Landtag

Gegen die Wehrpflicht: Begehrensantrag der Süd-Tiroler Freiheit zum Teil angenommen

Mittwoch, 05. Juni 2024 | 17:25 Uhr

Von: mk

Bozen – Die Arbeiten im Plenum des Landtags sind am Mittwochnachmittag mit der Behandlung des Begehrensantrages Nr. 15/24 NEIN zu (jeglicher) Wehrpflicht in Südtirol! (eingebracht von der Süd-Tiroler Freiheit am 14.05.2024) fortgesetzt worden.

Im Antrag wird gefordert: Der Südtiroler Landtag möge das römische Parlament und die Regierung in Rom auffordern, 1. von einer verpflichtenden Einführung eines allgemeinen Wehrdienstes abzusehen; 2. falls die Wehrpflicht dennoch eingeführt wird, für Südtirol eine Sonderregelung zu erlassen, welche die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache aufgrund des Minderheitenschutzes vom Wehrdienst befreit.

Der Erstunterzeichner von der Süd-Tiroler Freiheit erinnerte u.a. daran, dass junge Menschen in Südtirol durch das Ehrenamt bereits einen großen Dienst an der Allgemeinheit leisteten. Im Falle einer Wiedereinführung der Militärpflicht gäbe es auch ein großes Minderheitenproblem: Die Zweisprachigkeitspflicht gelte beim Heer nicht. Es gebe etliche Staaten, die ethnische und auch andere Minderheiten im eigenen Staat von der Pflicht zum Militärdienst ausnehmen würden. Nicht außer Acht zu lassen sei der geopolitische Aspekt. Er sei gegen eine Wehrpflicht – das solle nicht heißen, dass Menschen, die freiwillig einen Militärdienst leisten möchten, dies nicht tun können.

Fratelli d’Italia unterstrich u.a., dass die Regierung kein Programm und kein Projekt habe, das dieses Thema betreffe. Sie werde an der Abstimmung zum Begehrensantrag nicht teilnehmen, da sie sich zum Thema nicht äußern wolle.

Die Süd-Tiroler Freiheit, Mitunterzeichner des Antrags, erinnerte u.a. an seine Militärzeit – das, was damals getan worden sei, sei heute überholt. Es brauche heute beim Militär Menschen, die die technisch hochsensiblen Geräte bedienten. Er frage sich, welcher Südtiroler für “diesen” Staat seinen Kopf hinhalten wolle. Eine europäische Verteidigung wäre notwendig. Die Lösung der Konflikte weltweit wäre die Selbstbestimmung der Völker.

Fratelli d’Italia erklärte u.a., dass es im Parlament keine echte Debatte bezüglich der Wiedereinführung der Wehrpflicht gebe – man habe in Italien ein Verteidigungssystem, das auf das Berufsheer ausgerichtet sei. Er sei Sohn eines Soldaten, diesen Personen sei man zu Dank verpflichtet. Mit dem Antrag versuche man nur, politische Polemik zu schaffen und die Volksgruppen gegeneinander aufzuwiegeln – das Thema des Antrages gebe es eigentlich gar nicht. Auch er werde an der Abstimmung nicht teilnehmen.

Die Süd-Tiroler Freiheit, Mitunterzeichnerin des Antrages, unterstrich u.a., dass der Gesetzesvorschlag eingereicht worden sei – das habe der Minister auch auf seinen Social-Media-Kanälen bekanntgegeben. Insofern sei die Diskussion eröffnet. Die Südtiroler seien eine österreichische Minderheit in Italien. Es wäre notwendig – auch aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit -, sich für den Weg des Friedens zu entscheiden, anstatt über die Wiedereinführung der Wehrpflicht nachzudenken.

