Emotionale Debatte im Regionalrat

Gesetz verabschiedet: Frauenquote light in der Regionalregierung

Mittwoch, 19. März 2025 | 14:54 Uhr

Von: mk

Bozen/Trient – Der Regionalrat hat sich heute erneut mit der Frauenquote in der Regionalregierung befasst. Nachdem ein Änderungsantrag der Mehrheit angenommen worden war, der zwar die Vertretung beider Geschlechter – allerdings ohne Proporz vorsieht, zeigten sich die Einbringer des Gesetzentwurfs enttäuscht. Die Regionalregierung verteidigt Kompromiss.

Konkret ging es um den Gesetzentwurf Nr. 1: „Frauen in die Regionalrnalregierung” – Änderung des Regionalgesetzes Nr. 25 vom 20. August 1952 (Wahl der Organe der Region und der Provinzen Trient und Bozen) in geltender Fassung (eingebracht von den Abg. Foppa, Rohrer, Coppola und Oberkofler – am 14. Februar 2024 von den Abg. Rieder, Demagri, Maule, Calzà, Stanchina, Ploner Alex, Köllensperger, Malfer, Maestri, Parolari, Franzoia, Ploner Franz, Manica, de Bertolini, Repetto, Valduga und Zanella mitunterzeichnet – am 18. Juni 2024 von den Abg. Stauder, Achammer, Alfreider, Amhof, Brunner, Deeg, Kompatscher, Locher, Messner, Noggler, Pamer, Schuler und Walcher mitunterzeichnet).

Mit dem Gesetzentwurf soll folgende Bestimmung in das Wahlgesetz eingefügt werden: „In der Regionalregierung müssen beide Geschlechter vertreten sein. Der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts muss mindestens im Verhältnis zu seiner Stärke im Regionalrat, zum Zeitpunkt seiner Konstituierung, garantiert werden, wobei Dezimalstellen unter 50 auf die nächstniedrigere ganze Zahl abgerundet und Dezimalstellen gleich oder über 50 auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet werden.“

Die Behandlung des Gesetzentwurfs hatte bereits im Oktober begonnen. Mit einem Tagesordnungsantrag zum Gesetzentwurf forderten Franz Ploner und Paul Köllensperger (Team K) vom Regionalratspräsidenten, sich für die Aktivierung des bereits eingesetzten Koordinierungsausschusses für Chancengleichheit bei der Konferenz der Regionalratspräsidenten einzusetzen und in Absprache mit den beiden Landtagspräsidenten eine geschlechtergerechte Vertretung in dieses Gremium zu entsenden. Zusammen mit Präsident Roberto Paccher haben sie dazu eine neue Fassung vorgelegt, wonach dieser sich dafür einsetzen soll, dass die Konferenz der Regionalratspräsidenten und der von ihr eingesetzte Koordinierungsausschusses für Chancengleichheit jedmögliche Initiative ergreifen mögen, um eine wirksame Beteiligung von Frauen in den regionalen Institutionen und deren Führungsrolle auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben eines jeden Gebiets zu gewährleisten und die Hindernisse zu beseitigen, die den gleichberechtigten Zugang zu den Institutionen verhindern. Der Antrag wurde mit 54 Ja, vier Nein und vier Enthaltungen angenommen.

Mit einem weiteren Tagesordnungsantrag  (mit Ergänzung) forderten Maria Elisabeth Rieder und Alex Ploner (Team K) von der Regionalregierung eine institutionelle Kommunikationskampagne im Vorfeld der Gemeindewahlen zur Förderung der Beteiligung von Frauen am politischen und institutionellen Leben. Wenn man die Beteiligung von Frauen in der Politik unterstützen wolle, brauche es auch entsprechende Information und Motivierung. Verschiedene Initiativen seien auch in der Vergangenheit ergriffen worden.

Präsident Arno Kompatscher wies auf die Schwierigkeit hin, überhaupt Kandidaten zu finden. Man teile das Anliegen des Antrags, möchte aber, dass auch die bisherigen Initiativen in diesem Sinne anerkannt werden. Nach einer Unterbrechung legte Maria Elisabeth Rieder eine neue Fassung in diesem Sinne vor: bestehende Initiativen stärken und langanhaltende Informationskampagnen vorantreiben. Der Antrag wurde mit 48 Ja und sieben Enthaltungen angenommen.

Anschließend wurde der Übergang zur Artikeldebatte beschlossen. Von Seiten der Mehrheit wurde ein Änderungsantrag vorgelegt, mit dem der zweite Teil der Bestimmung, die Geschlechtervertretung gemäß Stärke im Regionalrat, gestrichen werden sollte.

Mit dem Antrag wolle man die Vertretung beider Geschlechter in der Regionalregierung garantieren, erklärte Stefania Segnana (Lega). In einer regelrechten Kampagne sei sie für diese Position als Vertreterin des Patriarchats hingestellt worden. Man habe bei der Bildung dieser Regionalregierung gesehen, wie schwierig es sei, den Geschlechterproporz einzuhalten. Wenn eine Frau am politischen Leben teilhaben wolle, könne sie es tun. Sie sei aber dagegen, dass die Frauen zum Verhandlungsgegenstand würden.

