Umgang mit dem Wolf im Landtag diskutiert

Geschützte Bedrohung

Donnerstag, 09. Februar 2017 | 14:25 Uhr

Von: luk

Bozen – Landesrat Arnold Schuler und Amtsdirektor Luigi Spagnolli stellten heute im Landtag die Problematik der wieder heimisch gewordenen Raubtiere dar und informierten über die Rechtslage.

Grund für die Rückkehr des Wolfs seien der strenge Schutz, der vor allem von der Stadtbevölkerung gewünscht werde, aber auch die günstigen Bedingungen mit vielen Zuchttieren, bemerkte LR Arnold Schuler, der auch betonte, das Tierschutz und Umweltschutz nicht immer dasselbe seien, denn eine zu große Population führe auch zu Umweltschäden. Für die Landbevölkerung, vor allem für die Kleinbauern seien Wölfe eine ernste Bedrohung. Der Wolf sei durch die Berner Konvention geschützt, sagte Schuler und gab einen Überblick über die Rechtslage in verschiedenen Ländern Europas: “In allen Gebieten in Europa mit einer hohen  Anzahl an Wölfen gibt es Regelungen zur Entnahme, entweder eine geregelte Jagd auf sie, oder bzw. und einen aktiven Schutz von Mensch und Tier (Schutzjagd), ohne aufwendige bis unmögliche Einzelnachweise zur Notwendigkeit. Wohl einzige Ausnahme: Italien! Und in allen Ländern mit hoher Wolfspopulation und wenig erlaubten Mitteln zum Schutz der Haustiere gibt es eine große Zahl von illegalen Tötungen, über 300 pro Jahr.” In Italien habe der Wolf einen historisch-kulturellen Hintergrund.

Seit 2010 seien einzelne (männliche) Wölfe an der Grenze zwischen dem Ultental und Nonsberg gesichtet worden, berichtete Schuler. Seit August hat sich vermutlich, in der gleichen Zone, ein Paar gebildet. Er wies auch darauf hin, dass in Südtirol 1736 Almen bewirtschaftet sind, mit 85.000 Rinder sowie 60.000 Schafe und Ziegen. Der Wolf reiße mehr Tiere, als er zum Fressen brauche. Schuler zeigte sich schließlich bezüglich einer Lösung für Italien pessimistisch.

Luigi Spagnolli, Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, berichtete vom Aufkommen des Großraubwilds in Südtirol. Dabei gehe es um vier Arten, Bär, Luchs, Wolf und Goldschakal, wobei nur der Goldschakal sich dauerhaft im Landesgebiet aufhalte, aber nicht auffalle. Seit 2010 hätten vier männliche Wölfe Südtiroler Gebiet durchquert, der letzte habe sich vermutlich gepaart und werde in einem Gebiet zwischen Südtirol und Trentino gesichtet. Die Habitat-Richtlinie der EU verbiete den Abschuss der großen Raubtiere, sehe aber auch Ausnahmen vor: um Flora und Fauna zu schützen,  um Schaden an Kulturflächen oder an Nutztieren zu verhindern, aus Gründen der öffentlichen Gesundheit u.a. Der italienische Plan für den Wolf sehe auch Ausnahmen vor, die vom Ministerium zu gewähren seien. Kriterium sei der “gute Erhaltungszustand”. Spagnolli bezeichnete den Plan als Garantie auch für die Bevölkerung und für die anderen Tiere. Der Plan sei aber noch nicht genehmigt und habe daher begrenzte Wirkung. Er berichtete auch von der Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die sich mit allen Aspekten des Themas beschäftige, Maßnahmen ausarbeite und alle Betroffenen informiere.

Riccardo Dello Sbarba erkundigte sich über einen eventuellen Landesplan zum Großraubwild. Die Bevölkerung sollte jedenfalls informiert werden, bevor der erste Wolf zubeiße, denn dann sei es für vernünftige Überlegungen zu spät.

Man müsse erst den rechtlichen Rahmen kennen, um zu wissen, wie weit man mit eigenen Regelungen gehen könne, antwortete LR Schuler. Nach einer gnadenlosen Verfolgung des Wolfs vor mehr als hundert Jahren gebe es jetzt einen totalen Schutz, und die Population habe sich in Italien verzwanzigfacht. Der extreme Schutz bedeute auch eine Gefahr für die anderen Tiere. Niemand wolle den Wolf wieder ausrotten, aber eine brauchbare, verbindliche Regulierung müsse möglich sein. Das Land bemühe sich inzwischen, die Bergbauern aufzuklären und die verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen. Man müsse davon ausgehen, dass die Wölfe in Südtirol zunehmen werden.

Bernhard Zimmerhofer vermisste eine europäische Lösung. Die Bergbauern seien bereits unter Druck und bräuchten nicht zusätzliche Schwierigkeiten.
Die europäischen Richtlinien würden von den Ländern unterschiedlich umgesetzt, bemerkte Maria Hochgruber Kuenzer. Auch die Sicherheit für die Bevölkerung und für die Touristen müsse ein Thema sein. In Südtirol sei die Grenze zwischen unberührter Natur und Lebensraum fließend. In Österreich seien 7 Wölfe gesichtet worden, in Südtirol bereits vier. Südtirol sollte von Wölfen freigehalten werden.

Das sei ein frommer Wunsch, meinte Pius Leitner. Wie so oft würden auch hier in der Stadt weltfremde Gesetze gemacht, die die Landbevölkerung auszubaden habe. Großraubwild sei nicht mit Almwirtschaft kompatibel. Da erwarte er sich weniger Gefühlsduselei, mehr Realismus.

Die EU-Richtlinie schütze den Wolf überall, antwortete Spagnolli, Südtirol könne sich nicht einfach für wolfsfrei erklären. In Italien seien Wildtiere zudem Staatseigentum, sie gehörten dem Volk, und dessen Mehrheit wohne in der Stadt. Die Aufklärung der Bevölkerung zum Umgang mit dem Wolf sei auch nicht einfach, Informationsschilder seien z.B. in der Nähe von Gastbetrieben oft nicht erwünscht, weil sie Gäste abschrecken könnten.

Bezüglich Bär erklärte LR Schuler auf Nachfrage von Walter Blaas, dass es in Südtirol noch nicht eine solche Situation wie im Trentino gebe. Beim Großraubwild gehe es nicht nur um dringliche Einzelmaßnahmen, man müsse vor allem die Entwicklung der Population im Auge behalten. Durch den übertriebenen Schutz habe man nicht nur die Nutztiere gefährdet, sondern auch den Wolf, der sich mit anderen Populationen vermische.

Wölfe: Brief der Bergbauern an den Landtag

Vertreter der bäuerlichen Organisationen aus dem Gebiet von Ulten und Deutschnonsberg, wo es bereits eine ständige Anwesenheit von Wölfen gibt, haben heute Landtagspräsident Roberto Bizzo und Präsidialsekretärin Maria Hochgruber Kuenzer einen Brief an den Landtag überreicht, in dem sie ihre Sorgen erläutern und genauer begründen. Der italienische Wolfsplan sei kein Schutz für ihre Tiere, denn der Abschuss von Wölfen sei prinzipiell verboten, eine Ausnahme praktisch nicht möglich und die vorgesehenen Präventionsmaßnahmen in der Südtiroler Berglandwirtschaft kaum umsetzbar.

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Präsident Bizzo versprach, sich um die Sache auch auf römischer Ebene zu kümmern. Er wird das Thema am Montag mit Ministerpräsident Gentiloni besprechen und ihm auch erklären, dass Südtirol mit seiner fließenden Grenze zwischen Naturgebiet und menschlichem Lebensraum kein geeignetes Siedlungsgebiet für Wölfe ist und dass auch die Gefahr für die ansässige Bevölkerung und für die Touristen bedacht werden muss. „Zudem werde ich mich auch mit meinem Amtskollegen vom Trentiner Landtag in Verbindung setzen, um eventuell ein gemeinsames Vorgehen abzusprechen.“

Die Ultner und Nonsberger Bauern weisen in ihrem Brief darauf hin, dass der staatliche Wolfsplan (der noch ein Entwurf ist) die Ausnahmen vom Abschussverbot eng begrenzt: Es müssen bereits präventive Maßnahmen (Zaun, Hirtenhund u.a.) gesetzt sein, es müssen schwere Schäden am Nutztierbestand vorliegen, und der Wolfsbestand darf durch die Abschüsse nicht gefährdet sein. Während in anderen Regionen das Berggebiet kaum besiedelt oder nur mehr extensiv bewirtschaftet wird, wird in Südtirol auch über 1600 m Meereshöhe intensiv bewirtschaftet, und es werden Weideflächen auch über 2000 m genutzt, großflächige Almen mit teilweise schwer zugänglichen Stellen, die schwer zu umzäunen seien. Hirtenhunde seien in Südtirol auch keine Lösung, schreiben die Unterzeichner des Briefs, da sie die Nutztiere nicht nur vor dem Wolf schützen, sondern auch vor Wanderern und ihren Hunden – die Schadenersatzklagen würden dann die Bauern treffen.

Bezirk: Bozen