Von: mk
Bozen – Hans Heiss (Grüne) verwies im Rahmen der Generaldebatte zur Raumordnungsreform im Landtag als erster Redner zum Landesgesetzentwurf Nr. 151/18 auf die detaillierte Kritik seines Kollegen Dello Sbarbas hin, der auf die Schwachstellen aufmerksam gemacht habe, welche die Prinzipien des Gesetzes untergraben könnten. Das Ziel des leistbaren Wohnens werde etwa bedroht, wenn z.B. der Zweitwohnungstourismus nicht radikal eingeschränkt werde. Südtirol Landschaft stehe im inneralpinen Bereich, und auch innerhalb der Euregio, gut da, man sehe nicht so viel Zersiedelung wie südlich und nördlich. Man sehe auch nirgendwo sonst im Alpenraum eine solche Vielfalt an Landschaften. Das Bewusstsein für diese immensen Qualitäten, das etwa Josef Rampold oder Robert Huldschiner noch hatten, schwinde aber von Jahr zu Jahr. In Tälern wie Gröden oder Gadertal sei der Krieg längst verloren, aber auch anderswo werde das Landschaftsbild an die Wand gefahren, etwa in Naturns oder in Eppan, wo für die deutsche Mannschaft ein Tourismusriegel geschaffen wurde. Heiss sprach von einer zügiger Umwandlung von Landschaft in Sondernutzungszonen, in eine Benutzeroberfläche. Der Landschaftsschutz mache in diesem Gesetz den Eindruck eines lästigen Pflichtteils, einer Marginalie. “Raub an Landschaft” wäre der passendere Titel für dieses Gesetz. Leider würden nun auch die Bauern, die sich historisch größte Verdienste am Landschaftserhalt erworben hätten, an deren Abbau mitarbeiten. Die Hoffnung auf eine Ära der Sauberkeit nach der Ära Durnwalder werde zerschlagen, der Einfluss der Lobbys halte an.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) sah in den zahlreichen Änderungsanträgen der SVP ein Zeichen mangelnder Koordinierung. Unter Durnwalder sei ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit gebaut worden, die Aufträge der öffentlichen Hand hätten das ihre getan. Die Zielsetzung des Gesetzentwurfs sei unterstützungswert: Nachhaltiger Bodenverbrauch, Nahversorgung, Vermeidung von Abwanderung usw. Der monatliche Bevölkerungszuwachs von 353 Personen, der auch durch Zuwanderung zustande komme, stehe im Widerspruch zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Der Zuwachs an Kubatur gehe auch auf die Zweitwohnungen zurück, welcher die Wohnungspreise für die Einheimischen in die Höhe treibe. Auch viele Betriebshallen würden leer stehen, und trotzdem würden weitere Hallen gebaut. Beim Tourismus müsse man sich fragen, wie weit er noch wachsen könne, wenn er Personal aus Sizilien holen müsse. Es sei mehr auf Qualitätstourismus zu setzen. Seine Fraktion würde den Entwurf mittragen, wenn gewisse Verbesserungen vorgenommen würden, etwa bei den Zweitwohnungen, der Aufwertung der Ortskerne, der Ansiedlung von interessanten Betrieben oder der Energieautarkie.