Die SVP betonte u.a., es gehe hier nicht darum, ob man in den Krieg ziehe oder nicht. Man solle auch nicht pauschal alle Leute verurteilen, die freiwillig beim Berufsheer wären. Diese würden die Menschen im Zweifelsfall verteidigen. Vonseiten der SVP gebe es eine Zustimmung für Punkt 1 in abgeänderter Form. Punkt 2 werde man nicht zustimmen; man sehe grundsätzlich nicht die Notwendigkeit, die Südtiroler Jugendlichen für Zivildienst u.Ä. zu sensibilisieren. Punkt 2 werde definitiv abgelehnt.

Die Grünen erklärten u.a., sie seien historisch gegen den Militärdienst. Man verwehre sich gegen die Einteilung in jene, die im Land für und gegen den italienischen Staat seien – der ethnische Proporz sei keine politische Einordnung, sondern habe den Zweck, in einem System seinen Teil zu haben.

Die Freie Fraktion sagte u.a., man sei nicht absolut gegen einen Wehrdienst – wenn man sich für ein soziales Jahr oder den Wehrdienst entscheiden könnte, wäre er dafür. Mit einem sozialen Jahr würde man verpflichtet, seinen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten – es gäbe viele Möglichkeiten dafür.

Es bestehe derzeit das Problem nicht akut, dass Südtiroler zum Wehrdienst verpflichtet würden, so JWA Wirth Anderlan u.a. Aber die Überlegung sei nicht so weit hergeholt. Wenn sich in Europa nichts ändere, dann sei mit einer europäischen Armee zu rechnen; bei einer solchen wären die Staaten verpflichtet, Menschen bereitzustellen. Die Gefahr sei da, derzeit werde aber nicht darüber gesprochen, weil die EU-Wahlen anstünden. Man werde dem Antrag zustimmen.

Vita wies u.a. darauf hin, dass die Wehrzeit derzeit nur ausgesetzt sei. Sie plädiere ebenfalls für eine Art “soziales Jahr”, das würde positive Effekte haben. Auch sie gehe davon aus, dass nach den Europawahlen bezüglich Wehrdienstes andere Töne angeschlagen würden.

Der Minister, so Uniti per l’Alto Adige – Lega Alto Adige Südtirol u.a., denke nicht an eine Wehrpflicht, wie sie in der Vergangenheit in Italien gewesen sei, sondern rege eine Art verpflichtenden Zivildienst an, damit die jungen Menschen für die Gemeinschaft arbeiten könnten. Das würde er positiv sehen. Viele junge Menschen seien bereits ehrenamtlich tätig, in den Städten jedoch sei dies nicht so verbreitet. Es sei etwas weit hergeholt, zu meinen, dass morgen die Militärpflicht wieder eingeführt werde.

In der Replik der Landesregierung erklärte der Zuständige u.a., dass die Haltung der SVP zur Wehrpflicht bekannt sei. Es gebe die klare Positionierung auch aus der Überzeugung heraus, dass eine allgemeine Wehrpflicht in der heutigen Zeit nicht mehr effizient organisiert werden könnte. Die Frage eines Zivildienstes sei eine Frage, die man durchaus diskutieren könne. Man sei dezidiert gegen eine allgemeine Wehrpflicht.

Der Erstunterzeichner des Antrags von der Süd-Tiroler Freiheit wies u.a. darauf hin, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht sehr wohl ein Thema sei und verlas dazu den Titel eines Artikels des “Il Sole 24 Ore”. Ob die Wiedereinführung in der Regierungsmehrheit akkordiert sei, sei eine andere Frage. Wenn nun darüber gesprochen werde, auch Truppen in die Ukraine zu schicken, dann bestünden diese Truppen aus jungen Europäerinnen und Europäer. Er beantrage Punkt 1 wie folgt abzuändern: “Der Südtiroler Landtag spricht sich gegen jedwede Form einer Wiedereinführung einer Wehrpflicht in Italien aus.”

Der Begehrensantrag Nr. 15/24 wurde getrennt nach Prämissen und einzelnen Punkten des beschließenden Teils abgestimmt: Die Prämissen und Punkt 2 wurden mehrheitlich abgelehnt, der umformulierte Punkt 1 wurde mit 29 Ja und zwei Enthaltungen angenommen.

Bezirk: Bozen