Der Änderungsantrag besage praktisch, dass eine Frau in der Regierung reiche, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). In anderen Institutionen sei man in der Praxis schon weiter. Sie sei in ihrem politischen Engagement schon oft als Frau angefeindet und beleidigt worden. Das passiere vielen Politikerinnen und das sei auch ein Grund dafür, dass wenige Frauen kandidieren wollten.

Italien liege in puncto Chancengleichheit weit zurück, erklärte Lucia Coppola (Grüne). Die Zeiten der Politik seien nicht frauenfreundlich, auch nicht die Arbeitswelt. Sie wisse, dass Kompatscher anders denke, aber er habe sich diese Mehrheit ausgesucht.

Francesca Gerosa (Fratelli d’Italia) präzisierte, dass der Antrag die Geschlechtervertretung nicht auf eine Frau beschränke. Frauen würden sich ihre Präsenz in den Institutionen erkämpfen, mit Leistung, so habe es auch Meloni gemacht.

Andrea de Bertolini (PD) erinnerte daran, dass bis 2017 Anwältinnen nicht wegen Schwangerschaft einen Prozess verschieben konnten. Echte Gleichberechtigung gebe es nicht, wenn sie nur formell sei, wenn man nicht die Hürden beseitige, die ein politisches Engagement der Frauen erschweren.

Man diskutiere hier über etwas, das die Frauen draußen wenig interessiere, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Die Frauen interessiere der Lebensunterhalt, die Sicherheit auf den Straßen usw., nicht die Frauenquote. Solche Themen würden dazu führen, dass sich die Frauen noch weniger für die Politik interessierten. Es brauche starke Frauen in der Politik, keine Quotenfrauen. Abschätzige Bemerkungen gebe es übrigens auch über Männer.

Über dieses Thema habe bereits die ganze STF-Fraktion gesprochen, trotzdem bezeichneten sie es als unwichtig, bemerkte Zeno Oberkofler (Grüne). Es gehe hier nicht nur um die Quote, sondern um ein patriarchalisches System, das man nach vielen Jahren aufbrechen wolle. Den gleichen Frauenanteil in der Regierung wie im Regionalrat zu fordern, sei nicht überzogen. In Südtirol sei das bereits Realität, mit Zustimmung der SVP, die aber im Regionalrat anders denke.

Lucia Maestri (PD) erinnerte daran, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf auch die Unterschriften der SVP habe. Um die regionale Mehrheit nicht zu gefährden, werfe sie jetzt ihre Prinzipien über den Haufen, auf dem Rücken der Frauen.

Madeleine Rohrer (Grüne) sah einen unterschiedlichen Freiheitsbegriff zwischen Links und Rechts. Für Mitte-Rechts genüge das formale Recht auf dem Papier, auch wenn in der Praxis Hürden bestünden. Sie kritisierte die SVP, die zwischen Bozen und Trient Meinung wechsle.

Nach einer Unterbrechung auf Antrag der SVP erklärte Francesca Parolari (PD), sie finde den Änderungsantrag peinlich. Sie frage sich, wie man das den Frauen erklären wolle, die sich täglich gegen Diskriminierung einsetzten. Auch die Jugend würde so etwas nicht verstehen. Es brauche eine Unterstützung, um zu mehr Frauenpräsenz in den Institutionen zu kommen, erst, wenn das erreicht sei, brauche es keine Quote mehr.

Michela Calzà (PD) zeigte sich ebenfalls enttäuscht, der Antrag nehme dem Gesetzentwurf seinen Sinn. Die Frauenquote schmälere nicht die Leistung der Frauen, sie helfe, diese Leistung sichtbar zu machen. Der Geschlechterproporz sei in Südtirol schon Realität.

In Schule, Krankenpflege, Landesdienst und vielen anderen Bereichen seien die Frauen weit in der Mehrheit, aber in der Regionalregierung würde anscheinend eine Frau genügen, argumentierte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Eine Frau sei nicht genug. Wenn die SVP diesem Änderungsantrag zustimme, könne sie den Südtiroler Gleichstellungsplan, den sie genehmigt habe, gleich verbrennen.

Francesco Valduga (Campobase) fand es peinlich, dass man so lange über etwas diskutiere, was außerhalb des Regionalrats bereits selbstverständlich sei. Dieser Antrag passe nicht zu Kompatscher, es gehe um Machtspiele innerhalb der Mehrheit.

Präsident Arno Kompatscher sah die Emotionalität dieser Debatte positiv, ein Zeichen, dass man nicht zum Zyniker geworden sei. Es sei nicht das Ziel des Antrags, dass eine Frau genüge. Er stimme zu, dass eine Quote besser sei als die Mindestlösung. Was jetzt vorliege, sei das Ergebnis einer Debatte innerhalb der Mehrheit. Die SVP habe sich dafür entschieden, den Kompromiss anzunehmen, da er besser sei als die bisherige Regelung. Was ihn in dieser Debatte zum Gesetz gestört habe, sei der absolute Wahrheitsanspruch mancher Teilnehmer.

Der Änderungsantrag wurde in geheimer Abstimmung mit 35 Ja, 23 Nein und sechs Enthaltungen angenommen.

Bezirk: Bozen

Kommentare

Aktuell sind 8 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen