Von: luk
Bozen – Einziges Thema der Dezember-Sitzungsfolge des Südtiroler Landtages ist der Landeshaushalt 2025 mit seinen Begleitgesetzen, also die Landesgesetzentwürfe Nr. 31/24 „Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2025“, Nr. 32/24 „Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen 2025-2027“ und Nr. 33/24 „Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2025“ (alle eingebracht von der Landesregierung auf Vorschlag von LH Arno Kompatscher).
Am vorigen Dienstag (3. Dezember) erfolgte der Auftakt zur gemeinsamen Behandlung der drei Gesetzentwürfe mit der Verlesung des programmatischen Berichts durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Minderheitenberichte (es war einer von den Grünen und einer vom Team K vorgelegt worden).
Am heutigen Dienstagnachmittag (10. Dezember) wurden die Arbeiten im Plenum wieder aufgenommen. Zunächst erinnerte Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) daran, dass die Landesregierung darum ersucht habe, Anfragen möglichst als schriftliche Anfragen einzureichen – noch stünden einige Antworten aus. Er bitte darum, die eingereichten Anfragen auch zu beantworten.
LH Arno Kompatscher antwortete, dass man das Möglichste tue, um die Anfragen fristgerecht zu beantworten – doch gegen Jahresende kämen zahlreiche Fristen zusammen; die Antworten würden so bald wie möglich kommen. Anschließend folgte eine Präsentation der wichtigsten Trends und Entwicklungen im Landeshaushalt durch den LH: Das Volumen des vorliegenden Haushalts umfasse 8,07 Milliarden Euro und sei damit – auch dank gestiegener Steuereinnahmen – deutlich größer als jenes der vergangenen Jahre. Auch die Prognosen für die kommenden Jahre seien gut. Etwa 6 Milliarden Euro würden für laufende Ausgaben aufgewandt, 1,5 Mrd. für Investitionen. Wenn die Wirtschaft laufe – und das tue sie den Daten zufolge -, habe das Auswirkungen auf die Steuereinnahmen und damit den Landeshaushalt. Der Haushalt sei aber stärker als die Wirtschaft gewachsen: Man habe die Steuern nicht erhöht, sondern das habe auch mit den guten Finanzverhandlungen mit Rom zu tun. Die Personalausgaben seien seit 2016 auch prozentuell stärker gestiegen als Steuereinnahmen und BIP – sie seien beinahe mit dem HH-Volumen gestiegen. Im Bereich Gesundheit – Aufgabenbereich 13 – habe es überproportional steigende Ausgaben gegeben; das habe u.a. mit einer höheren Zahl an zu erbringenden Leistungen zu tun, mit dem demografischen Wandel und mit den Kosten für Medikamente, die stärker gestiegen seien als andere Bereiche, – es hänge aber auch mit der zusätzlichen Anstellung von Personal zusammen. Auch im Sozialen seien die Ausgaben überproportional gestiegen – mit einem Höhepunkt 2022 wegen Covid-19-Unterstützungen. Die Ausgaben in der Bildung seien zunächst überdurchschnittlich gestiegen, in den vergangenen Jahren aber entsprechend dem Haushaltswachstum. Die drei genannten Bereiche Bildung, Soziales und Gesundheit seien strategische Bereiche. Stark gewachsen sei auch die Mobilität, für die 2025 742 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Gemeindenfinanzierung sei neu aufgestellt worden, mehr als 200 Millionen Euro jährlich gebe es für laufende Ausgaben, 126 Mio. für Investitionen. Kernausrichtung des Landeshaushalts 2025 seien soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Einkommensverteilung und Hilfe für gefährdete Gruppen. Man verzichte auf die Abgabe für das Recht auf Universitätsstudium, es gebe Steuerbegünstigungen für Fahrzeuge mit umweltfreundlichem Antrieb sowie für Personen mit schwerwiegenden Behinderungen. Man habe für Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen eine Irap-Begünstigung vorgesehen, ebenso wie für Familien eine Inflationsanpassung des Abzugsbetrags für zu Lasten lebende Kinder.
In der Generaldebatte zum Landeshaushalt 2025 und den Begleitgesetzen ergriff dann zunächst Paul Köllensperger (Team K) das Wort: Er verwies u.a. darauf, dass LH Arno Kompatscher angetreten sei, das System aufzubrechen – passiert sei das Gegenteil. Davon zeugten zahlreiche Skandale – Sel, Masken u.a. – aber auch der jüngste rund um Benko und Hager. Politisch seien der LH und seine Parteifreunde angezählt, durch die Nähe zu Hager und Co. habe sich der LH selbst ins Abseits gestellt. Es sei ein Paradebeispiel wie bestimmte ad-hoc-Normen genutzt würden, das habe es auch schon vorher gegeben – ändern werde sich das wohl erst, wenn der Landeshauptmann/die Landeshauptfrau nicht mehr aus der SVP käme, dann erst könne sich das System ändern. In neuem Licht erschienen nun verschiedene Vorgänge, u.a. auch um den Flughafenverkauf. Südtirol trage diesmal einen Riesen-Imageschaden – auch international – davon, auch wenn der Mafiavorwurf vor Gericht nicht halten werde. Es stelle sich die Frage, inwieweit diese Regierung noch handlungsfähig sei, dabei müsste viel getan werden. Der Haushalt selbst biete keine großen Kritikpunkte – wie er bereits in der vorherigen Woche gesagt habe. Der Name Arno Kompatscher werde nicht in den Geschichtsbüchern stehen, außer dass er 15 Jahre Landeshauptmann gewesen sei. Was dem LH zugute zu halten sei, sei das Finanzabkommen mit Rom. Die Bilanz möge in Ordnung sein, doch die großen Probleme seien nicht gelöst – nicht einmal ansatzweise. In der Digitalisierung sei Südtirol nur Mittelmaß, die Innovation werde kaum unterstützt. Beim Tourismus stelle sich die Frage, wohin man gehen wolle. Für das Rekord-Haushaltsvolumen von 8 Mrd. Euro gebühre der Dank den Steuerzahlerinnen und -zahlern im Land. Weder die vorgesehenen Maßnahmen zu Gis noch jene zu Irap würden als Instrumente zur Marktregulierung einen wirklichen Impact bringen, dazu seien die ökonomischen Auswirkungen zu gering – aber es seien Schritte in die richtige Richtung. Die Arbeitsproduktivität sinke in der gesamten EU, außer in Polen, deshalb wären Investitionen in Innovation, Forschung & Entwicklung besonders wichtig. Ohne Steigerung der öffentlichen Investitionen werde ein Erhalt des Wohlstands schwer. Die Ausgaben für Bildung seien in Südtirol zwar gestiegen, doch nicht in dem Ausmaß wie andernorts. Die Ein- und Ausfuhren nach und aus Südtirol hielten sich weitgehend die Waage; wesentliche Zahlungsüberschüsse kämen aus dem Dienstleistungssektor, vor allem dem Tourismus. 4 Mrd. Euro mehr an Einnahmen habe LH Kompatscher heute im Vergleich zum letzten Haushalt unter Durnwalder zur Verfügung; 2 Milliarden davon seien ins Sozialwesen umverteilt worden – wobei es in diesem aber große Ineffizienzen gebe. Die Betriebe fänden nur schwer Mitarbeiter, die Jungen zögen weg – 1.500 pro Jahr. Das Vertrauen in die Politik gehe verloren. Der LH habe mehrmals die Chance gehabt, eine Koalition der Zukunft zu bilden – er habe diese nicht ergriffen.