Von: mk
Bozen – Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen hat der IV. Gesetzgebungsausschuss heute Vorschläge von den Frauenhausdiensten und Frauenorganisationen angehört.
2018 wandten sich 604 Frauen an die fünf Südtiroler Frauenhausdienste, die in Notsituationen unbürokratisch Unterkunft und Unterhalt, allgemeine und Rechtsberatung sowie Kinderbetreuung bieten. Diese und andere Zahlen kamen heute bei der Anhörung vor dem IV. Gesetzgebungsausschuss anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen auf den Tisch. Zur Anhörung eingeladen hatte Ausschussvorsitzende Jasmin Ladurner, gekommen sind 21 Abgeordnete sowie Vertreterinnen verschiedener Organisationen, die betroffenen Frauen in den Frauenhäusern und anderen Anlaufstellen Schutz und Hilfe bieten.
„Gewalt an Frauen ist leider auch in Südtirol kein seltenes Phänomen. Sie passiert tagtäglich – meist hinter verschlossenen Türen“, so Vorsitzende Ladurner. „Deshalb ist es mir ein Anliegen zu hören, wie wir als Politik hier verstärkt und unterstützend unter die Arme greifen können. Außerdem gilt es Danke zu sagen: jenen, die sich täglich gegen Gewalt an Frauen einsetzen.“
Barbara Wielander vom Frauenhausdienst Brixen brachte noch eine Reihe von Zahlen zur Bestandsaufnahme. 64 Prozent der Täter waren die Lebenspartner, 20 Prozent die ehemaligen Partner. 65 Prozent der betroffenen Frauen sind italienische Staatsbürgerinnen; diese tun sich auch leichter als Frauen mit Migrationshintergrund, Arbeit und Wohnung zu finden. In 68 Prozent der Fälle handelt es sich um eine Kombination von physischer, psychischer, sexueller und ökonomischer Gewalt. Gewalt an Frauen hat auch einen volkswirtschaftlichen Aspekt: Die Kosten, die dem öffentlichen Gesundheitsdienst dadurch entstehen, werden auf 465 Mio. Euro beziffert.
Es gibt in einem solchen Bereich natürlich auch Dunkelziffern. Marcella Pirrone vom Verein GEA berichtet von der jüngsten Polizeistatistik, wonach alle 15 Minuten einer Frau Gewalt angetan wird – und das sind nur die Zahlen der Staatspolizei. „Nur eine von zwanzig Betroffenen wendet sich an die Beratungsstellen“, fügt Landesrätin Waltraud Deeg hinzu. Deeg sagt klar, wo der Nachholbedarf liegt: „Die gesetzliche Regelung ist da, es geht jetzt um Kulturarbeit.“ Dem stimmte auch Landeshauptmann Arno Kompatscher zu: „Die Dienste wird es weiterhin brauchen, aber vor allem braucht es einen kulturellen Wandel, daher ist es auch wichtig, dass man gemeinsam Flagge zeigt.“
Über die Geschichte der Frauenhäuser in Europa – das erste entstand 1971 in London – und der rechtlichen Rahmenbedingungen – das Landesgesetz zu den Frauenhausdiensten ist vor 30 Jahren erlassen worden – informierten Anna Maria Spellbring, Claudia Pichler, Hannelore Augscheller und Marcella Pirrone. Katia Schneider berichtete von der Betreuung der Kinder, die mit den Müttern ins Frauenhaus kommen und die sich schwertun, den Streit zwischen zwei Personen zu verstehen, zu denen sie eine besondere Beziehung haben. Das Landesgesetz von 1989 war das erste dieser Art in Italien, bemerkte Pirrone, verwies aber auch auf die Konvention von Istanbul, die auch Italien unterzeichnete hat, und die weiterreichende, miteinander verzahnte Maßnahmen vorsieht. Nachholbedarf sah Pirrone z.B. beim Schutz der Opfer in den Gerichtssälen, Elisabeth Tribus vom Verein „Frauen helfen Frauen“ sah mehr Prävention nötig, etwa durch „Bubenarbeit“, und mehr Informationen für Frauen über Rechte und Hilfe. Wielander wies auf den Bedarf an geeigneten Arbeitsplätzen und bezahlbaren Wohnungen hin.
„Die Dienste sind da“, bemerkte Ausschussvorsitzende Ladurner schließlich, „wir müssen sie zugänglicher machen, damit sich mehr betroffene Frauen an sie wenden.“ Wie Deeg und andere stellte auch sie eine Verrohung der Sprache gegenüber Frauen fest, die man auch in den sozialen Netzwerken erkennen könne. Auch in dieser Hinsicht sollten sich Frauen nicht alles gefallen lassen, sondern konkrete Schritte setzen.
An der heutigen Anhörung teilgenommen haben auch die Mitglieder des IV. Gesetzgebungsausschusses Helmuth Renzler, Brigitte Foppa, Franz Locher, Diego Nicolini, Franz Ploner, Sandro Repetto, Manfred Vallazza sowie die Abg. Paul Köllensperger, Peter Faistnauer, Maria Elisabeth Rieder, Alex Ploner, Hanspeter Staffler, Riccardo Dello Sbarba, Magdalena Amhof, Ulli Mair, Gerhard Lanz, Rita Mattei und Helmut Tauber teilgenommen.