Von: mk
Meran – Heute fanden am Ort des Gedenkens in der Zueggstraße und vor der Statue “Das betende Mädchen” in der Otto-Huber-Straße in Meran zwei Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an alle Opfer des Holocausts statt.
An beiden Gedenkveranstaltung nahmen der Bürgermeister von Meran Dario Dal Medico, die Vizebürgermeisterin Katharina Zeller, der Vizepräsident der Jüdischen Gemeinschaft Meran, Mirko Wenter, der emeritierte Präsident Federico Steinhaus sowie zahlreiche zivile und militärische Behörden statt.
Auf dem Areal der ehemaligen Bosin-Kaserne in der Zueggstraße entstand in den Jahren 1938 und 1939 eine Kaserne für das Kommando der italienischen Grenzwache für den 13. Abschnitt des faschistischen Alpenwalls, der Befestigungslinie im Vinschgau und im Passeiertal. Anfangs “Venosta” getauft, wurde die Kaserne dann dem 1941 in Albanien gefallenen und mit der silbernen Ehrenmedaille des italienischen Heeres ausgezeichneten Alpini-Hauptmann Leone Bosin gewidmet.
Eine Tafel an der Umfassungsmauer, dem heutigen “Ort des Gedenkens” erinnert daran, dass die Kaserne zwischen 1943 und 1945 von der Wehrmacht als Lager für beschlagnahmtes Material und als Nebenlager des Bozner Durchgangslagers genutzt wurde. Dort wurden Frauen und Männern aus verschiedenen Sprach- und Religionsgemeinschaften eingesperrt und zur Zwangsarbeit gezwungen. Um Weihnachten 1944 gelang es zwei jungen Frauen über die Umzäunungsmauer zu klettern und aus dem Lager zu fliehen. Dank der Hilfe einiger Meraner Bürger konnten sie sich in Sicherheit bringen.
25 Jahre sind vergangen, seit Italien am 27. Januar offiziell den Holocaust-Gedenktag eingeführt hat, um die Erinnerung an eine kollektive Erfahrung wachzuhalten, die für uns und für die jüngeren Generationen sowohl eine Warnung als auch ein Mittel der Hoffnung sein soll. Doch heute ist klar, dass es mit dem Erinnern nicht getan ist. Es reicht nicht aus, sich an das zu erinnern, was gewesen ist, um sich vor der Möglichkeit zu schützen, dass etwas Ähnliches wieder geschieht. Denn nach der Tragödie der Shoah haben Kriege, der Wahnsinn der Gewalt und die Verletzung der elementarsten Menschenrechte leider nicht aufgehört. Hass, extremer Nationalismus, die Vorstellung von rassischer Überlegenheit und Verfolgung sind Phänomene, die lebendiger sind denn je”, betonte Bürgermeister Dario Dal Medico in seiner Ansprache.
“Die Erinnerung an die Geschichte und die Geschehnisse der Vergangenheit und damit die Pflege der Erinnerungskultur ist ein unantastbares Gebot, aber sie reicht nicht aus. Heute ist es mehr denn je notwendig, die Warnung, die uns die Geschichte gegeben hat, in konkrete Handlungen umzusetzen. Wir sind es, die heute in erster Linie mit unseren noch so bescheidenen Handlungen ein positives Beispiel für uns selbst und andere geben müssen. Es muss uns gelingen, die Erinnerung in das Prinzip und die Grundlage unseres individuellen und kollektiven Handelns zu verwandeln. Es ist wichtig, dass jeder und jede Einzelne von uns angesichts jeder Form von Ungerechtigkeit und Intoleranz einen Akt des Bewusstseins und der Verantwortung vollzieht”.
“Der deutsche Künstler Günther Demnig hatte 2012 in Meran und in vielen anderen europäischen Städten Dutzende von Stolpersteinen verlegt, um die Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Wahnsinns wach zu halten. Heute ist es notwendig, dass jeder Einzelne von uns in seinem Alltag ebenso kleine oder große Zeichen seines Gewissens und seiner Zivilcourage am Wegesrand hinterlässt. Es ist unabdingbar, dass wir in unseren täglichen Vorhaben und Projekten – ob privat oder beruflich – zu Zeugen und Garanten von Toleranz, Freiheit und Demokratie werden. Für uns selbst und für andere. Nur so können wir den Boden der Erinnerung bearbeiten, damit er Früchte hervorbringt, die in unserer Zukunft und in der unserer Kinder reifen können. Denn, wie Italo Calvino schrieb, „die Erinnerung zählt nur dann wirklich, wenn es die Prägung der Gegenwart und das Projekt der Zukunft zusammenhält; wenn es uns erlaubt zu tun, ohne zu vergessen, was wir tun wollten; zu werden, ohne aufzuhören zu sein, zu sein, ohne aufzuhören zu werden“, so Dal Medico.
“Der 27. Januar, an dem wir aller Opfer des Holocaust gedenken wollen, erinnert uns auf schmerzhafte Weise an die Verbrechen, die auch vor unserer Stadt nicht Halt gemacht haben. Das Gedenken an diese Ereignisse ist nicht nur eine Erinnerung an das Leid der Opfer, sondern auch ein Appell, für eine friedliche und tolerante Zukunft einzutreten, in der derartige Gräueltaten nicht wiederholt werden. Die Erinnerung an die Opfer und an die Schrecken des Nationalsozialismus fordert uns nicht nur heute, sondern tagtäglich dazu auf, die Geschichte nicht zu vergessen und sicherzustellen, dass derartige Verbrechen niemals wieder geschehen. Nur durch das stetige Gedenken und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit können wir eine Welt fördern, die auf Respekt, Menschenrechten und Frieden basiert” betonte Vizebürgermeisterin Katharina Zeller.
Die zweite Gedenkveranstaltung fand im Innenhof des Wohnhauses in der Otto-Huberstraße 36 statt, vor der Statue “Das betende Mädchen”. In den Kellern des Gebäudes in der Huberstraße 36 hielten Männer des SOD, des Südtiroler Ordnungsdienstes, der SS und der Gestapo am 16. September 1943 Meraner Juden gefangen, die noch in derselben Nacht in das Konzentrationslager Reichenau deportiert wurden. Diejenigen, die dort nicht den Tod fanden, wurden später nach Auschwitz-Birkenau überstellt. Von der Gruppe der Meraner Juden hat nur Walli Hoffmann – im KZ Ravensbrück – überlebt. Die Statue wurde von Géza Somoskeõy um 1950 zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus fertig gestellt. Somoskeõys Mutter gehörte der Judischen Gemeinde Meran an. Das Kunstwerk wurde neben dem damaligen und inzwischen abgerissenen GIL-Gebäude – auch als Casa del Balilla bekannt – aufgestellt.
Musikalisch begleitet wurde diese zweite Gedenkveranstaltung Zeremonie von Paolo Valenti am Keyboard sowie von Lesungen in italienischer und deutscher Sprache von den Student’innen dritten Klasse für angewandte Wissenschaften und der vierten Klasse des klassischen Gymnasiums des Gandhi-Instituts sowie der Klasse 5B der Hotelfachschule Kaiserhof, die jeweils von Professorin Maria Romeo, Professor Tommy Milanello und Professor Claudio Calabrese koordiniert wurden.
Weitere Initiativen mit freiem Eintritt
Mittwoch, 29. Januar – Ariston-Kino, Rennweg 25, 18.00 Uhr – Vorführung des deutschsprachigen Films „Otto Neururer – Hoffnungsvolle Finsternis“. Der Regisseur Hermann Weiskopf wird anwesend sein. Um 20.30 Uhr Vorführung des italienischsprachigen Films „Quel giorno tu sarai“, Regie: Kornél Mundruczó und Kata Weber. In Zusammenarbeit mit dem Filmclub.
Donnerstag, 30. Januar – Stadtbibliothek am Rennweg, 18.30 Uhr – „Etty e Ilse, La memoria nelle parole“, Lesung mit Barbara Gramegna und Elisa Venturin zu Texten von Etty Hillesum mit Musik von Ilse Weber.
Freitag, 31. Januar – Kulturzentrum, Cavourstraße 1, 18.00 Uhr – „Donne nella memoria“. Francesca Ferragina wird über das Schicksal einiger Frauen, die unter der Gewalt der Nazis gelitten haben (Mafalda di Savoia, Alma Maria Rosè und einige Frauen aus Auschwitz, die Protagonistinnen eines Aktes der Rebellion waren).
Vom 27. Januar bis zum 8. Februar wird im Kulturzentrum in Cavourstraße auf Initiative der Mittelschule Negrelli und der Professorinnen Patrizia Biagi und Angela Pansardi die Ausstellung (“I giusti tra le nazioni” (Die Gerechten unter den Völkern) gezeigt. Geplant sind dabei Führungen für Schulkinder.
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