, kann daher fast sicher mit Ja beantwortet werden. Gerüchten auf regierungsnahen Internetseiten zufolge will Wladimir Putin Trump eine Neuaufteilung der Einflusszonen wie im fernen Jalta 1945 vorschlagen. Das erste Land auf Putins „Speisekarte“ sei, wenig überraschend, Moldau, meint Marco Imarisio, Journalist beim Corriere della Sera.

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Als der amerikanische Journalist John Reed seine Reportage über die Russische Revolution von 1917 schrieb, nannte er sie „Die zehn Tage, die die Welt erschütterten“. Doch seit dem ersten Telefongespräch zwischen Donald Trump und Wladimir Putin scheint jeder Tag eine Revolution oder ein Umsturz der alten Weltordnung zu sein – vorausgesetzt, es gibt sie noch. In der täglichen Flut von Trumps Äußerungen, die fast immer Hiobsbotschaften für die Ukrainer enthalten, drohen jedoch jene „Grundlinien“ unterzugehen, die auf langfristige politische und militärische Ziele hindeuten.

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Die Financial Times gelangte kürzlich in den Besitz eines Dokuments der Moskauer Regierung vom April letzten Jahres, das Premierminister Michail Mischustin bei einem informellen Treffen einigen wenigen, aber vertrauenswürdigen Gästen präsentierte. Unter diesen Gästen befanden sich unter anderem Sergej Karaganow, bis vor wenigen Jahren Imagepfleger des russischen Präsidenten und überzeugter Befürworter des Einsatzes von Atomwaffen gegen europäische Staaten, sowie der bekannte ultranationalistische Philosoph Alexandr Dugin.

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Vor einem Jahr war Donald Trump noch weit davon entfernt, ins Weiße Haus zurückzukehren, und die russische Armee hatte zwar die ukrainische Gegenoffensive zurückgeschlagen, begann aber erst langsam, gegenüber den Kiewer Streitkräften an Boden zu gewinnen. Vor zehn Monaten war noch nicht abzusehen, dass Wladimir Putin wieder zum bevorzugten Gesprächspartner Washingtons werden würde.

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In der Lagebeurteilung der russischen Regierung wurde die „konkrete Befürchtung“ geäußert, dass die westlichen Sanktionen in den Ländern der „russischen Makroregion“ zu tiefe Spuren hinterlassen könnten, was den Einfluss Russlands auf die Länder der ehemaligen Sowjetunion schwächen würde.

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Doch diese „Albträume des Kremls“ gehören der Vergangenheit an. Heute, mit dem neuen Supermachtstatus, den Trump Russland zuerkannt hat, kann sich Russland wieder eine in Einflusssphären aufgeteilte Welt wie zu Zeiten der UdSSR vorstellen. Denn der Kreml hat schon immer davon geträumt, die mit dem Zerfall des Sowjetimperiums verlorene Macht wiederzuerlangen und sie in einer Form auszuüben, die die Länder, die zu ihm gehörten, kaum als zu „weich“ empfinden würden. Durch die gemeinsame russische Sprache, das letzte Erbe der fast fünfzig Jahre unter dem Eisernen Vorhang, hofft Moskau, wirtschaftlichen, politischen und militärischen Einfluss auf seine unmittelbare Umgebung ausüben zu können.

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„Warum nicht eine militärische Koalition zwischen uns und den USA bilden und Europa unter sich aufteilen?“, fragte vor einigen Tagen der bekannte Fernsehpropagandist Wladimir Solowjow zur besten Sendezeit. Nicht der Inhalt des Satzes zählt, sondern die Tatsache, dass er ihn aussprach und damit dem russischen Volk aus der Seele sprach. Plötzlich kann man wieder vom verlorenen Imperium träumen.

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Auf regierungsnahen Seiten kursieren in diesen Tagen angebliche Gerüchte über geheime Pläne der russischen Führung, wonach Putin Trump einen „Jahrhundertdeal“ über die Aufteilung von Einflusszonen vorschlagen wolle, eine Art Neuauflage von Jalta 1945. „Moskaus Ziel ist es, den Westen aus dem postsowjetischen Raum herauszuhalten, indem er im Gegenzug für Zugeständnisse in strategischen Bereichen Russlands Dominanz anerkennt. Washington ist bereit, die russische Hegemonie in der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, die nach dem Zerfall der UdSSR entstand) zu akzeptieren. Trump will sich auf China und den Nahen Osten konzentrieren, die Ukraine ist ihm ein Dorn im Auge, und die antirussischen Sanktionen sind ein Schlag für amerikanische Unternehmen“, lautet ein Gedankenspiel. „Um die rechtliche Grundlage zu schaffen, das Vermögen der ehemaligen Sowjetrepubliken wieder unter die Kontrolle Moskaus zu bringen“, wird erwogen, den Vertrag über die Auflösung der UdSSR juristisch aufzuheben.

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Bei diesen Gedanken dürfte auch eine Rolle spielen, dass Donald Trump, der Grönland unbedingt unter seine Kontrolle bringen will, seine Macht in der Arktis kaum ohne das Wohlwollen Moskaus ausdehnen kann. Die durch das Abschmelzen der Eismassen entstehende Möglichkeit, die Bodenschätze des hohen Nordens im Einvernehmen mit den USA auszubeuten, könnte Russland neue Einflussmöglichkeiten eröffnen.

Noch sind dies magische Vorstellungen, die weit davon entfernt sind, Realität zu werden. Aber die gedrückte Stimmung in einigen Nachbarländern Russlands – etwa in den kleinen baltischen Staaten – spricht Bände. Das erste Land auf Putins „Speisekarte“ ist jedoch, wenig überraschend, Moldawien.

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Die Republik Moldau ist noch immer gespalten zwischen ihrem sowjetischen Erbe und einer rumänischen, also europäischen kulturellen Prägung. Das Land ist arm, aber entscheidend für eine mögliche Hegemonie am Schwarzen Meer. Im 1991 gegründeten Staat Transnistrien, der nur von Moskau anerkannt wird, unterhält der Kreml eine große Militärgarnison. In diesen Tagen haben russische Truppen, nur 60 Kilometer von der Hauptstadt Moldawiens entfernt, mit Übungen mit „offensiven“ Drohnen und neuen Panzern begonnen.

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Wann immer von Einmischung und Einflussnahme in anderen Ländern die Rede war, sprach der Kreml-Sprecher stets von westlichen Illusionen. Dasselbe hatte er über die russischen Invasionspläne in der Ukraine gesagt. Die Tatsache, dass der Krieg in der Ukraine bald zugunsten Russlands entschieden sein könnte, eröffnet Putin die Möglichkeit, seine riesige Armee, die derzeit noch in der Ostukraine gebunden ist, mit neuen Aufgaben zu betrauen.

Die Aussicht, eine aggressive Supermacht zum Nachbarn zu haben, ist düster.

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