G20-Gipfel findet Samstag und Sonntag in Indien statt

G20-Abschlusserklärung laut Indien “fast fertig”

Freitag, 08. September 2023 | 16:03 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Die G20-Staaten kommen im Ringen um eine gemeinsame Abschlusserklärung des Gipfels am Wochenende nach Angaben der amtierenden indischen Präsidentschaft voran. Der Text sei “fast fertig” und werde eine “Stimme” des globalen Südens und der Schwellenländer zum Ausdruck bringen, sagte der indische “Sherpa” Amitabh Kant, der für die Präsidentschaft die Verhandlungen führt, am Freitag in Neu-Delhi.

Zuvor hatte EU-Ratspräsident Charles Michel befürchtet, Der diesjährige Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer könnte nach Einschätzung der EU ohne gemeinsame Abschlusserklärung enden. Indien versucht vor allem, die G20-Staaten Russland und China in der Abschlusserklärung einzubinden. Dies ist vor allem mit Blick darauf heikel, dass die westlichen Staaten in der G20-Erklärung eine Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fordern, wie indische Regierungsmitglieder diese Woche deutlich machten. Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer kommen am Samstag und Sonntag zusammen.

Die Präsidenten Russlands und Chinas, Wladimir Putin und Xi Jinping, haben ihre Teilnahme an dem Treffen abgesagt. Putin wird von Außenminister Sergej Lawrow vertreten, Xi von Ministerpräsident Li Qiang.

Neben dem Ukrainekrieg nannte Michel als weitere Beispiele für strittige Themen den Kampf gegen den Klimawandel, Pläne für eine Reform der internationalen Finanzarchitektur sowie die Unterstützung für Entwicklungsländer. “All diese Themen sind schwierige Themen mit unterschiedlichen Blickwinkeln, unterschiedlichen Sensibilitäten und unterschiedlichen Schwerpunkten”, sagte er.

“Russland greift die Ukraine weiterhin an, tötet die Menschen und zerstört ihre Städte”, sagte Michel. Deshalb werde die EU die Ukraine weiterhin unterstützen und Druck auf Russland ausüben. Der Krieg des Kremls treffe zudem auch das Leben in anderen Regionen der Welt. Mehr als 250 Millionen Menschen seien weltweit mit akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert. Indem der Kreml bewusst ukrainische Häfen für den Getreideexport angreife, nehme er ihnen das Essen, das sie dringend bräuchten. Das russische Angebot, Afrika eine Million Tonnen Getreide zur Verfügung zu stellen, sei “absolut zynisch”.

Russland wirft seinerseits den führenden westlichen Industriestaaten der G7 Druck auf Indien vor. Der Westen versuche in dem Abschlussdokument des Treffens, seine “einseitige Herangehensweise bei der Lage um die Ukraine” aufzuzwingen, teilte das russische Außenministerium am Freitag mit. Vertreten wird Russland bei dem Treffen von Außenminister Sergej Lawrow, der am Freitag in Neu Delhi eintraf.

“Die indische Seite versucht vor diesem Hintergrund, ihren neutralen Status zu behalten, weil es von einem streng wirtschaftlichen Mandat der Gruppe der 20 ausgeht”, hieß es in der Mitteilung des Ministeriums. Auch Lawrow hatte betont, es gehe bei dem Gipfel um Wirtschaftsfragen und die Stabilität des Finanzsystems und nicht um Fragen der globalen Sicherheit. Moskau lobte, dass die indischen Gastgeber Forderungen des Westens widerstanden hätten, die Ukraine – wie voriges Jahr beim G20-Gipfel auf Bali – einzuladen. Es gebe Versuche der G7, die ohnehin volle Tagesordnung künstlich zu erweitern, hieß es.

Nach Angaben Michels setzt sich die EU unter anderem dafür ein, dass sich die G20 geschlossen hinter das Ziel stellen, spätestens 2025 den Scheitelpunkt globaler Treibhausgasemissionen zu erreichen. Dies würde bedeuten, dass sie ab 2026 dann sinken müssten. Als positiv wertete er, dass in diesem Jahr vermutlich erstmals das internationale Ziel erreicht werden kann, insgesamt 100 Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel in Entwicklungsländern aufzubringen. Ursprünglich hatten die Industriestaaten zugesagt, dieses Ziel bereits ab 2020 zu erreichen. Mit dem Geld sollen Emissionen reduziert und Projekte zur Anpassung an den Klimawandel finanziert werden.

Konsens gibt es laut Michel aber darüber, der Afrikanischen Union den Beitritt zur G20 zu ermöglichen. Bisher ist die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten die einzige Regionalorganisation, die Mitglied der G20 ist. Der AU gehören alle international allgemein anerkannten afrikanischen Länder sowie das völkerrechtlich umstrittene Land Westsahara an. Insgesamt sind es 55 Staaten. Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen und hat die jüngste und am schnellsten wachsende Bevölkerung der Welt.

Offen war nach Angaben von Diplomaten bis zuletzt noch, wann die Afrikanische Union offiziell Mitglied werden soll. Möglich wäre eine erste reguläre Gipfelteilnahme bereits beim nächsten Gipfel in Brasilien oder beim Gipfel 2025 in Südafrika.

Zur G20-Gruppe gehören neben der EU 19 der stärksten Volkswirtschaften der Welt an. Sie ist ein zentrales Forum für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, beschäftigt sich inzwischen aber auch mit vielen anderen globalen Themen von der Terrorbekämpfung über den Klimaschutz bis hin zu Kriegen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs ist sie eines der wenigen verbliebenen Foren, wo der Westen und Russland direkt zusammentreffen.