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) sagte u.a., der Zustand der Autonomie sei schlechter geworden. Das Ergebnis von 11 Jahren Kompatscher könne man damit zusammenfassen, dass im urdeutschen hinteren Ahrntal ein Bürger auf der Post sich nicht mehr in seiner Muttersprache verständigen könne – und dabei werde die Post alljährlich mit Landesmillionen gefüttert. Die Muttersprache sei überall auf dem Rückzug. Jedes Jahr verließen ca. 1.000 junge Menschen das Land. Jemand habe gesagt, Kerschbaumer sei ein skrupelloser Terrorist gewesen – dagegen gelte es etwas zu tun. Man habe zwar inzwischen eine eigene Landesrätin für Sicherheit – aber eine ohne Kompetenzen. In Meran zirkuliere sogar das Militär, überall seien Kameras installiert, trotzdem sei in die Verkaufsstände am Weihnachtsmarkt eingebrochen worden – das sei bei all den Sicherheitsmaßnahmen ein Versagen auf voller Linie. Im Bereich Energie sei es notwendig, so schnell wie möglich von den fossilen Energieträgern wegzukommen, zudem brauche es eine eigene Regulierungsbehörde – niemand verstehe, warum im Land so hohe Energiepreise bezahlt werden müssten, wo doch so viel Energie im Land produziert werde. Olympia sei ein Fass ohne Boden – von den Folgekosten brauche man gar nicht erst zu reden. Es brauche eine Sportautonomie für Südtiroler Sportler; man hoffe stark auf die österreichische Staatsbürgerschaft – dann könnten Südtiroler für Österreich starten und Italien könne sich seine Medaillen anderswo holen. Auch die vorgesehenen Maßnahmen im Wohnbau kritisierte der Abgeordnete, der “Ausverkauf der Heimat” werde fortgeführt; es sei notwendig, endlich den Leerstand – laut Astat 24 Prozent – zu erheben und den Vermieterschutz zu erhöhen. Der Verkehr habe ein unerträgliches Ausmaß erreicht, es gelte, die Bahn auszubauen; der Ausbau von Straßen bzw. der Bau von Umfahrungen führe lediglich zu einer Verlagerung des Verkehrs. Warum kämpfe die Landesregierung bezüglich Luegbrücke nicht für den Tunnel im Sattelberg? Im Tourismus sei eine Obergrenze erreicht; man habe nicht das nötige Personal und die nötige Infrastruktur. Der Regionalrat werde aufgewertet, anstatt abgeschafft oder abgewertet – das sei unverständlich. Es gebe im Land einen Beamtenapparat, der sehr viel Geld koste; man sage immer, man wolle eine schlanke Verwaltung und weniger Bürokratie – dabei werde das Gegenteil getan. Gegen Wolf und Bär sei man in den Nachbarregionen wesentlich aktiver. Wenn man höre, dass der Sitz der SVP verkauft werden solle, dann habe das Symbolwert: Es bedeute einen Niedergang der einst stolzen Sammelpartei.
Jürgen Wirth Anderlan (JWA Wirth Anderlan) führte u.a. aus, dass er sich in den vergangenen Tagen durch “dieses Gestrüpp” gewühlt habe und auch Positives gefunden habe. Der Patient, der seit 10 Jahren im Wachkoma liege, werde nun nicht mehr mit Klosterfrau Melissengeist, sondern mit Aspirin behandelt. Magnago habe einst gesagt, je mehr Geld da sei, desto größer sei die Gefahr der moralischen Verfettung – diese Verfettung sei der Identitätsverlust. Milliarden Euro seien in eine “Plandemie” und einen Krieg gesteckt worden – es sei ihm egal, wer die Friedensidee habe, es gehe darum, dass in Europa keine Menschen mehr sterben würden. Wenn eine Idee gut sei, aber von der falschen Partei komme, dann sei man aber dagegen. Die Rückholaktion der Autonomie gleiche einer Busfahrt mit Sommerreifen