Von: Ivd
Bozen – Am heutigen Mittwochvormittag wurde die Dezember-Sitzungsfolge des Südtiroler Landtages fortgesetzt, deren einziges Thema der Landeshaushalt 2025 mit seinen Begleitgesetzen ist, also die Landesgesetzentwürfe Nummer 31/24 „Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2025“, Nummer 32/24 „Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen 2025-2027“ und Nummer 33/24 „Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2025“ (alle eingebracht von der Landesregierung auf Vorschlag von LH Arno Kompatscher).
Die gestern begonnene (eins, zwei) Generaldebatte wurde mit der Stellungnahme von Maria Elisabeth Rieder (Team K) wieder aufgenommen: Die Abgeordnete verwies unter anderem darauf, dass parteipolitische Interessen oft dem Interesse der Bürger übergeordnet würden – sie rufe deshalb zu mehr Dialog im Interesse der Bürger und mehr politischer Verantwortung auf. Sie wolle an einige Anträge des Team K erinnern, die zum Teil auch angenommen worden seien und sich zum Teil auch bereits in Umsetzung befänden. Man habe etwa bereits mehrmals über die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses für Ein-Eltern-Familien gesprochen. Sie sehe den Haushalt deshalb mit etwas Genugtuung, aber auch mit Skepsis – die HH-Rede des LH habe zahlreiche Versprechen und Ankündigungen enthalten, aber man wisse aus der Vergangenheit, dass diese dann mitunter nicht umgesetzt werden.
2025 müsse das Jahr der spürbaren Gehaltserhöhungen werden. Die Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst seien eine unendliche Geschichte. Bei der Beurteilung des realen Kaufkraftverlusts seien auch die gewährten Vergünstigungen mit einzurechnen, habe der LH in seiner HH-Rede unter anderem gesagt, und dass es die Gehaltselemente differenziert zu betrachten gelte. Es entstehe der Eindruck, dass man einfach so lange rechne, bis das Ergebnis passe. Zwischen 2016 und 2023 seien die Lebenshaltungskosten im Land um 25 Prozent gestiegen, die nominale Lohnerhöhung aber habe bei neun bis 15 Prozent gelegen. Die Inflationsanpassung müsste zwölf Prozent betragen, damit man heute dasselbe kaufen könne, wie 2016.
Mit dem kürzlich unterzeichneten Kollektivvertrag für das nicht-ärztliche Personal werde man sehr große Unruhe in den Sanitätsbetrieb hineinbringen, weil innerhalb eines Betriebes unterschiedliche Verträge gelten – zum Beispiel die Tatsache, dass für die einen eine 36-Stunden-Woche gelte, für die anderen eine 38-Stunden-Woche. Auch im Sozialbereich und im Dritten Sektor – Vereine, Verbände und Organisationen im Sozial- und Gesundheitsbereich, die Dienste für die öffentliche Hand ausführten – müsse 2025 das Jahr der Lohnerhöhungen werden. Viele Probleme, die man heute habe, könnten durch eine bessere, eine angemessene Bezahlung gelöst werden.
Nicht vergessen werden dürften die Löhne im Privatsektor, die nun vorgesehene Irap-Reduzierung für Betriebe, die höhere Löhne zahlten, sei zu begrüßen – ob die Maßnahme tatsächlich etwas bringen werde, werde sich zeigen. Tatsache sei aber auch, dass wenn der öffentliche Dienst die Löhne erhöhe, die Privatwirtschaft nachziehe.
Es mache sie betroffen, dass noch immer zwölf Prozent der Arbeitnehmer in Südtirol weniger als neun Euro brutto pro Stunde verdienten. Auch Erwerbsarbeit sei ein Thema in Südtirol, das Gastgewerbe verzeichne mit 15,5 Prozent den höchsten Anteil. Es sei sehr wichtig, dass der, der arbeite, mit seinem Lohn ein würdevolles Leben führen könne. 17 Prozent der Familien in Südtirol seien armutsgefährdet. Zahlreiche Pensionisten erhielten die Mindestpension. Die 15 Mio. Euro für die Aufstockung der Mindestrenten befürworte sie – sie hoffe aber, dass sich davon nicht zu viele zu vieles erwarteten. Niedrige Renten und die daraus resultierende Altersarmut würden eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte sein; dazu komme die Erhöhung des Pflegebedarfs. Unter Ein-Eltern-Familien sei die Armutsgefährdung mit 45 Prozent besonders hoch. Sie nehme LRin Pamer übel, dass sie den Beschlussantrag zur genaueren Betrachtung der Ein-Eltern-Familien nicht angenommen habe.
Ziel müsse es sein, dass möglichst viele Menschen im Land mit ihrem Lohn ein Auskommen hätten. Eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre sei das Thema Wohnen: Man warte auf die Gesetzesänderungen dazu im kommenden Frühjahr. Die Abgeordnete verlas eine E-Mail einer jungen Frau, die auch an LH Kompatscher gegangen war, in der diese über ihre Situation und Eindrücke berichtet.
Zeno Oberkofler (Grüne) ging zunächst auf die Ereignisse der vergangenen Woche ein: Es bestehe der Verdacht, dass große Immobilienprojekte eines privaten Investors von der öffentlichen Hand begünstigt worden seien, mafiöse Methoden stünden im Raum. Die Ermittlungen rund um Hans Peter Hager an sich stellten bereits eine große Bedrohung für das Land dar, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hätte das große Auswirkungen auf das Vertrauen in die Institutionen und die Politik. Er erwarte sich von der SVP ein Höchstmaß an Transparenz und eine vollumfängliche Zusammenarbeit mit den Ermittlern.
Anfang des Jahres sei mit der Koalition der SVP mit Fratelli d’Italia sei viel Vertrauen verloren gegangen, auch an einen progressiven Landeshauptmann. Der LH habe daran gearbeitet, dass das Vertrauen in ihn wieder zurückgewonnen werde – in diesem Zusammenhang habe er sich, so Oberkofler, ein verstärktes Engagement auch im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit erwartet. Er habe sich angeschaut, welche Maßnahmen im Klimaplan innerhalb 2024 oder gar 2023 hätten umgesetzt werden sollen – von den 19 Maßnahmen sei keine vollständig umgesetzt worden. Auch ein Blick auf die Beschlüsse der Landesregierung zeige, dass das Engagement im Bereich Klimaschutz mau sei – mit der Ausnahme von Green Power, einem gemeinsamen Projekt mit Alperia. Im Landtag habe man mehr über Hausschlachtungen und Hunde-DNA diskutiert als über den Klimaschutz.
Der Landtag sei das gesetzgebende Organ, doch es liege an der Landesregierung, Prioritäten zu setzen und die Initiative zu ergreifen, um ein Klimagesetz auf den Weg zu bringen. LH Kompatscher trage in dieser historischen Zeit Verantwortung, doch es wirke so, als würde er die Verantwortung abschieben. Der Klimaschutz sei in Südtirol zu einem Nebenschauplatz geworden. Wenn davon die Rede sei, dann gehe es um Photovoltaikanlagen und das Pumpspeicherkraftwerk in Ulten. Die Emissionen dagegen stagnierten, im Bereich Verkehr stiegen sie sogar an. Bei der Autonomiereform sei ein Zeitplan angekündigt worden und Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Fristen – doch der Zeitplan werde nicht eingehalten und Konsequenzen gebe es keine.
Meloni habe eine Zusage zur Autonomie gemacht – ohne Bedingungen zu stellen, habe der LH gesagt, doch das stimme nicht: Die erste Bedingung, die Meloni gestellt habe, sei diese Koalition. Dann sei eine Bedingung von Calderoli gewesen, dass Bianchi Landesrat werden müsse, nicht der meistgewählte Italiener Gennaccaro. Meloni sitze am längeren Hebel, sie könne die Reform bis ins Unendliche hinauszögern – und das werde sie auch tun. Solange die Autonomiereform nicht abgeschlossen sei, werde die SVP an ihren Lippen hängen; Meloni nutze die Autonomiereform, um international als gemäßigt zu erscheinen. Südtirol sei Teil der Strategie Melonis und werde genutzt, um eine zentralistische Politik durchzusetzen; es gebe vonseiten der SVP keine Kritik daran. Meloni habe 70 Prozent der Mittel für Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt an Frauen gestrichen. Italien liege auf dem 46. Platz der Rangliste zur Pressefreiheit. Wer unerwünschte Meinungen verbreite, werde eingeschüchtert. Der Preis für die Autonomie sei gesellschaftlich, politisch und demokratisch bedrohlich.
Die Lebenshaltungskosten in Südtirol seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen, die angekündigten Lohnerhöhungen würden nicht reichen. Man dürfe es sich nicht leisten, einen guten öffentlichen Dienst zu verlieren. Viele Südtiroler studierten im Ausland – und blieben auch dort, weil sie dort besser verdienten. Südtirol müsse für junge Menschen attraktiv bleiben, ohne Jugend gebe es keine Zukunft.
Positiv sei die Zusammenarbeit im Landtag; es gebe Kollegen, die ihre Expertise und ihre Lebenserfahrung einbrächten, es gebe leidenschaftliche Diskussionen. Doch die Aufgabe der Opposition sei, den Finger in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, was nicht funktioniere und verbessert werden könne. Man erlebe in Europa eine Zeitenwende, die eine Zusammenarbeit notwendig mache – das bedeute auch für Südtirol, dass es eine umfangreiche Neuaufstellung des Landes-HH brauche, und dass Maßnahmen gegebenenfalls auch schuldenfinanziert sein müssten. Man müsse sich neu orientieren, um den jungen Menschen im Land eine Zukunft zu geben. Stattdessen verharre die Landesregierung in ihrer Trägheit. Dabei wäre es Zeit für Grundsatzentscheidungen. Er wünsche sich eine Veränderung – “so wie es ist, kann es nicht bleiben”.
Franz Locher (SVP) unterstrich unter anderem, dass man von einem 8-Milliarden-Haushalt rede – sehr viel Geld. Die wichtigsten Themen seien Arbeit, Wohnen und Gesundheit. Wenn man sich den HH anschaue, dann gebe es das größte Plus bei den LR Amhof, Messner und Alfreider – das zeige die Wichtigkeit der Zuständigkeitsbereiche. Eine der großen Herausforderungen sei der demografische Wandel. Man steuere auf ein olympisches Jahr zu, man werde in Südtirol erstmals olympisch – doch die diesbezüglichen Herausforderungen seien groß; die Bevölkerung möchte bei Großveranstaltungen immer mitgenommen werden – verständlich.
Im Bereich Mobilität gebe es neben den Gehältern die größten Herausforderungen: Man finde das Personal für die Busse nicht mehr, man spüre auch eine gewisse Angst, mitzufahren – früher habe der Chauffeur die Kinder gekannt und ihnen gesagt, sie müssen aussteigen, das habe für Sicherheit gesorgt, heute sei das anders. Auch hier müsse beim Gehalt nachgezogen werden. Die ständigen Streiks im ÖPNV verärgere die Bürger, auch wenn Fahren ausfielen. Es nutze nichts, die schönsten und schnellsten Züge zu haben, wenn die Pünktlichkeit zu wünschen übriglasse. Vor allem im Stadtverkehr müsse bei Bussen verstärkt auf die E-Mobilität gesetzt werden.
Die Entscheidung für eine Elfer-Regierung sei richtig gewesen, auch weil immer mehr Aufgaben bewältigt werden müssten. Sanitäts-LR Messner verstehe sein Handwerk sehr gut, ein sehr großer Teil des Landes-HH fließe in den Bereich – deshalb sei es notwendig, dass die Dienste funktionierten; im Verwaltungsbereich habe man zu viel Personal, hier müsse man effizienter werden. Es sei gut so, dass man eine Inflationsanpassung beim Personal mache – es dürften dabei die Gemeindemitarbeiter nicht vergessen werden.
Im Bereich Personal werde man in den kommenden Jahren an den Taten gemessen werden. Die Digitalisierung schreite zwar voran, doch viele Bürger in Südtirol kämen mit der Technik nicht zurecht – man sollte es einfacher und bürgergerechter machen. Die einfachere Lösung sei in diesem Bereich oft die bessere Lösung. Man habe im Land fitte Senioren, rund 200.000 Menschen im Pensionsalter, die wichtig gebraucht würden – in der Wirtschaft, bei den Enkeln … Es seien Voraussetzungen notwendig, dass sie weiterarbeiten könnten, ohne alles abzugeben, und dass es später gute Unterbringungs- und Pflegemöglichkeiten gebe.
Ein Lob spreche er der Abg. Deeg aus, die positiven Auswirkungen von deren Arbeit als Landesrätin sehe man immer öfter. Im Seniorenbereich müsse man für die Zukunft bauen. Die Zusatzrente sehe er sehr positiv, er bitte die Kollegin Pamer, die Ansuchen und Auszahlung unkompliziert zu machen. Im Bereich Wohnen vertraue er darauf, dass LRin Mair mit der geplanten Wohnbaureform entscheidende Zeichen setzen werde. Man werde wohl vom klassischen Reihenhaus abgehen müssen, es brauche neue Lösungen; bleiben solle das genossenschaftliche System.
Auf zwei Dinge werde man besonders schauen müssen, eines sei die EVEE-Erklärung – es ärgere die Hausbauenden, wenn sie ihre Ersparnisse offenlegen müssten, aber ohne Ersparnisse gehe es nicht, das Zweite seien der Klimahaus-A-Standard und die zahlreichen technischen Details, die bestätigt werden müssten, was sehr viel koste. In der Praxis sei der Unterschied zwischen Klimahaus-A- und -B-Standard gering. Der Klimawandel werde “uns” noch sehr zu schaffen machen. Der Landeshaushalt sei in den vergangenen Jahren gestiegen, aber die Landwirtschaft erhalte immer gleich viele Mittel. Die Stimmung gegenüber der Berglandwirtschaft im Landtag sei positiv, doch die Anzahl der Bergbauernhöfe nehme wegen der schwierigen Umstände ab – deshalb gelte es, in diesem Bereich weitere Maßnahmen zu setzen.
Wenn es auch in den vergangenen Jahren positive Ansätze gegeben habe, zugleich aber auch zahlreiche Herausforderungen, beispielsweise von Borkenkäfer über Vaia bis zu Schneedruckschäden in den Wäldern. Den sogenannten Tourismus-Euro unterstütze er nach wie vor: Millionen Touristen erholten sich in der schönen Naturlandschaft und genössen diese; mit der Abgabe könne viel finanziert werden. Der Verladebahnhof sei umwelttechnisch eine gute Entscheidung gewesen, 2.000 Lkw weniger seien dadurch über die Brennerautobahn gefahren – das sei ein Super-Modell, das der Landwirtschaft sehr viel gebracht habe, und dies in einem für die Holzwirtschaft schwierigen Moment.
Zudem hätten die Fernheizwerke sehr viel mehr einheimisches Holz genutzt. Er plädiere für eine verstärkte Doppelnutzung der Fernheizwerke – eine Strom-Wärme-Koppelung, man brauche sowohl Strom als auch Wärme; es brauche dazu jedoch teure Investitionen. Dank des Gefälles im Land könne sehr viel Strom aus Wasserkraft produziert werden; eine eigene Regulierungsbehörde könne nicht so einfach umgesetzt werden – man habe in den vergangenen Jahren aus den Sondertarifen sehr viel Geld herausgenommen.
Für den Bürger sei es aber nicht so einfach verständlich, warum er für den Strom mehr bezahlen müsse. Die Ausschreibung der Konzessionen der Großkraftwerke sei eine große Herausforderung, es gebe Möglichkeiten wie die fünf Prozent Strom für die Gemeinden und die Umweltgelder, um für die Bürger Vorteile zu erwirken. Man müsse aufpassen, dass die Konzessionen nicht verloren gingen, weil auch große Konzerne versuchen würden, ihren Teil der Torte zu erhalten. Das Verkehrsaufkommen im Land sei hoch, der Schadstoffausstoß und die Belastung der Straßen seien entsprechend – doch der Verkehr müsse wahrscheinlich fließen. Eine Umfahrung für Bozen sei notwendig. Der Ausbau der drei Hauptachsen im Land sei wichtig.
Der ÖPNV werde noch zu wenig genutzt. Die Gemeinden seien mit der Erstellung der Gefahrenzonenpläne sehr fleißig; derzeit gebe es in Südtirol 10 Häuser, die verlegt werden müssten – für diese gelte es Unterstützungen vorzusehen, sonst würden die betroffenen Bürger in den Ruin getrieben. Sehr vieles im Land funktioniere sehr gut, allen voran der Bildungsbereich: “Unsere” jungen Menschen hätten sehr gute Voraussetzungen und gingen dann ins Ausland, dort würden sie kräftig umworben, weil sie sehr geschickt seien. Wenn es dann um die Familienplanung oder den Hausbau gehe, würden viele wieder zurückkehren. Dennoch werde es in diesem Bereich viel Motivation und auch Geld brauchen, um zu einer Rückkehr zu animieren. Die Autonomie habe viele Spielräume geschaffen, die im Haushalt auch genutzt würden.
Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen