Von Schweigeminuten bis hin zum besetzten Platz

Gewalt an Frauen: Viele beteiligen sich an Initiativen

Mittwoch, 22. November 2023 | 13:05 Uhr

Von: mk

Bozen – Zum Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November beteiligt sich der Landtag an der Sensibilisierungskampagne „Posto occupato/Besetzter Platz”. Mit dieser wird der Frauen gedacht, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt durch Männer geworden sind; dazu wird ab Freitag ein mit einer roten Decke umhüllter Stuhl aufgestellt. Landtagspräsident Noggler verweist auf die Wichtigkeit dieses Aufrufs zum Nachdenken und sich Gewalt entgegenzustellen

Der brutale Mord an Giulia Cecchettin hat das traurige Thema der Femizide, der Gewalt gegen Frauen – häufig durch diejenigen, die behaupten, sie zu lieben – einmal mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Nur kurze Zeit nach diesem tragischen Ereignis wird nun am 25. November der Internationale Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen (auch Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen) begangen. Dieser Aktions- und Gedenktag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Art gegenüber Mädchen und Frauen wurde 1999 von der UN-Generalversammlung ins Leben gerufen, um allen Menschen bewusst zu machen, dass es diese schrecklichen Ereignisse gibt und dass man sich ihnen entschieden entgegenstellen muss.

Anlässlich des diesjährigen Tages gegen Gewalt an Frauen beteiligt sich der Südtiroler Landtag, wie bereits mehrmals in der Vergangenheit, an der gesamtstaatlichen Kampagne „Posto occupato/Besetzter Platz“. Dazu wird ein mit einer roten Decke umhüllter Stuhl aufgestellt, auf dem bzw. um den verschiedene weibliche Accessoires verteilt werden. Damit soll die Leere symbolisiert werden, die jede Frau, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt wird, meist durch einen Partner oder ein Familienmitglied, in der Gesellschaft hinterlässt.

„Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein Phänomen, dass nicht nachlässt”, unterstreicht Landtagspräsident Josef Noggler. „Das hat uns der Mord an Giulia Cecchettin auf folgenschwere Weise vor Augen geführt. Indem wir ab Freitag, 24. November, am Eingang des Landtags den ‚besetzten Platz‘ der 106 Frauen zeigen, die im Jahr 2023 ermordet wurden, wollen wir die Aufmerksamkeit aller auf die Ausbreitung des Phänomens und die Notwendigkeit lenken, der Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten, angefangen bei ihren Erscheinungsformen im Alltag.” Von den 106 Frauen, die in diesem Jahr in Italien laut Innenministerium (Stand. 19. November 2023) Opfer eines Femizids wurden, ergänzt Noggler, wurden 55 vom Partner oder Ex-Partner ermordet; in 87 Fällen geschah der Mord im familiären oder „gefühlsmäßigen“ Umfeld.

Landtagspräsident Noggler lädt auch dazu ein, sich der von dem Land Südtirol initiierten Aktion „Südtirol steht still“ (https://www.suedtirolstehtstill.bz.it/) anzuschließen. Diese ruft dazu auf, am Samstag, 25. November, um 12.00 Uhr mittags in ganz Südtirol zwei Schweigeminuten einzulegen, um die Solidarität mit den Opfern von Gewalt zu bekunden und fordern gleichzeitig ein gesamtgesellschaftliches Umdenken.

„Südtirol steht still“: Unternehmerverband unterstützt Initiative

Auch der Unternehmerverband Südtirol sagt „Nein“ zu Gewalt gegen Frauen und unterstützt die Initiative „Südtirol steht still“ am 25. November 2023.

Um 12.00 Uhr mittags, wenn im Land die Sirenen heulen und die Glocken läuten, sind demnach alle Menschen aufgerufen, zwei Minuten lang stillzustehen und innezuhalten – egal ob im öffentlichen Raum, im Geschäft, an der Bar, auf dem Sportplatz, am Mittagstisch zuhause oder anderswo.

Auch Unternehmen können im Kampf gegen Gewalt an Frauen einen konkreten Beitrag leisten, wie bei der vom Unternehmerverband vor Kurzem organisierten Veranstaltung „Gewalt an Frauen: was Unternehmen tun können“ unterstrichen wurde. „Oft ist für Frauen, die Opfer von Gewalt sind, der Arbeitsplatz einer der wenigen geschützten Orte. Hier können sie sich noch frei bewegen und auch um Hilfe fragen“, unterstreicht die Präsidentin der Gruppe der Jungunternehmerinnen und -unternehmer, Manuela Bertagnolli.

Auf Initiative der Gruppe der Jungunternehmerinnen und -unternehmer wurde daher eine Aktion gestartet, um in den Unternehmen für dieses Thema zu sensibilisieren, Informationen über Strukturen und Ansprechpartner geben, an die sich Frauen, die Opfer von Gewalt sind, wenden können. In Zusammenarbeit mit dem Frauenhaus Brixen und der Südtiroler Künstlerin Ali Paloma hat die Gruppe der Jungunternehmerinnen und -unternehmer Plakate und Flyer entworfen, die in den Unternehmen aufgehängt und ausgeteilt werden können. Diese stehen allen Mitgliedsunternehmen zur Verfügung.

„Wenn wir trauern ist es zu spät“ – Gewaltprävention wichtiger denn je.

Seit vielen Jahren wird der 25. November als internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen begangen, doch die Gewalttaten an Frauen werden nicht weniger. Darauf weisen die KVW Frauen hin.

Erschüttert von den vielen Morden, letzthin an sehr jungen Frauen auch hier in Südtirol, haben die KVW Frauen beschlossen, eine Sensibilisierungsaktion zur Gewalt – Prävention zu machen. Sie soll nicht nur zum Nachdenken und Reden einladen, sie soll auch darüber hinaus das notwendige Handeln aufzeigen. In allen Bezirken werden Freiwillige durch eigens angefertigte Roll-Ups mit der Aufschrift „Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt an Frauen“ aufmerksam machen. Gleichzeitig verteilen sie auch Papiertaschentücher in schwarzer Hülle mit der prägnanten Aufschrift „Wenn wir trauern, ist es zu spät!“

Es ist ein dringender Appell an die Gesellschaft sensibel für Hilfesuchende zu werden, Gewaltsituationen nicht mehr zur verharmlosen oder gar zu ignorieren. Aber der Appell richtet sich auch an die lokale Politik, an alle alten und neuen Landtagsabgeordneten, bekannte Gewaltpräventionsmaßnahmen zwingend und so schnell als möglich zu finanzieren und umzusetzen „Es muss endlich ein Ruck durch Gesellschaft und Politik gehen“, so Vorsitzende Heidrun Goller, „ es kann nicht sein, dass wir in ständiger Angst um unsere Töchter, Enkeltöchter, Mütter, Freundinnen, Schwestern sind… und die Täter sind meist im familiären Umfeld zu suchen, einem Ort, der einem Sicherheit und Geborgenheit geben sollte.“

„Es kann nicht weiterhin so sein, dass das Gefährlichste für eine Frau ist, dem Mann „NEIN“ zu sagen“, mahnt die Vize Vorsitzende der KVW Frauen Margareth Fink.

Kurzfristige Maßnahmen sind, wie bereits beim Frauenmarsch in diesem Jahr vehement gefordert, die Bereitstellung eines geeigneten Frauenhauses in Bozen, wo Betroffene Frauen und ihre Kinder Zuflucht und Schutz finden. Langfristig ist das Problem jedoch auch strukturell anzugehen. Der Gleichstellungsaktionsplan, der in mühevoller Arbeit von unterschiedlichsten Organisationen, viele davon ehrenamtlich, herausgearbeitet worden ist, müsse mit diesem Haushalt finanziert und sofort umgesetzt werden, und zwar mit einer Priorisierung der Maßnahmen und Interventionen zur Gewalt-Prävention.

“Respektvolles Verhalten und das Einhalten berechtigter sozialer Regeln ist eine Erziehungs-und Bildungsangelegenheit. Kommen wir bitte endlich vom Reden ins Tun, schauen wir hin. Wenn die Politik Vertrauen erzeugen will, muss sie schleunigst handeln. Allein in diesem Jahr hat Italien 106 Femizide zu beklagen. Im Durchschnitt wird jeden dritten Tag ein Mädchen oder eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner kaltblütig ermordet. Das sind genau 106 zu viel“, so die Vorsitzende Heidrun Goller.

„Klarer Auftrag an Gesellschaft und Politik“
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Das Team „Frauen*marsch-Donne*“, welches sich mit großem Engagement gegen Gewalt an Frauen einsetzt, hat sich kürzlich mit einem konkreten Forderungskatalog an alle Abgeordneten des Südtiroler Landtages gewandt. Die SVP-Landtagsabgeordneten Magdalena Amhof und Rosmarie Pamer haben zusammen mit rund 2.000 weiteren Frauen und Männern am diesjährigen Frauenmarsch im September teilgenommen und werden die vorgelegten Forderungen entschlossen mittragen. Dabei zählen die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Frauenhauses in Bozen sowie professionelle sexuelle Bildung an Südtirols Schulen für sie zu den dringendsten Anliegen.
Während Südtirol und Italien in diesen Tagen mit der Familie von Giulia Cecchettin trauert, wird bereits der nächste Femizid gemeldet: Ein 70-jähriger Mann hat in Fano seine Ehefrau getötet. In wenigen Tagen, am 25. November, wird der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen begangen. Südtirol beteiligt sich daran mit zahlreichen Initiativen.

„Wir müssen und werden uns noch mehr bemühen, um den Frauen zu helfen, die häuslicher, sexueller oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind; in erster Linie muss jede und jeder von uns sein Umfeld beobachten und aktiv werden, wenn es notwendig wird. Hier sind Achtsamkeit und Zivilcourage gleichermaßen angesagt“, sagt Landtagsabgeordnete Rosmarie Pamer. Aufklärungsarbeit sei nach wie vor das Um und Auf. Jetzt sei die Politik zum Handeln aufgerufen.

Amhof dazu: „Bereits in der Schule muss permanent und professionell aufgeklärt werden. Sexualpädagogische Projekte müssen eingeleitet und unterstützt werden. Dazu brauchen wir qualifizierte Fachkräfte. In unserer digitalen Welt sind vor allem junge Mädchen vermehrt sexualisierter und psychischer Gewalt ausgesetzt. Wir werden uns gezielt dafür einsetzen, dass sexuelle Bildung an Südtirols Schulen einen höheren Stellenwert erfährt.“ Ebenso wolle man so schnell als möglich einer weiteren Forderung des „Kollektiv Frauenmarsch*“ nachkommen: Es bräuchte dringend eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für Betroffene. Das derzeitige Frauenhaus in Bozen platze aus allen Nähten. Mittlerweile habe man einen geeigneten Standort ausgemacht und auch die Finanzierung des Landes sei bereits zugewiesen, so die SVP-Fraktionsvorsitzende.

„Nun ist Bozen am Zug – einer Umsetzung des Projektes steht nichts mehr entgegen. Wir werden in dieser Angelegenheit vehement dranbleiben, damit wir weiterhin die Sicherheit von betroffenen Frauen und Kindern gewährleisten können“, so die Landtagsabgeordneten Amhof und Pamer.

Bezirk: Bozen