bei dichtem Schnee und Stevie Wonder am Steuer. Italien sei ein wunderbares Land, um dort den Urlaub zu verbringen, aber sicherlich nicht, wenn man dem Land angehöre. Die deutsche Schule bleibe angeblich unangetastet, doch was nütze eine deutsche Schule, wenn sie nur noch Sprachkurs für Italiener und Ausländer sei? Wo bleibe das Recht der deutschen Schüler auf Ausbildung? Die deutsche Volksgruppe werde bewusst zerstört. Kritik übte der Abg. an LR Achammer und forderte ihn zum Rücktritt auf. Er, so Wirth Anderlan, sei für Vielfalt, Biologieleugnern würde ein ganzer Monat gewidmet – Müttern und Vätern ein Tag. Ehrenamtliche Vereine sähen sich einer Flut von Vorschriften gegenüber, die Politik würde die Ehrenamtlichen allein lassen – das Ehrenamt sei keine Pflicht, sondern ein wesentlicher Pfeiler der Gesellschaft. In der Pandemie hätten Verbrechen stattgefunden, diese habe der LH in seiner Haushaltsrede nicht erwähnt; bis heute warte man eine echte Aufarbeitung dieser Zeit, durch welche “wir” laut LH gut gekommen seien. In Südtirol übernehme diese Aufgabe Frau Pamer, die für Impfungen sei. Wenn diese “Verschwörungstheoretiker” so gefährlich seien, hätte man sie durch eine evidenzbasierte, ehrliche Aufarbeitung bereits lange entschärfen können. In Zeiten der Digitalisierung seien gut ausgebildete, heimische Arbeitskräfte notwendig – nicht unqualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland, deren Tätigkeit in wenigen Jahren durch die Digitalisierung ersetzt werden. Man habe nicht zu wenige Wohnungen, man habe zu viele Einwanderer und zu viele Zweitwohnungen. Südtirol brauche Fachkräfte, aber nicht aus kulturfremden Ländern. Die Sicherheitslage werde immer kritischer. Die Lösung sei einfach: Remigration. Doch wie bei so vielem anderen auch habe Südtirol auch in diesem Bereich keine Kompetenzen. Es brauche ein neues Selbstbewusstsein der Südtiroler. Wer Südtiroler Menschen, Kultur, Sprache nicht schütze, habe in einer Südtiroler Landesregierung nichts zu suchen.
Brigitte Foppa (Grüne) schickte voraus, dass die Demokratie ein sehr hohes Gut sei – und ergänzte u.a., dass sie diese seit Jahren beobachte und nun das Gefühl habe, dass man sich auf Treibsand – “sabbie mobili” – befinde. Machtstrukturen im Land basierten offenbar nicht auf Verantwortung, sondern auf Zynismus und Drohungen, das zeigten laufende Ermittlungen. Es zeige sich in dieser Sache ein hässliches Sittenbild, das sei ihr Fazit nach den Vorkommnissen der letzten Wochen, den Ereignissen der vergangenen Monate und einem Jahr der neuen Landesregierung. Foppa beanstandete das Bündnis mit Fratelli d’Italia und die Tatsache, dass Kompatscher im Wahlkampf sein Vorhaben einer Autonomiereform nicht kommuniziert habe – man könne nicht gegen eine solche sein, der Preis aber, der dafür bezahlt werde, der habe abgestimmt werden müssen. Die Abgeordneten seien die Akteur:innen der Demokratie und auch ihr Seismograph. Der Diskurs im Landtag habe sich radikalisiert. Das, was man hier im Kleinen erlebe, schwäche die Demokratie. Rechtspopulist:innen würden die Demokratie “verballhornen. Sie habe mit vielen Vertreter:innen rechter Parteien zu tun gehabt, die aber den Respekt vor dem Landtag nie verloren hätten. Nun aber sei das der Fall. Es gehe darum, wie wichtig man die Demokratie nehme. Der fehlende Sinn für diese Institution nehme Überhand. Die Antworten der Landesregierungsmitglieder auf Anfragen seien zum Teil respektlos. Die Debattenkultur im Landtag sei zurückgegangen, man sitze die Dinge aus – die Diskussion verarme. Der Auftrag bis zum Ende der Legislatur sei, das Land mit verteilten Rollen – Mehrheit und Minderheit – zu regieren; nun wirke es aber mitunter, als würde die Mehrheit während der Landtagssitzungen nur abwarten, um am Wochenende wieder Präsenzpolitik machen zu können. Man erlebe jüngst eine Hochzeit des Populismus. Der Landtag befasse sich jüngst immer wieder mit Anhörungen, das sei gut so, etwa jene zum Tourismus. Der Landeshauptmann habe bei einer Veranstaltung kürzlich gesagt, es sei genug mit dem Tourismus und habe sich dann verbessert, dass es genug mit dem Gejammere über Tourismus sei. Jeder Populismus habe bisher immer letztlich in eine Diktatur geführt. Das Vertrauen in die Politik schwinde, auch wegen Vorkommnissen, wie den jüngst bekannt gewordenen: LR Walcher werde nicht belangt, weil in Italien der Straftatbestand des Amtsmissbrauchs abgeschafft worden sei; Barzon rollte mit seinem E-Roller offenbar direkt vom Landtag ins Büro von Hager. Bei der HH-Rede 2025 des LH sei man in einem “Meer von Worten ertrunken”, ihr, so Foppa, sei vor allem die Aussage in Erinnerung geblieben: “Der Wirtschaft geht es gut.” Doch die Menschen im Land seien nach einem Jahr Regierung mit Rechtsbeteiligung müde, ausgezehrt, überlastet und durch all das reizbar. Die Landesregierung müsste zahlreiche Probleme angehen, doch das passiere nicht. Es gebe neue Familienmodelle, die Sozialpolitik sei nicht angepasst worden, die Lohnlücke sei zum Teil dramatisch, der Sozialneid wachse. Die lange vor sich her geschobene Overtourismdiskussion spitze sich zu, es sei verpasst worden, eine sachliche Diskussion diesbezüglich zu führen. Nun gingen die Menschen auf die Barrikaden. Es gebe einiges im Land, das unseres reichen Landes nicht würdig sei. Wer immer noch glaube, alles könne ohne ausländische Arbeitskräfte gelöst werden, solle die Lösungen aufzeigen. Es gebe im Land tickende Zeitbomben – und das seien nicht die Menschen auf der Flucht, die nach Südtirol kämen. Es müsse eine Gegenrede zu dem immer lauter werdenden rassistischen Gedröhne geben. Die Gesellschaft entwickle sich rasant weiter. Nach 50 Jahren Wohnpolitik im Land sei das Wohnen nicht nur kein Grundrecht, sondern regelrecht unbezahlbar: 42 Prozent des Familienbudgets würden im Durchschnitt in Südtirol laut Astat für das Wohnen ausgegeben. Quadratmeterpreise von 6.000 bis 8.000 Euro seien mittlerweile normal. Die Politik habe stark auf das Eigenheim gesetzt; der Mietmarkt sei äußerst komprimiert. Das neue Wohnen mit Preisbindung werde die Probleme nicht lösen. Der Wirtschaft mag es in Südtirol gut gehen, doch hinter der glänzenden Fassade bröckle es auf allen Seiten. Verlustangst sei die Grundlage von Verhinderung von Innovation und Veränderung. Südtirol sei ein reiches Land mit vielen armen und/oder gestressten Menschen.
Stellungnahmen von Knoll und Repetto
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) unterstrich u.a., dass es Aspekte im Haushalt gebe, die positiv zu bewerten seien: Es sei ein 8 Milliarden Euro umfassender Rekordhaushalt. Das Geld stamme aus der Brieftasche der Bürgerinnen und Bürger im Land – diesen gelte es danke zu sagen. Man könne mit 8 Mrd. Euro sehr viel bezahlen, aber vieles im Land, was als Standard gilt, werde damit nicht bezahlt – deshalb gelte es auch den zahlreichen Ehrenamtlichen im Land “Danke” zu sagen. In Südtirol fehle es nicht primär an Geld, die Frage sei, ob die zur Verfügung stehenden Mittel, zielorientiert eingesetzt würden. Kritik sei nicht eine Herabwürdigung, sondern aus Kritik könne man lernen: Man habe einen Haushalt von 8 Mrd. Euro, aber man habe im Land Rentner, die mit ihrer Rente nicht bis ans Monatsende kämen – und dabei das Land mit aufgebaut hätten. Auf der anderen Seite aber habe man Geld für zweistöckige Kreisverkehre. Es fließe sehr viel Geld in den Bereich Gesundheit, trotzdem habe man sehr lange Wartelisten; im selben Atemzug habe man Südtiroler Jungärzte, die lieber anderswo arbeiteten. Es gebe Familien im Land, in denen beide Eltern arbeiteten, sich bestimmte Dinge – ein normales Leben nicht mehr leisten könnten. In Österreich habe es eine Inflationsanpassung von 9,5 Prozent gegeben. Es werfe die Frage auf, ob Südtirol in seiner Gesamtheit, noch lebenswert sei – auch wenn es im Haushalt positive Maßnahmen gebe, etwa das 250-Euro-Jahresticket für den ÖPNV, das für viele Familien eine Erleichterung darstelle. Anstatt aus Fehlern in Sachen Sicherheit, die im Ausland gemacht worden seien, zu lernen, werde bei Hinweisen darauf, die Rechtspopulismus- und Rassismuskeule geschwungen. Natürlich brauche die Südtiroler Wirtschaft ein gewisses Maß an Einwanderung, auch die Südtiroler seien froh gewesen, als sie einst ins Ausland arbeiten gehen konnten und ihre Familien im Land unterstützen – doch das seien leistungsbereite Menschen gewesen. Doch heute stehe man im Land vor der Situation, dass nicht gefragt werde, was man leisten und beitragen könne, sondern was man abgreifen könne. Die “Schätzchen”, die sich im Bahnhofspark herumtrieben, seien nicht fleißige Arbeiter, sondern Kriminelle. Die Lösung wäre das Streichen von Sozialleistungen. Der Linkspopulismus habe dafür gesorgt, dass der Begriff Remigration negativ konnotiert sei – doch bis vor 10 Jahren sei dies ein positiv konnotierter Begriff gewesen, im Zusammenhang mit der Rückkehr Vertriebener in ihre Heimat – es gebe das Recht von Minderheiten zu remigrieren. Südtirol habe nicht die Kompetenz, Menschen auszuweisen, doch die Mittel, die es habe, sollten genutzt werden – ansonsten würden die Einheimischen bestraft, aber ebenso jene Ausländer im Land, die sich an die Gesetze hielten.
Der Abg. Knoll verwies ebenso auf Probleme in den deutschen Schulen, wo Kinder deutscher Muttersprache in der Minderheit seien und in den Pausen Italienisch oder andere Sprachen gesprochen werde. Während einst die Faschisten die deutschen Schulen bekämpften, täten das nun die lokale Verwaltung, indem diejenigen, die etwas gegen diese Zustände täten, sanktioniert würden. Die deutsche Schule sei mit dem Ziel eingeführt worden, das Überleben einer Minderheit zu sichern. Mit der neuen Sprachgruppenzählung sei in Meran das Verhältnis der Sprachgruppen umgedreht worden – das werde von italienischen Politikern gefeiert, aber von der SVP höre man nichts. Seit er im Landtag sei, jage ein Skandal den anderen: Sel-Skandal, Sad-Skandal, Masken-Skandal, Spenden-Skandal etc. In jedem Skandal gebe es einen gemeinsamen Nenner: die SVP. Die Wahrnehmung der Politik habe sich dadurch geändert – und das sei hausgemacht. Harte Diskussionen seien notwendig, doch trotz sachlicher Differenzen, den anderen Mensch sein lassen, ebenso. Aber das Klima im Landtag sei inzwischen völlig vergiftet. Auch werde die Minderheit mitunter mundtot gemacht. Der LH habe in seiner Haushaltsrede gesagt, dass Fakt sei, “dass wir wieder zu einem sachlichen Ton zurückfinden müssen”, Respekt und das richtige Maß seien unabdingbar. Wie passe das damit zusammen, dass der LH zwei Abgeordnete angezeigt habe, die kritisch gewesen seien. Er, so Knoll, möchte, dass auch kritische Fragen gestellt werden – denn auch nun gebe es im Zusammenhang mit den Benko-Hager-Ermittlungen Fragen, die gestellt werden müssten, sonst würde die Glaubwürdigkeit der Politik leiden. Fragen gelte es auch im Zusammenhang mit Olympia- und anderen Bauprojekten zu stellen.
Er werde die Bevölkerung in Ulten dabei unterstützen, das Pumpspeicherkraftwerk im Tal zu verhindern – das Ultental sei bereits durch Ausbeutung geschädigt. Landesräte würden die Freiheitskämpfer als Mörder und Terroristen abstempeln; man traue sich über bestimmte Dinge nicht zu reden – doch man müsse über Dinge offen reden können, das betreffe die Diskussion um Großprojekte, aber auch ethnische Aspekte oder die Coronazeit. Man könne nicht mehr differenzieren, man sehe den Menschen nicht. Es brauche ein neues Südtirol – aber er bezweifle, dass diese Landesregierung dafür sorgen könne. Es fehle das Narrativ, wie sich Südtirol entwickeln solle. Aus den Ergebnissen des Autonomiekonvents sei nichts geworden – es fehle an der Wertschätzung der Arbeit. Der LH sei ein Meister im Ankündigen, als er ins Amt gekommen sei, habe er etwa gesagt, dass die Konzessionsvergabe der Brennerautobahn eine Frage von Wochen sei – seitdem seien viele Jahre vergangen. Bei der Autonomiereform habe er von Juni gesprochen, auch das sei nicht korrekt gewesen. Wenn nun bei der Autonomiereform auf Pfeiler der Autonomie verzichtet werde, um zweitrangige Zuständigkeiten im Bereich Umwelt ins Land zu holen, sei das nicht erstrebenswert. Die Salamitaktik Italiens funktionieren noch immer. Er sehe, dass man sich immer mehr Richtung Assimilierung entwickle. Dass man mit Spenden, wenn auch legalen, den politischen Willen beeinflusse, zeichne das kein gutes Bild, und die SVP sei involviert. Der LH habe zwei Legislaturen Zeit gehabt, um das Land in eine positive Richtung zu entwickeln, doch wenn man die Bürger fragen würde, ob sich ihr Leben zum Besseren entwickelt habe, würde wohl kaum einer zustimmen. Die Mehrheit strafe nicht die Opposition, wenn sie einen Antrag ablehne, hinter den Anträgen stünden Bürger – deren Anliegen würden nicht ernst genommen. Genauso wie die Opposition Vorschläge der Mehrheit ernst nehme und diskutierte, erbitte er sich dasselbe von der Landesregierung. Das Vertrauen in die Politik verliere man durch das Vertrauen in die Politiker – das sei auch ein Appell an die italienischen Vertreter im Landtag: Man habe so viele Italiener im Land, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, doch in den Landtag seien nur wenige Vertreter gewählt worden. Auch in der Vergangenheit sei mancher Koalitionspartner der SVP als Löwe gestartet und als Bettvorleger geendet. Rechtskräftig verurteilten Straftätern sollten keine Sozialbeiträge mehr bezahlt werden – dies wäre den Menschen im Land wichtig. Die Landesregierung gebe keine Antworten auf wesentliche Fragen, darunter die ausufernde Kriminalität, das Gesundheitssystem in Schwierigkeiten, die hohen Wohnkosten etc. Er sei überzeugt davon, dass diese Landesregierung auch künftig keine Antworten darauf geben könne.