Das Gesetz habe eine lange Vorbereitungsphase, es seien viele mit eingebunden worden, räumte Andreas Pöder (BürgerUnion) ein, am Ende aber hätten sich wenige durchgesetzt, zu hundert Prozent der Bauernbund, der im Gesetzgebungsausschuss die Zweidrittelmehrheit stelle. Das Gesetz enthalte keinen klaren Linien für den Schutz der Landschaft vor Zersiedelung. Die Planungsinstrumente seien zu kompliziert, ein Wildwuchs. Man sollte von den Baukommissionen weg und zu Bausitzungen kommen, vielleicht sogar öffentlichen. In der Kommission sollten Fachleute sitzen, der Bauernbund sollte darin ebenso wenig vertreten sein wie andere Vereine. Die im Entwurf eingeräumten Möglichkeiten zur Kubaturverschiebung seien eine Gelegenheit für Spekulation. 20 Jahre Bindung seien bei einem geschlossenen Hof ein Klacks, dafür würden Kubaturen von 1.500 Kubikmetern erlaubt. Auch die Mischzonen seien nicht überzeugend, es komme unweigerlich zu Konflikten zwischen Wohnen und Gewerbe. 600 Quadratmeter Dienstwohnung in der Landwirtschaft seien ein ländlicher Traum, da habe sich der Landesrat vom Bauernbund über den Tisch ziehen lassen. Den Bauern werde auch der Detailhandel im Gewerbegebiet erlaubt, das sei eine neue Dimension und eine Konkurrenz für die bestehenden Betriebe. Das leistbare Wohnen solle vor allem durch die Preisbindung gewährleistet werden, aber diese sei nur fakultativ vorgesehen. Bei der Vertragsurbanistik gehe unterm Strich das Interesse des Privaten vor jenem der öffentlichen Hand. Die Liste der Landschaftseingriffe ohne Genehmigungsbedarf sei lang und extensiv auslegbar. Den Imkern werde eine Hütte genehmigt, nur eine von vielen Ausnahmen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) wies auf das Plattner-Fresko im Plenarsaal: Das Südtirol, das hier dargestellt werde, gebe es nicht mehr. Die Bettenburgen hätten viel Segen gebracht, aber auch viel landschaftliche Veränderung. Der Tourismus sei an einem Punkt angelangt, wo er sich selbst schade: die ständigen Staus auf der Autobahn, der Ausbau der Hotels, die Kubaturverschiebungen. Was Südtirol ausmache, seien nicht die Wellnessoasen in den Hotels, sondern die Landschaft. Der Urlaub am Bauernhof sei wichtig gewesen, um den Hof zu erhalten, habe aber auch zum Verschwinden der Landgasthäuser beigetragen. Durch die Gewerbezonen seien viele traditionelle Betriebe aus den Ortskernen verschwunden. Abträglich für die Landschaft seien auch die vielen Legowürfel, mit denen sich Architekten ein Zeichen setzen wollten. In vielen Talschaften sei ein Raubbau betrieben worden, der nicht mehr rückgängig zu machen sei. Zum Glück seien noch viele Gebiete wegen landwirtschaftlicher Nutzung unverbaut geblieben, aber auch das gerate in Gefahr, wenn für den Verkauf ab Hof ganze Hallen errichtet würden. Auch die Genehmigung von Campingplätzen gehe in die falsche Richtung. Das vorliegende Gesetz enthalte viele Ausnahmen, und die Übertragung der Zuständigkeit an die Gemeinden habe auch Schattenseiten. Die Entscheidung seiner Fraktion zum Gesetz hänge davon ab, welche der vielen Änderungsanträge angenommen würden, kündigte Knoll schließlich an.
Das heute geltende Raumordnungsgesetz sei auch begrüßt worden, aber im Laufe der Zeit habe man der Reihe nach Ausnahmen und Ad-hoc-Lösungen geschaffen, bemerkte Walter Blaas (Freiheitliche). Mit den Urbanistikverträgen habe man das Interesse der Bauwirtschaft geweckt. Die Konventionierungen seien der größte Schwindel, den es im Lande gebe. Zur Ehrenrettung des Landesrats müsse man aber auch anerkennen, dass er die Sache endlich in die Hand genommen habe. Die Lobbyarbeit bei vorliegendem Entwurf sei beträchtlich gewesen. Der Entwurf sei nun schwer lesbar. Es werde auch schwer sein, die Siedlungsgrenze zu ziehen. Der Termin des verzögerten Inkrafttretens sei nicht nachvollziehbar. Um zu verstehen, worauf das Gesetz hinauslaufe, sollten die Durchführungsverordnungen bereits vorliegen. Blaas kündigte eine Reihe von Tagesordnungen und Änderungsanträgen an, um den Text zu verbessern. Von deren Annahme hänge die Entscheidung seiner Fraktion ab.