Von: APA/Reuters/AFP
In Israel geht Kriegskabinettsmitglied Benny Gantz auf Konfrontationskurs zu Regierungschef Benjamin Netanyahu: Seine Partei legte am Donnerstag einen Gesetzentwurf vor, in dem sie Neuwahlen forderte. Diese sollen auf Wunsch von Gantz vor Oktober erfolgen, also bevor sich der Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel das erste Mal jährt. Die Likud-Partei Netanyahus prangerte den Schritt als eine “Belohnung” für die Hamas an.
Sie habe “einen Gesetzentwurf zur Auflösung der 25. Knesset” vorgelegt, erklärte die Partei der Nationalen Einheit von Gantz. Wenige Tage nach dem Großangriff der Hamas vom 7. Oktober einigte er sich mit der rechtsreligiösen Regierung seines Rivalen Netanyahu auf eine gemeinsame Notstandsregierung und ein Kriegskabinett. Diesem gehören mit Gantz und Gadi Eizenkot zwei ehemalige israelische Armeechefs an.
Die rechtsgerichtete Likud-Partei von Netanyahu reagierte mit scharfen Worten und erklärte, dass “die Auflösung der Einheitsregierung eine Belohnung” für den Hamas-Chef im Gazastreifen, Jahja Sinwar, sei, “eine Kapitulation vor dem internationalen Druck und ein verheerender Rückschlag für die Bemühungen zur Befreiung unserer Geiseln”. Israel brauche jetzt Geschlossenheit, eine Auflösung der Regierung würde den Kriegszielen schaden. Ähnlich hatte sie sich schon in der Vergangenheit geäußert.
Regulär stehen Wahlen in Israel erst im Oktober 2026 an. Der Likud hatte bereits zuvor gewarnt, vorgezogene Wahlen würden dem Kampf der israelischen Armee gegen die Hamas schaden.
Gantz hatte am 18. Mai ein Ultimatum für die Vorlage eines Nachkriegsplans für den Gazastreifen gestellt und mit seinem Rücktritt gedroht. In einer Fernsehansprache, in der er sich direkt an Netanyahu wendete, sagte Gantz, das Kriegskabinett müsse “bis zum 8. Juni einen Aktionsplan formulieren und verabschieden, der zur Umsetzung sechs strategischer Ziele von nationaler Bedeutung führt”. Ansonsten sei seine Partei zum Rückzug gezwungen.
Zu den sechs Zielen gehörten die Entmachtung der Hamas, die Sicherstellung der israelischen Kontrolle über das Palästinensergebiet und die Rückkehr der israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen.
Zudem solle eine “amerikanische, europäische, arabische und palästinensische Verwaltung geschaffen werden, die zivile Angelegenheiten im Gazastreifen regelt und die Grundlage für eine künftige Alternative schafft, die nicht Hamas oder (Mahmud) Abbas ist”, sagte Gantz mit Verweis auf den Präsidenten der Palästinenserbehörde.
Gantz drang zudem auf eine Normalisierung der Beziehungen Israels zu Saudi-Arabien “als Teil eines umfassenden Vorgehens, das eine Allianz mit der ‘freien Welt’ und der arabischen Welt gegen den Iran und seine Verbündeten schaffen wird”.
Wenige Tage zuvor hatte Verteidigungsminister Yoav Gallant, der derselben Partei wie Netanyahu angehört, den Regierungschef persönlich attackiert, weil dieser eine israelische Kontrolle über den Gazastreifen im Anschluss an den Krieg nicht ausschließen wolle.
Der Gaza-Krieg war durch den Großangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ausgelöst worden, dabei wurden israelischen Angaben zufolge mindestens 1189 Menschen getötet. Zudem verschleppten die Islamisten 252 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. 121 sind nach israelischen Angaben noch immer in der Gewalt der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen, 37 von ihnen sollen bereits tot sein.
Als Reaktion geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach jüngsten Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bisher mehr als 36.200 Menschen getötet.
Netanyahu steht seit Dezember 2022 eine Regierung aus seiner Likud-Partei und mit ihr verbündeter religiöser Fundamentalisten sowie rechter Nationalisten vor. Nach der Wahl hatte es über Monate Großdemonstrationen im Land gegeben, weil Netanyahu – gegen den selbst ein Prozess wegen des Vorwurfs der Korruption lief – die Justiz schwächen wollte.
Nach dem Überfall der Hamas auf Israel waren diese Themen aber in den Hintergrund gerückt. Netanyahu bestimmt seit Jahrzehnten die Geschicke der israelischen Politik mit und war erstmals 1996 Regierungschef.