Sandro Repetto (PD – Demokratische Partei) wies u.a. darauf hin, dass das Haushaltsbudget der beiden italienischen Landesräte dem des ladinischen LR entspreche und nicht mit jenem der deutschsprachigen Mitglieder der Landesregierung vergleichbar sei: Dies zeige das Gewicht und das Verhältnis. Auch jenseits des “Falles Benko” gehe es um Glaubwürdigkeit und Verantwortung – “wir” alle hätten eine Verantwortung. Alle müssten für die Bürger glaubwürdig sein – sonst sei es selbstverständlich, dass die Bürger nicht wählen gingen und das Vertrauen in die Politik verloren ginge. Ein reicher Haushalt reiche nicht aus, wenn eine soziale Vision fehle, und die zuständige LRin weniger erhalte, um einen wichtigen Bereich zu verwalten. Ein großer Teil des Geldes für den Sozialbereich gehe an die Empfänger von Pflegegeld. Der NOI Techpark sei sehr wichtig, doch es fehle eine klare Strategie hinsichtlich der künstlichen Intelligenz; KI müsse auch von der öffentlichen Verwaltung angewandt werden – davon sei im programmatischen Bericht des LH nicht die Rede. Der Wohnmarkt sei außer Kontrolle; im programmatischen Bericht sei zwar von fünf Gemeinden mit Wohnungsnot die Rede, zugleich werde so getan, als ob es das Wobi nicht gebe und ignoriere, dass dieses “Drohbriefe” an Mieter, darunter Senioren, verschicke, um Verträge zu ändern.
Was Bozen betreffe, so diskutiere man lediglich Szenarien und Projekte auf dem Papier und vergesse, dass der LH bereits 2018 den Plan für eine Autobahnvariante vorgestellt habe; in Bezug auf die Mobilität auf der Straße sei der Hauptstadt eine einzige Zeile im Bericht vorbehalten. Man ignoriere auch die Tausenden von Kleinunternehmen, die darum kämpfen, den Banken ihre Covid-Zahlungen zurückzuerstatten, ebenso dass junge Menschen abwanderten, dass sich der Fachkräftemangel verschlimmert habe, dass es Probleme mit den Zweisprachigkeitsnachweisen gebe, und dass in der öffentlichen Verwaltung das Ergebnis von Wettbewerben mit entsprechenden Rekursen übersprungen werde. Man wolle die Schäden ignorieren, die der Tourismus den Bürgern im Land zufüge, vor allem auf dem Wohnungsmarkt, und tue so, als habe der Skitourismus eine Zukunft habe – es sei aber eine Wende hin zu einem nachhaltigen Tourismus notwendig. Man tue auch so, als ob die technologische Innovation im Gesundheitswesen ausreichen würde, und ignoriere dabei die alltäglichen Probleme der Bürger.
1,75 Milliarden Euro des Landeshaushalts oder 6,8 Prozent des Südtiroler BIP seien für den Sabes reserviert – doch der Prozentsatz der Ausgaben sollte sich an dem orientieren, was in Deutschland und Österreich bereitgestellt wird, wo etwa 12 Prozent und 10 Prozent des BIP in die Gesundheitsversorgung investiert werde; stattdessen liege Südtirol, wenn man die Gesundheitsausgaben ins Verhältnis zum BIP setzt, an vorletzter Stelle unter den italienischen Regionen. Es gebe einen Anstieg der Ausgaben für die private Gesundheitsversorgung, Wartelisten, Personalmangel und eine unzureichende wohnortnahe Gesundheitsversorgung. Die Planung für den neuen Sanitätssprengel Oberau verlaufe schleppend, er, so Repetto, wolle die Landesregierung nach den Gründen dafür fragen. Der Mangel an Wohnraum und die starre Anwendung der Zweisprachigkeit seien echte Hindernisse beim Anwerben von Fachkräften. Es werde behauptet, dass Kinder mit unterschiedlichem Hintergrund Fremdkörper an deutschen Schulen seien und dass es unmöglich wäre, das ladinische Modell auf alle Schulen im Land anzuwenden. Für diese Diskussion reiche eine parteiinterne Arbeitsgruppe nicht aus, alle politischen Kräfte müssten eingebunden werden. Der Weg der Autonomiereform sei nicht partizipativ gewesen, Kompatscher habe sich entschieden, die Beteiligung auf eine Elite zu beschränken. „Sie, LH Kompatscher, spielen Roulette, setzen alles auf eine Farbe – doch man sieht keine konkreten Ergebnisse“, so der Abgeordnete. Der Haushalt sollte die großen Probleme unserer Zeit angehen, doch das passiere nicht. “Es ist nicht die Vision von Südtirol, die ich erwartet hätte.”
Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen